Vielen Dank, Herr Jonitz, für die Darstellung der Vor-Ort-Ebene und der Situation, wie jeder einzelne von uns sie erlebt. Die Ökonomen nennen das, glaube ich, Mikroebene. Das ist in diesem Zusammenhang kein abwertender Ausdruck, sondern einfach die Beschreibung der Ebene, auf der sich etwas abspielt, was unten ankommt.
Jetzt gehen wir in die absolute Makroebene, nämlich dorthin, wo die übergreifende Gestaltung erfolgt. Bitte sehr, Herr Professor Henke.
Prof. Dr. Henke,
Referent:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für einen normalen Hochschullehrer schon eine besondere Ehre, auf einem Ärztetag auftreten zu dürfen. Ich möchte natürlich Ihre Aufmerksamkeit gewinnen und werde mit einer Überlegung beginnen, die der eine oder andere von der Vorstandsetage bereits gehört hat, die ich dennoch nochmals vortragen möchte.
Sie kennen vielleicht den Nestor der amerikanischen Gesundheitsökonomie Victor Fuchs, der vor gut 20 Jahren das Buch "Who Shall Live? Health, Economics and Social Choice" geschrieben hat. Dieser Kollege erzählte neulich in Stockholm auf einer Tagung, er habe vor etwa 20, 25 Jahren vor der American Medical Association einen solchen Vortrag halten müssen, wie er mir heute zuteil wird. Er suchte den Augenkontakt zu den Zuhörern - was hier im übrigen schwerfällt - und fragte die 300 oder 400 Zuhörer, bezogen auf diejenigen in der letzten Reihe: Können Sie mich eigentlich alle hören? - Es meldeten sich einige, vielleicht jüngere Ärzte und sagten: Nein, Herr Professor, wir verstehen gar nicht, was Sie sagen! - In diesem Moment sprangen einige Kollegen aus der ersten Reihe auf und erklärten: Kommen Sie doch nach vorne, wir wollen dem Mann gar nicht zuhören!
Wenn ich Victor Fuchs das nächste Mal sehe, gebe ich ihm vielleicht den kleinen dtv-Band "Der Garten der Gesundheit" von Heinrich Schipperges. Als ich diesen Band zur Vorbereitung auf dieses Referat las, ging es mir richtig gut. Sie wissen aber nicht, warum. Im achten Kapitel steht dort etwas über medizinische Versorgungssysteme, in denen wir wohl alle arbeiten. Da werden die Grundbegriffe des Dienstes erläutert. Es kommt die mittelalterliche Medizin zum Tragen, die in einem ganz anderen Maße ganzheitlich an die Patienten herangegangen ist, als das heute der Fall ist. In dem Abschnitt "Struktur und Funktion des Spitalwesens" greift Herr Schipperges auf die Antike zurück und stellt das Schlüsselwort des "oikos" nach vorn, das ursprünglich "Haus" bedeutete, das volle Hauswesen, eine Wirtschaft im alten Sinne.
Ich zitiere:
Daß eine solche Haushaltung und Wirtschaftsführung nicht Funktion der Herrschenden, sondern der Dienenden sein müsse, daß folglich die Dienste erst den "oikos" sichern, das war schon die Auffassung von Platon. Bei Hesiod ist der Ökonom ein Mann, der alles bedenkt und dabei erkennt, was schließlich als das Beste herauskommt. Alle "oikonomia" ist als Haushaltung und Verwaltung immer auch die Fürsorge, eine Pflegschaft, die Gastlichkeit.
Jetzt erst können wir die Kernbegriffe des Dienens mit jener großartigen sozialen Institution verknüpfen, wie sie als die alte "Ökonomik" vor uns steht.
Als Volkswirt war es für mich spannend, daß er die Grundlagen der Ökonomie in der Antike sieht. Das bereitet keine Probleme. Er versucht den Nachweis, daß in den Krankenhäusern die Ursprünge der Ökonomie liegen.
Wenn ich meinen Studenten ganz simpel erläutern soll, was Ökonomie eigentlich bewirkt, dann weise ich darauf hin, daß gemeint ist, etwas bedarfsgerecht und kostengünstig zu tun. Human und wirtschaftlich sind die beiden Seiten derselben Medaille; das gehört zusammen. Deshalb gleich zu Beginn meine Message: Wettbewerb gehört zusammen mit Solidarität. Das ist unverzichtbar.
(Beifall)
Wenn Sie zulassen, daß in dieser Beziehung eine Dichotomie entsteht, gehen Sie in eine falsche Richtung. Ich möchte dazu beitragen, daß Sie das nicht tun. Bevor ich mit Ihnen gemeinsam über die veränderten Rahmenbedingungen nachdenke und erläutere, ob das zu mehr Frust oder zu mehr Lust bei Ihnen geführt hat, möchte ich darauf hinweisen: Im Vordergrund steht am Schluß des Referats das Fazit. Ich möchte das Podium nicht verlassen, ohne mit Ihnen ganz konkret nächste Schritte zu erörtern, damit man nicht nur gegen die Krankenhausökonomen und die Verwaltungen spricht. Dort muß man viel verbessern, es muß eine neue Unternehmenskultur her.
Aber die müssen Sie als die Vertreter der Ärztekammern gestalten.
(Beifall)
Wenn Sie als Vertreter der Kammern nicht die Klammer bilden, um das zu erreichen, was Schipperges über die klassische Medizin im Mittelalter geschrieben hat, wer soll es sonst tun? Ich möchte Sie jetzt an die Hand nehmen, um ganz am Schluß zu sagen: Das sind die nächsten Schritte. Zuvor möchte ich zeigen, welche Veränderungen in Führung, Organisation und Finanzierungsstrukturen erforderlich sind.
Ich möchte eingangs an drei Beispielen deutlich machen, was einen Ökonomen umtreibt. Das Allerwichtigste sind die Ziele der Krankenbetreuung und der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung innerhalb und außerhalb des Krankenhauses. Die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung hat soeben einen neuen Ausschuß unter der Leitung von Dr. Hess gegründet, in dem sich diejenigen treffen, die über die Ziele diskutieren, die Sie in Ihrem beruflichen Alltag verfolgen. Die eine Zielebene im Gesundheitswesen ist die Krankenversorgung und gesundheitliche Betreuung. Dazu gehören: Wahrung der menschlichen Würde und Freiheit im Krankheitsfall; Verhütung, Heilung und Linderung von Krankheit sowie damit verbundenem Schmerz und Unwohlsein; Wiederherstellung der körperlichen und psychischen Funktionstüchtigkeit; Verhinderung des vermeidbaren Todes sowie "Angstfreiheit" durch Verfügbarkeit von Leistungen für den Eventualfall. Es ist einfach schön, daß Sie da sind. Hier ist Kompetenz rechtzeitig im Raum vorhanden. Wenn hier etwas passiert, ist rechtzeitig Hilfe vorhanden. Wenn ich das in meiner Nachbarschaft auch vorfinde, trägt das zur Angstfreiheit bei. Ich finde, das ist ein wichtiges Ziel, das selten postuliert wird. Die Ökonomen nennen das "Optionsnutzen". Das ist eine fürchterliche Vokabel.
Eine zweite Zielebene sind die gesundheitspolitischen Ziele. Wir müssen darüber nachdenken, wie man eine auf hohem Niveau definierbare Regelversorgung sicherstellt und sie durch eine Versicherungsaufsicht sozusagen dynamisch sich verändern läßt. Das, was unabdingbar notwendig ist, muß für jeden in bestmöglicher Qualität zur Verfügung stehen, und das mit einem Höchstmaß an Freiheit bei allen Beteiligten. In diesem Zusammenhang stehen Freiberuflichkeit und Selbststeuerungskräfte obenan.
Die dritte Zielebene orientiert sich an Krankheitsarten und Bevölkerungsgruppen. Ich möchte nicht weiter darauf eingehen, weil sich jeder vorstellen kann, daß vermeidbare Mortalität und vermeidbare Morbidität zu den Hauptzielsetzungen gehören, wenn man empirisch, epidemiologisch, statistisch an die Fragestellungen herangeht.
Unser Thema heute ist eng gefaßt: der Arzt im Krankenhaus.
Ich komme zu den Zielen im Krankenhaus. Diejenigen, die im Krankenhaus tätig sind, müssen immer wieder versuchen, die Ziele zu definieren, die verfolgt werden sollen. Anders kann man nach einem bestimmten Zeitablauf nicht sagen, ob man besser geworden ist oder nicht. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Publikation von Wolfgang Helbig, herausgegeben von der Bertelsmann-Stiftung: Leitung und Leistung im Krankenhaus - Führungsorganisation aus Sicht des Krankenhausträgers. Das ist eine vorzügliche Publikation. Helbig definiert als ethisch-moralische Wertvorstellungen: für den Leidenden - den anderen, der es braucht - dasein; ihm körperlich, seelisch, geistig - also ganzheitlich - helfen; seine Würde achten und wahren, sein Leben schützen, ihn im Sterben nicht verlassen. Er postuliert:
Die Sorge für die Kranken steht vor und über allen anderen Pflichten.
Das erinnert mich an das Buch von Heinrich Schipperges, das ich bereits erwähnt habe.
Bezogen auf die Mikroökonomie, die nicht immer gut wegkommt, sind die Ziele im Krankenhaus: Wirtschaftlichkeit, Sozialverträglichkeit, Wettbewerb, Sicherstellung. Sicher gibt es Konflikte zwischen Humanität und Wirtschaftlichkeit. Beides wird gleichzeitig benötigt. Das ist keine Dichotomie. Man muß bei diesen Zielsetzungen Augenmaß beweisen zwischen Effizienz und Wirtschaftlichkeit auf der einen Seite und Zuwendung auf der anderen Seite. Die Ganzheitlichkeit einer sehr zuwendungsorientierten Medizin ist genauso wichtig wie die Seite der Wirtschaftlichkeit. Man hat mir neulich gesagt - offensichtlich sprach da ein Reiter -: Beim Reiten muß man immer daran denken, daß man rechts herunterfallen kann, daß man aber auch links herunterfallen kann. Man kann sozusagen links herunterfallen, wenn man die Wirtschaftlichkeit, die Effizienz, die finstere Mikroökonomie in den Vordergrund stellt und sich von der Verwaltung vorschreiben läßt, was individuell getan werden soll; rechts fällt man vom Pferd, wenn man die zuwendungsorientierte Medizin so in den Vordergrund stellt, daß nichts anderes mehr Gültigkeit hat. Diese beiden Richtungen muß man austarieren.
Ich möchte jetzt zusammen mit Ihnen weiterreiten und den Weg finden, den wir gemeinsam - Sie mehr als ich - bestimmen. Vorsorge, Fürsorge, Nach-sorge, die den ganzen Menschen erfassen, bilden sozusagen den sicheren Sitz im Sattel.
Bisher war alles gut und schön, meine Damen und Herren, jetzt aber wird es unangenehm. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit gewinnen für ein schwieriges Thema, nämlich das Wirtschaftlichkeitsprinzip im Krankenhaus. Ich möchte es ganz schlicht erklären - ich habe es zuvor mit Studenten eingeübt -, so daß ich es für jeden rüberbringe. Es wäre nett, wenn Sie als Gegenleistung keine Kritik mehr an den Ökonomen übten.
Es geht um die Situation in zwei verschiedenen Krankenhäusern. Sie könnten im Krankenhaus I beschäftigt sein. Sie arbeiten hoffentlich alle im Krankenhaus II; dort können Sie - um es ganz billig auszudrücken - mit weniger Geld mehr Gesundheit kaufen. Je steiler die Kurve ist, desto besser das Krankenhaus. Auf der Waagerechten des Diagramms sind die Krankenhausausgaben pro Einheit aufgeführt. Diese Einheit kann beispielsweise auch ein Sonderentgelt sein. Die Senkrechte stellt den Index für die Krankenbetreuung dar. Das könnte man spezifizieren, ist jetzt aber nicht erforderlich.
Beim Krankenhaus I steigt die Kurve ganz langsam. Die finsteren Ökonomen würden von einer Produktionskurve sprechen. Das ist eine Gesundheitsfunktion, die Produktion zur Gesundheit. Der Punkt A ist kein toller Punkt, denn diesen Punkt A, bei dem Sie Krankenhausausgaben in Höhe von K1 haben, können Sie locker nach oben weiterführen zum Punkt C. Dann haben Sie bei unveränderten Ausgaben eine bessere Versorgung. Das ist ganz simpel die eine Form des Wirtschaftlichkeitsprinzips.
Die andere Form bedeutet,
daß ich denselben Gesundheitsstand G0 für weniger
Geld erhalte, indem ich von K1 zu K2 gehe.
Das ganze Diagramm hat natürlich
nur heuristischen Wert, ist anregend für den Kopf. Mehr ist es nicht.
Ich kann das jetzt nicht empirisch untermauern, aber ich kann es makro-
und mikroökonomisch ausformulieren. Die Gesellschaft steht vor der
Alternative: Wollen wir für eine bestimmte Summe mehr Gesundheit?
Oder wollen wir einen bestimmten Gesundheitsschutz für weniger Geld?
Das ist die Option, die man hat, das ist Social choice.
Im Krankenhaus können insofern mikroökonomische Veränderungen vorgenommen werden, als Sie sagen können: Ich bin für eine schöpferische Zerstörung und möchte, daß die Kurve entgegen dem Uhrzeigersinn nach oben geht. Ich kaufe für weniger Geld im Krankenhaus mehr Gesundheit im Sinne der Krankenbetreuung. Das ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip, unter dem wir alle arbeiten, gleichgültig wo wir arbeiten, ob makro- oder mikroökonomisch.
Vielleicht haben Sie in Ihrem Haus schon einmal eine Erfolgsprämie bekommen, weil Sie einen guten Vorschlag gemacht haben. Haben Sie schon einmal eine Prämie bekommen, weil Sie Vorschläge gemacht haben, wie man die Patienten ganz einfach besser versorgen kann? Ist das verbreitet?
(Widerspruch)
- Warum ist das nicht verbreitet? Das sind doch einfache Dinge. Das verstehe ich nicht.
(Zustimmung)
Ich komme jetzt zu den veränderten Rahmenbedingungen für Krankenhäuser. Es hat in der Gesundheitspolitik der Bundesrepublik über die letzten Jahre zwei kleine "Revolutionen" gegeben, die großenteils über alle Parteigrenzen hinweg unterstützt wurden. Die eine "Revolution" waren Wahl- und Wechselmöglichkeiten in bezug auf die Krankenkassen. Das ist einfach ein Faktum geworden. Daran arbeiten wir. Das ist heute aber kein Thema.
Eine vielleicht noch größere "Revolution", die nicht mehr zurückzuführen sein wird, war die Einführung von Preisen in das medizinische Leistungsgeschehen. Ich meine leistungsbezogene Entgelte, hin zu mehr Wirtschaftlichkeit bei hoher Qualität. Das sind Sonderentgelte, das sind abteilungsbezogene Pauschalen, das sind Fallpauschalen. Man kann lange darüber diskutieren, welche Prozeßkostenanalyse man durchführen soll, ob man sich das nur im Krankenhaus anschaut, ob man nicht die prä- und nachstationäre Behandlung mit hineinnehmen muß, ob man einen Patienten nicht sozusagen an die Hand nehmen und durch sein Schicksal führen muß, um anschließend die Gesamtkosten zu ermitteln.
Über all dies kann man diskutieren. Es ist aber nicht das heutige Thema. Ich will nur darauf hinweisen, daß all dies ein Essential war, das auch nicht beseitigt werden wird.
Ein zweites Essential, wenn auch von ganz anderer Art, ist die Abschaffung der strikten Budgetierung, welche die meisten von Ihnen in ihren Häusern wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen. Vielleicht handelt es sich eher um eine Angelegenheit der großen Gesundheitspolitik. Ich habe nicht die Vorbehalte gegen die Budgetierung, die Sie haben. Sie weisen darauf hin: Es kommt weniger Geld ein. Ich habe das Gefühl: Es wächst der politische Einfluß, wenn Sie die Budgetierung zu Ende denken. In diesem Zusammenhang habe ich Großbritannien und die skandinavischen Länder vor Augen. Ich habe den Eindruck, daß wir in Deutschland bisher so wenig über Prioritäten und Rationierung sprechen, weil wir das bisher noch nicht in dem Maße brauchten, wie das in Großbritannien und in den skandinavischen Ländern der Fall ist, wo die globalen Budgets einfach knapper sind.
Die Diskussion pro und kontra Budgetierung kann man global, sektoral, regional sehen, bis hin zum Praxisbudget beim einzelnen Arzt. Das ist ein Thema in sich; das könnte auf einer anderen Veranstaltung vertieft werden.
Die Erosion der Bemessungsgrundlagen ist ein Problem. Wir haben eine Massenarbeitslosigkeit, und von daher ist es verständlich, daß wir zukünftig die Krankenversicherung und auch andere Zweige der sozialen Sicherung nicht aus Löhnen und Gehältern weiterhin so opulent finanzieren können wie früher. Wenn Löhne und Gehälter und Gewinne nicht mehr in dem früheren Ausmaß steigen, kann man aus diesen Bemessungsgrundlagen nichts zusätzlich finanzieren.
(Zustimmung)
Insofern muß man dort etwas verbessern und verändern. Ich habe gestern abend mit einem guten Freund, einem Neurochirurgen, telefoniert, um mich für das heutige Referat ein wenig fit zu machen. Ich habe ihn gefragt, was ihn bewegt, was sein Problem ist. Er antwortete mir: Eigentlich gar nichts, ich nehme die Herausforderungen, die auf mich zukommen, an. Er klagte darüber, daß der Rechtfertigungsdruck im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit zugenommen hat. Da waren wohl auch Defizite in Ihren Häusern. Er hat die Bedeutung der Verwaltung in den Vordergrund gestellt, die enorm zugenommen hat.
Sie haben es bestimmt nicht gern, wenn ich Ihnen als Ökonom über die Schulter schaue und sage: Das wollen wir nicht machen, dafür haben wir kein Geld! Dann müssen Sie dem Patienten, obwohl Sie ihm helfen könnten, ins Gesicht sagen: Ich könnte Ihnen helfen, tue es aber nicht, weil es nicht im Leistungskatalog steht! - Diese Verhältnisse wollen und brauchen wir nicht. Man muß aber in Ruhe aussprechen, daß dies Entwicklungen sind, die zu den Rahmenbedingungen gehören.
Zu den Rahmenbedingungen gehört auch das Kostenstellendenken. Mir wurde gestern ebenfalls vermittelt, daß Sie darüber mehr und mehr lernen. Es gibt eine Kostenstellenrechnung, eine Kostenartenrechnung - aufgeteilt in Personalkosten, Sachkosten, Bürokosten -, ferner gibt es Gemeinkosten. Diese Begrifflichkeiten dürften Ihnen klar sein.
Wichtig ist die Kostenträgerrechnung. Sie bezieht sich auf die Patienten. Noch wichtiger ist die Prozeßkostenanalyse, bei der man einen Patienten an die Hand nimmt, ihn durch den Gesundungsprozeß führt und darauf bezogen die Kosten ermittelt.
Kosten sind keine Preise, meine Damen und Herren, und Preise sind keine Ausgaben. Die Ausgaben ergeben sich durch Multiplikation der Preise mit der jeweiligen Menge. Diese muß man später finanzieren. Ich war froh, daß Minister Seehofer bei der Eröffnungsveranstaltung so deutlich gemacht hat, daß nun auch die Politiker sich von der fiskalischen Betrachtung entfernen, wieder hin zum Patienten und zur vermeidbaren Mortalität und Morbidität, um dann über Leitlinien - im besten Sinne des Wortes gemeint - zu ermitteln, was für Sie alle erforderlich ist, was Sie für sich selbst, für Ihre Bekannten, für Ihre Freunde haben wollen.
Wenn wir eine solche Leitlinienorientierung hinbekämen, würde ich Ihnen gern helfen, die Kosten zu ermitteln. Mir wäre gleichgültig, was herauskommt. Wenn es 20 Prozent des Sozialprodukts sind - warum denn nicht? Warum sollen wir nicht in dieser Dienstleistungsbranche, in der 13 bis 14 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten, mehr Geld ausgeben, wenn das die Bevölkerung sozusagen wünscht?
(Beifall)
- Ich wußte, daß Sie hier Beifall spenden. Aber Sie wissen noch nicht, was ich jetzt sage: Vielleicht wären wir, wenn wir nur 5 Prozent ausgäben, viel gesünder. Das weiß keiner.
(Vereinzelt Zustimmung)
Wir brauchen Mechanismen, Rahmenbedingungen, die soviel Gestaltungsspielräume geben, daß wir zum Ziel gelangen: eine bedarfsgerechte und kostengünstige Versorgung. Ich kann Ihnen nicht wissenschaftlich ableiten, welche Summe wir ausgeben müßten. Man kann selbst mit dem besten Sachverstand keine Gesundheitsquote ausfindig machen. Ich verstehe aber gut, daß auch wohlmeinende Politiker die trügerische Zielgröße der Beitragssatzstabilität aus dem Hut ziehen. Haben Sie schon jemanden gefunden, der den durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung zahlt? - Ich nicht. Wahrscheinlich gibt es ihn nur per Zufall. Diese trügerische Zielgröße muß man sich auf der Zunge zergehen lassen, wenn man sich einmal anschaut, was Kollegen in Berlin berechnet haben. Danach haben Sie sich eine Kostenexplosion einreden lassen, die wir zumindest seit 20 Jahren nicht hatten.
(Beifall)
Aber das ist ein neues Thema, das ich jetzt nicht vertiefen möchte.
Es gibt vielfältige Aus- und Nebenwirkungen. Herr Jonitz hat bereits auf höhere Fallzahlen und die Leistungsverdichtung hingewiesen. Die Zahl der Betriebsvergleiche zwischen den Krankenhäusern wird fatal zunehmen. Sie werden sagen: Das wollen wir nicht, man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Meine Damen und Herren, setzen Sie sich auf die andere Seite des Pferdes und sehen Sie zu, daß Sie nicht herunterfallen, indem Sie alles negieren und nicht haben wollen.
Das wird kommen. Ob es über "Focus" oder über einen "Guide Michelin für Krankenhäuser" geschieht, den die private Krankenversicherung herausgibt - die Entwicklung können Sie nicht mehr stoppen. Seien Sie lieber von Anfang an dabei. Ich bin an der Universität selber davon betroffen. Dieses Ranking und Listing ist einfach nicht zu stoppen.
Die historische Entwicklung kann man bei Schipperges sehr gut nachlesen. Ich betone, daß man sich einmal anschauen sollte, wie der Übergang von den mittelalterlichen Siechenhäusern zu den modernen Gesundheitszentren vor sich gegangen ist. Aber dazu will ich jetzt nichts weiter ausführen.
Das Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 war ein wichtiger Einschnitt, da damit das Selbstkostendeckungsprinzip verankert wurde, das wir nach einer langen Zeit des Lernens wieder abgeschafft haben. Zuvor wurde immer auch ein altruistisches finanzielles Engagement der Krankenhausträger vorausgesetzt. Die duale Krankenhausfinanzierung wurde 1972 festgeschrieben. Zuvor gab es die monistische Finanzierung.
Dieses Krankenhausfinanzierungsgesetz war als Jahrhundertgesetz gedacht. Das ist es nicht geworden, denn man hat es ja noch vor dem Ende des Jahrhunderts deutlich verändert durch die Einführung von Preisen. Die Wege zur monistischen Krankenhausfinanzierung haben wir sicherlich nicht durch die Gesetze, die jetzt kommen, verbaut. Die Tatsache, die Sie beklagen, daß es leichter ist, die Infrastruktur zu erneuern, ist auch insoweit begründet, als die politischen Träger sich dort austoben können. Das Zuviel an Betten und Krankenhäusern - auch in Berlin - ist im politischen Bereich begründet, nicht im Bereich des Sachverstands, den man gehabt hätte, wenn man aus einer Hand mit laufenden Kosten und Investitionskosten hätte operieren können.
(Zustimmung)
Damit sage ich nicht, daß wir nicht doch einen Sicherstellungsauftrag benötigen, der sich um die Versorgung in diesem Bereich kümmern muß. Ich verstehe Herrn Robbers, der ab und zu von der Neun-Zehntel-Monistik spricht. Von mir aus kann man auch von der Acht-Zehntel-Monistik reden.
Auch wenn die langfristige Konzeption der Krankenhausfinanzierung nicht unumstritten ist, zeichnet sich doch eine Hinwendung zur Leistungsorientierung und zu mehr Markt und sozial gebundenem Wettbewerb ab, allerdings bei gleichzeitig starken Eingriffen in Richtung mehr Kostendämpfung. Minister Seehofer sagte sehr plakativ und politisch verständlich, daß er bei Ihnen nun keine Wirtschaftlichkeitsreserven mehr sieht. Er meinte sicherlich mehr die Makroebene als die Mikroebene. Ich denke einfach, im stationären Bereich - das werden Sie wahrscheinlich zustimmend abnicken - kann man noch ein bißchen etwas tun. Anderenfalls bräuchte ich jetzt gar nicht weiterzureden.
Ich komme zur Diagnose: Lust und Frust im Krankenhaus. Wehleidigkeit ist nicht angesagt, Wehmut auch nicht, kein Jammern; wir machen weiter. Unter den äußeren Bedingungen leiden nicht nur Sie, sondern auch andere Berufe haben damit zu tun. Daß die demographische Entwicklung das Krankheits-panorama verändert, muß ich hier nicht vertiefen. Das ist in dem erwähnten Band I auf Seite 30 ff. nachzulesen.
Leiden Sie eigentlich unter der Fragmentierung der Behandlungsabläufe durch immer neue medizintechnische Verfahren in Diagnose und Therapie? Das hängt wahrscheinlich sehr von dem Gebiet ab, in dem Sie tätig sind. In der Allgemeinchirurgie leiden Sie wahrscheinlich mehr als in der Neurochirurgie, wo es sozusagen diese Subspezialisierung nicht gibt. Das kann ich nicht gut einschätzen. Diese Fragmentierung ist schon eine Besonderheit. Vielleicht kann man von ihr zukünftig wieder etwas abgehen. Das überschaue ich nicht; das müssen Sie sagen.
Die Änderungen in den Dokumentations- und Berichtspflichten wurden bereits angesprochen. Damit haben Sie ständig zu tun, und Sie haben dazu keine Lust. Das ist fast eine berufsfremde Aufgabe, die Sie erfüllen müssen. Es ist schwer zu definieren, was berufsfremd ist.
Ich komme zu einem weiteren Stichwort: AiPler auf Sozialhilfeniveau. Meine Tochter studiert Medizin und hat das erste Staatsexamen. Sie kann jetzt für ein Jahr nach Großbritannien gehen. Wenn sie wiederkommt und AiPlerin wird, muß ich meinen Freunden erklären, daß man in dieser Situation weniger als ein Sozialhilfeempfänger bekommt. Wenn man weitermacht, erhält man weniger als beispielsweise Volksschullehrer, die ganz gut Ferien haben und sich immer noch über ihren enormen Arbeitsaufwand beklagen.
(Beifall)
Es kann doch nicht sein, daß es so weitergeht. Sie müssen etwas für Ihr Marketing tun. Die Medien nehmen Sie vollkommen falsch wahr. Ich weiß nicht, wie das kommt.
(Beifall)
Wir haben Änderungen der Wertorientierungen in der Gesellschaft zu verzeichnen, auch im Hinblick auf die Sonderstellung des Arztes. Was wollen Sie denn nun sein? Die Skala reicht vom "Halbgott" bis zum "Dienstleister". Wenn Sie damit leben könnten, wäre ich sehr froh.
(Zustimmung)
Der Patient ist durch die Reformen immer selbstbewußter geworden auch im Umgang mit Ärzten. Das finde ich etwas Positives: Die Kompetenz kranker Menschen, der Angehörigen von kranken Menschen, die Kompetenz gesunder Menschen ist unverzichtbar.
Mit erhöhten Ansprüchen der Bevölkerung müssen wir leben. Das ist die Nachfrageorientierung, die Bedarfsorientierung, die wir wollen. Ich glaube, die Bevölkerung ist viel klüger, als wir sie manchmal einschätzen.
Vielleicht entsteht bei Ihnen Frust darüber, daß ein Volkswirt Ihnen etwas erzählt. Denken Sie immer an Victor Fuchs vor 20 Jahren, als die Zuhörer in der ersten Reihe ihn gar nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Herr Hirschmann wird sich noch erinnern, was in der "Süddeutschen Zeitung" nach einem Vortrag von mir vor der Kassenärztlichen Bundesvereinigung als Überschrift zu lesen war - ich hoffe, hier wird es nicht ganz so schlimm -: "Wie man einen Gastredner fertigmacht".
Ein Riesenproblem für Sie ist der Widerspruch zwischen Ihren ethisch-moralischen Ansprüchen und den Umsetzungsmöglichkeiten. Herr Jonitz hat die Situation auch aus meiner Sicht richtig beschrieben. Ich denke, daß die humane Grundhaltung des Arztes auch angesichts wirtschaftlicher Notwendigkeiten und wirtschaftlicher Orientierungen unverrückbar ist. Ich finde, das ist wichtig. Wir müssen klare Spielregeln schaffen für die freie Entfaltung. Wir müssen zusehen, daß die ethische Motivation, die Humanität nicht kaputtgeht auf Grund ökonomischer Sachzwänge. Ich glaube, das ist wichtig.
(Beifall)
Westdeutschland und Berlin sind nicht gleich, auch nicht, was die Einschätzung durch Ärzte anlangt. Jedenfalls habe ich das Gefühl, daß bei aller Sympathie für das Buch von Klaus Stern "Ende eines Traumberufs" Ergänzungen erforderlich sind. Die Publikation "Wegweiser Qualitätsmanagement im Krankenhaus" von Gregor Viethen ist Spitze. Hinten im Buch finden sich Checklisten: Patientenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Kollegenzufriedenheit. Dort ist auch aufgeführt, wovor man sich hüten muß. Wenn ich mehr Zeit hätte, ginge ich näher darauf ein.
Sie müssen aufpassen, daß Zieldefinitionen beim Qualitätsmanagement nicht von virtuosen Qualitätspäpsten und von virtuellen Experten vorgetragen werden, sondern von realen Menschen mit realen Problemen an realen Orten. Sie müssen das machen! Das kann man dort nachlesen.
(Beifall)
Das hohe Unzufriedenheitspotential ist je nach Alters- und Berufsgruppe und auch regional unterschiedlich. Das müßte man sich einmal in Ruhe anschauen. Das Unzufriedenheitspotential ist in der nachwachsenden Ärztegeneration stärker zu betonen. Dort fehlt die Perspektive.
Ich komme zu den offenen Fragen. Sagen Sie mir bitte einmal, was berufsfremde Leistungen sind. Das ist schwer zu definieren, aber Sie rutschen dort immer mehr hinein. Sie wollen Arzt sein, Sie wollen gut und professionell den selbstgesteckten Ansprüchen genügen. Dann kommt von außen etwas herein, was Sie nicht gut finden. Das hätte ich gern einmal definiert.
Welche Klinikärzte kennen die Kosten, Preise und Ausgaben des Leistungsgeschehens und dessen Finanzierung? Mein Freund sagte mir gestern abend am Telefon: Ich laufe ständig mit irgendwelchen Zetteln in der Tasche herum und schaue genau, welche Antibiotikatherapien die kostengünstigsten sind. So weit ist es schon gekommen. Ich nehme an, auch Sie laufen mit solchen Zetteln herum, denn das kann man nicht alles im Kopf behalten. Es ist schon wichtig, daß Sie diese Texte lesen und hoffentlich mit beeinflußt haben, damit es Ihnen nicht nur von anderen vorgegeben wird.
In der von mir beschriebenen Situation sind neue interne Strukturen und eine neue Unternehmenskultur in den Krankenhäusern auf absehbare Zeit das Gebot, Ihr Gebot der Stunde. Sie brauchen sich angesichts der hohen Qualität der medizinischen Versorgung nicht zu verstecken, sondern sollten selbstbewußt die nationalen und europäischen Veränderungen nutzen, um die zukünftige Krankenhausversorgung zu definieren. Sie sollen sie auch neu gestalten.
Im Grunde sind die Krankenhäuser nicht die Verlierer im Verteilungskampf. Der Beitragssatzanteil der Krankenhäuser lag im Zeitraum von 1978 bis 1997 zwischen 3,5 und 4,4 Prozent. Es kommen die neuen Bundesländer hinzu. Wir haben diese Zahlen auch bei einer Tagung auf dem Petersberg vorgelegt. Dort war der Sachverständigenrat mit eingeladen. Herr Seehofer hatte dafür gesorgt, daß nicht nur die neofeudalen Großfürsten dabei waren, sondern auch schlichte Menschen, die Fragen stellen. Dort wurde die Frage gestellt: Kann ich da eigentlich herausoptieren? Die 2 Prozent will ich gar nicht. Jemand fragte: Kann ich nicht nur Krankenhaus haben für 4 Prozent? - Keine Bange, Herr Montgomery, ich schlage das jetzt nicht vor.
Von solchen Wahl- und Wechselmöglichkeiten brauchen wir viel mehr. Der chronisch Kranke kennt sich oft besser aus als Sie selber und möchte votieren können. Das geht aber nicht.
Der Verteilungskampf hat zugenommen, aber Sie haben in Ihrem Bereich auf der Makroebene nicht verloren. Das schließt nicht aus, daß Krankenhausleitung, Krankenhausmanagement, aber auch das Management anderer Einrichtungen in öffentlicher Hand auf den Prüfstand gehören.
Die deutsche Medizin hat meines Wissens international einen sehr, sehr guten Ruf. Patientenimporte werden im Bereich der elektiven Eingriffe, also dessen, was terminierbar ist, eine zunehmende Rolle spielen. Allerdings lassen sich angesichts des Massentourismus auch Patientenexporte nicht ausschließen. Ich bin hier etwas optimistischer als Minister Seehofer. Das liegt vielleicht daran, daß ich an der Universtität tätig bin, weit weg vom politischen Geschehen. Ich würde mir die europäischen Herausforderungen sehr sorgfältig anschauen. Das tut er auch mit seinen Mitarbeitern. Ich würde sehr sorgfältig in kleinen Arbeitskreisen zusammen mit den Sachverständigen, die Sie kennen, überlegen, was die Öffnung der Grenzen für Dienstleistungen und den Warenverkehr bedeutet. Die Engländer wollen aus der Warteliste heraus, wir haben Überkapazitäten. Der Engländer kommt hierher, bekommt aber nur das bezahlt, was im National Health Service zur Verfügung steht. Er möchte trotzdem von Ihnen behandelt werden. Ich sage nur: Dort ist ein Problem. Da gibt es die Tatsache, daß ich den Zahnersatz in Singapur einschließlich der Reisekosten für den halben Preis bekommen kann. Das alles gibt es nun kleinräumiger in Europa.
Es gibt 1800 DM Pflegegeld, und man läßt sich in Portugal pflegen, weil die Familie dort lebt. Wenn das so ist, verstehe ich Staatssekretär Tegtmeier aus dem BMA und auch Minister Seehofer, wenn sie sagen: Wir können die 1800 DM doch nicht dorthin schicken, das muß auf den Lebensstandard dieser Länder bezogen reduziert werden. Andererseits gibt es auf Mallorca Zweigstellen der AOK, es gibt deutschsprachige Krankengymnastinnen, deutschsprachige Ärzte und Apotheker. Dort wohnt man, das Wetter ist so schön, das hält einen psychisch stabil. Damit müssen wir umgehen.
Ich würde davor warnen, eine Interventionsspirale in Gang zu setzen, daß allein die Ministerialbürokratie in 15 Ländern darüber entscheidet, wieviel Autonomie den Versicherten zugestanden wird. Ich denke, hier besteht ein Riesenspielraum. Sie müssen ihn auch nutzen. Ich habe keine Patentrezepte, sondern sage nur: Hier bestehen Spielräume gerade auch für die Kapazitäten in Krankenhäusern.
Meine Damen und Herren, Sie, die Bundesärztekammer, sind, wenn ich das so sagen darf, ein schlafender Riese. Sie haben enormes Innovations- und Kreativitätspotential in sich. Sie müssen es nur nutzen. Sie tragen die gesamte Verantwortung für die zukünftigen Strukturen. Ohne Sie gäbe es gar keine stationäre Versorgung, ohne Sie könnten die Patienten nicht behandelt werden. Die Vielzahl der Ärztekammern bilden eine Klammer um unser gewachsenes System. Ich mache mir um deren Existenz überhaupt keine Sorgen, im Gegensatz zur KV. Machen Sie doch einmal zusammen mit den Krankenhäusern etwas Neues, wie es Herr Hoppe im "Deutschen Ärzteblatt" vorgeschlagen hat. Machen Sie doch einmal etwas aus dem Honorarverteilungsmaßstab! Herr Huber sagt in Diskussionen immer: Das habe ich Herrn Blüm schon einmal gefragt! - Nicht fragen, Herr Huber, sondern machen!
(Zustimmung)
Der Honorarverteilungsmaßstab ist die Alternative zum Krankenmanagement durch Kassen, die keine Ahnung haben. Ich verstehe sowieso nicht, warum nicht die besten Ärzte und die besten Kassenvertreter zusammen in ein Boot gehen. Sie gehören doch zusammen, machen Sie es!
Es kann doch nicht angehen, daß in der integrierten medizinischen Versorgung im Rahmen der Durchführung von Modellversuchen und beim Abschluß von Strukturverträgen bereits Einsparungen unter den niedergelassenen Ärzten verteilt werden, die in den Krankenhäusern noch gar nicht mobilisiert wurden. Bei den Diskussionen über neue Versorgungsnetze wird immer Geld verteilt, das noch gar nicht vorhanden ist. Das ist das Geld aus Ihren Häusern!
(Beifall)
Ich komme damit zum letzten Teil meines Referats und frage: Was ist angesichts der Ausgangslage und der mit ihr verbundenen Herausforderungen konkret an neuen Strukturen zu entwickeln? Meines Erachtens sind das Ziel der Neuorientierung und der Weg dorthin deutlich voneinander zu trennen. Bei den Zielen geht es meines Erachtens um eine nachhaltige Änderung der Führungsstrukturen, der Personalstrukturen und der Kommunikationsstrukturen in den Häusern, in denen Sie arbeiten. Mehr horizontale Kooperation ist angesagt, um zu einer integrierten Versorgung zu kommen. Träger, Geschäftsleitung, ärztliche und pflegerische Leitung gilt es mit klaren Kompetenzen auszustatten. Mitarbeitermotivation ergibt sich durch längerfristige Perspektiven, durch mehr Mitverantwortung und durch Erfolgsbeteiligung.
Es gilt, die Arbeits- und Kooperationskultur zu verbessern. Dieser Schritt geht einher mit einer stärkeren Steuerung über das Ergebnis. Damit der Patient noch mehr in den Mittelpunkt rückt, müssen zuvor die Mitarbeiter ins Zentrum gestellt werden.
(Beifall)
Wir brauchen nicht immer nur Management - manchmal kann man das Wort gar nicht mehr hören -, wir brauchen Leitung und Verantwortung, und das sozusagen in einer neuen Kooperationsform.
(Beifall)
Ich weise auf Seite 66 des zweiten Bandes unseres Sondergutachtens 1997 hin. Dort haben wir uns zu ergebnisorientierten Vergütungsanreizen geäußert. Wir haben viel Applaus dafür erhalten: von allen Parteien, von den Arbeitgebern, von den Gewerkschaften. Das haben wir auf die niedergelassenen Ärzte bezogen. Das ist nicht so zu verstehen, meine Damen und Herren, daß der einzelne entsprechend dem Ergebnis beim einzelnen Patienten höher oder schlechter bezahlt wird. Das bezieht sich immer auf ein Kollektiv, das Sie dokumentiert gut oder nicht gut behandelt haben.
Es ist faszinierend, diesen Gedanken auf die Krankenhäuser zu übertragen. Ich helfe Ihnen gern, einmal darüber zu diskutieren, ob man da weiterkommt. Jetzt kann ich aus Zeitgründen nicht weiter darauf eingehen.
Nunmehr komme ich auf den Weg zu sprechen; bisher haben wir die Ziele definiert. Wenn es um die derzeitige und die zukünftige Integration der ambulanten und der stationären Versorgung geht, dann sind neben Führungs-, Personal- und Kommunikationsstrukturen in und zwischen den Kliniken natürlich auch die Träger-, die Organisations- und die Finanzierungsstrukturen zu beeinflussen. An die Stelle kommunaler Regiebetriebe müssen mehr und mehr wirtschaftsnahe Unternehmen treten.
(Beifall)
Dazu müssen überkommene Trägerstrukturen geändert und substituiert werden. Wenn man sich vor Augen führt, daß 95 Prozent aller Betten in öffentlichen und freigemeinnützigen Krankenhäusern stehen, der Rest von 5 Prozent sich in privat geführten Häusern befindet, erkennt man, daß der Weg vorgezeichnet ist.
Ich mache es mir nicht so einfach, daß ich sage: Wir brauchen nur GmbHs. Das wäre falsch. Sie können gut zusammenarbeiten, ganz unabhängig von der Rechtsform. Dennoch gibt es Rechtsformen, die dem Ziel etwas dienlicher sind als andere. In dem Maße, wie man beispielsweise an den Universitäten aus dem öffentlichen Baurecht herauskommt, kann man jede Universität zwei Jahre schneller bauen. Das gilt sicherlich auch für den Bereich der Krankenhäuser.
GmbHs können billiger und besser geführt werden, wie sich an Hand zahlreicher Beispiele zeigen läßt. Weiterhin sind Fusionen angezeigt. Zwischen Häusern sind sie genauso erforderlich wie Schwerpunktbildungen. Zusammenschlüsse von Krankenhäusern erleichtern und verbessern die Beschaffung von Vorleistungen.
Die Finanzierung von Krankenhäusern gehört in eine Hand.
Als Fazit läßt sich festhalten: Partnerschaftliches Handeln, Mitbestimmung des Erfolges von Kliniken und die gemeinsame Verantwortung und Teilhabe führen zu dem, was die Ökonomen Corporate identity nennen. Sie müssen stolz sein auf das Haus, in dem Sie arbeiten. Sind Sie das?
Das Fazit lautet: partnerschaftlich handeln, den Erfolg mitbestimmen und gemeinsam daran teilhaben. Krankenhäuser sind - das haben Sie, Herr Klitzsch, mir in der Diskussion immer wieder gesagt - keine Probleminseln. Im Hinblick auf die Budgetierung ist die Situation an den Universitäten mindestens genauso schlimm. Uns sind 40 Prozent aller Stellen gestrichen worden. Nichts war so wirksam wie die Budgetierung. Wir müssen uns rechtfertigen, und endlich weiß ich, was meine Kollegen machen. Sie müssen das zeigen, sonst bekommen sie kein Geld. Jeder muß sich sozusagen öffnen. Das mag bei Ihnen etwas anders sein. Es kann vorkommen, daß man die Spezifika des einzelnen Kollegen nicht kennt. Möglicherweise ist er mit fortschreitendem Alter auf dem Spezialgebiet nicht mehr auf dem laufenden, und niemand merkt, daß er nicht mehr das tut, wozu er einmal berufen war.
Zum Schluß möchte ich Ihnen sagen: Macht gute Medizin, schaut auf die Kosten, nehmt den Kantschen Imperativ, bestimmt die Agenda! Umklammern Sie als Kammer sozusagen das, was sich entwickelt. Das ist mir zu allgemein, deshalb will ich an zwei, drei Punkten deutlich machen, wo es weitergeht - wenn Sie überhaupt noch Lust haben, mit Ökonomen zu sprechen.
Zunächst sollte man sich Kliniken anschauen, die vielleicht etwas mehr sind als Ihre Häuser. Ich nenne das Beispiel einer Klinik, die bereits ein Gesundheitspark ist, mit einer Vielzahl sozialer und gesundheitlicher Einrichtungen. Aus dem "Tagesspiegel" zitiere ich folgendes:
Dazu gehören Arztpraxen, eine Pflegestation, betreutes Wohnen, ein Kindergarten, eine Tagesklinik, ein Joint venture bei den teuren Großgeräten mit einem anderen Haus, eine Gemeinschaftspraxis, ausgelagerte Laborleistungen und eine Sozialstation - entsprechend den Bedürfnissen der dort lebenden und zu versorgenden Bevölkerung.
Ich möchte hinzufügen: natürlich nach Maßgabe von Ihnen, den Leistungserbringern.
Wir vergeben nächste Woche in Berlin auf einem großen Kongreß Innovationspreise. Eine ganze Reihe von Ihnen haben sich beworben. Wir haben eine, wie ich glaube, gutbesetzte Jury. Wir haben ausgewählt, wer weiterkommen soll und dreimal 4000 DM bekommt. Das ist etwas, was ich als Innovationsmanagement bezeichnen würde. Es hat ein bißchen mit dem Vorschlagswesen zu tun. Es kommen Meldungen in die Öffentlichkeit, an denen man sieht: Das sind drei positive Entwicklungen. Vielleicht haben Sie aus Ihren Häusern auch so etwas zu berichten.
In eigener Sache möchte ich abschließend sagen: Wir haben in Berlin ein Europäisches Zentrum für Staatswissenschaft und Staatspraxis, in dem wir Führungsseminare anbieten. Wir sprechen dort über Führungs- und Managementstrukturen, die in Ihren Häusern vielleicht einer Veränderung oder Verbesserung bedürfen. Herr Minister Seehofer und andere aus vielen Parteien haben dort bereits vorgetragen. Meine Bitte ist, daß Sie sich solchen Kreisen anvertrauen und dort weitermachen.
Mein letzter Satz ist ganz simpel: Es geschieht nichts, es sei denn, man tut es.
Vielen Dank.