Reinhardt: „Intelligente digitale Anwendungen können Ärzte unterstützen“
Berlin - Die Digitalisierung im Gesundheitswesen verändert die künftige Rolle des Arztes in der Patientenversorgung. Davon ist der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK),Dr. Klaus Reinhardt, überzeugt. Die Digitalisierung werde den Arzt aber nicht überflüssig machen. „Vorstellbar sind technologische Prozesse, die den Arzt in seinem Tun unterstützen“, sagte er in einem gemeinsamen Interview mit dem Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, im Deutschen Ärzteblatt (Heft 37/2019). Intelligente digitale Anwendungen könnten Ärztinnen und Ärzte bei der Bewältigung von Bürokratie entlasten. „Die Möglichkeiten reichen aber bis hin zur künstlichen Intelligenz, also algorithmischen Prozessen, die mithilfe von komplexen Datenanalysen Hilfe bei der Diagnose geben können“, so Reinhardt.
Der BÄK-Präsident verwies auch auf das sich ändernde Arzt-Patienten-Verhältnis. Die Fragenstellungen der Patienten würden konkreter und durch größeres Vorwissen zum Beispiel aus eigenen Internetrecherchen geprägt. Das erlebe man bereits jetzt. „Dem müssen wir uns mit unserem ärztlichen Erfahrungsschatz und wissenschaftlichen Sachverstand stellen.“
Der Bundesärztekammer-Präsident forderte eine Digitalisierungsstrategie, die ethische Grundlagen für den Umgang mit neuen digitalen Methoden schafft. „Es darf zum Beispiel nicht so weit kommen, dass der Algorithmus, also die Maschine, über die Therapie entscheidet. Das wäre nicht nur ethisch bedenklich, sondern auch medizinisch fahrlässig.“
Gefragt nach den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Reform der Notfallversorgung in Deutschland, warnte der BÄK-Präsident vor einer Aufsplittung des Sicherstellungsauftrages. Eckpunkte des BMG sehen vor, dass der Sicherstellungsauftrag für die Notfallversorgung von den Kassenärztlichen Vereinigungen auf die Länder übergehen soll. „Bei dem Splitting hat doch jemand nicht zu Ende gedacht. Wenn ich ein Integriertes Notfallzentrum möchte, warum integriere ich dann an der einen Stelle und desintegriere an der anderen, wenn es um den Sicherstellungsauftrag geht.“ Komme es zu einem Splitting des Sicherstellungsauftrages, verschlechtere das die medizinische Versorgung.
Ein weiterer Kritikpunkt des BÄK-Präsidenten ist die zunehmende Einflussnahme des Staates auf Entscheidungen der ärztlichen Selbstverwaltung. Oft werde übersehen, dass die Selbstverwaltung bei ihren Entscheidungen immer auf Interessenausgleich setzen müsse. „Das ist natürlich langwierig, auf der anderen Seite sind die gefundenen Entscheidungen dann aber auch belastbar. Die Selbstverwaltung steht für eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung. Sie ist ein wichtiges Korrektiv gegen ungezügelten Wettbewerb und Profitstreben in der Patientenversorgung“, sagte Reinhardt.