Prof. Dr. Kahlke, Hamburg:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Montgomery,
mit Ihrer Empfehlung haben Sie die Sache auf den Punkt gebracht.
Das wollten Sie natürlich auch. Genau dort liegt der Unterschied.
Die Herausforderung für die Ärztinnen und Ärzte in
dieser Situation ist eine kaum auszuhaltende. Es ist sicher schwierig,
Menschen mit der gebotenen Sachlichkeit und Nüchternheit gegenüberzutreten,
die die Polizei und manchmal auch das ärztliche Personal provozieren.
In § 81 a der Strafprozessordnung steht - das habe ich in der
Begründung zu meinem Antrag ausgeführt -, dass entsprechende
Maßnahmen nur zulässig sind, wenn keine Nachteile für
die Gesundheit zu befürchten sind. Auf einer Veranstaltung
mit Juristen und Rechtsmedizinern hat der Leitende Oberstaatsanwalt
erklärt: Wenn es ärztlich nicht zu vertreten ist, kann
natürlich auch kein Arzt dazu gezwungen werden. Deshalb ist
es ja wohl auch so in der Strafprozessordnung formuliert. Es wäre
nicht hinnehmbar, wenn uns vorgeschrieben werden dürfte, was
wir zu tun haben, wenn das eigene Berufsethos dadurch konterkariert
würde.
In Hamburg gab es die ganz besonders drastische Situation, dass
ein 19-Jähriger durch solche Maßnahmen zu Tode gekommen
ist. Das macht ganz deutlich, dass hier entschieden zu weit gegangen
wurde.
Der zweite Satz des dritten Absatzes des Antrags VI-2, den ich
ansonsten unterstützen kann, lautet:
Die Stärke des Tatverdachts muss die Maßnahme
rechtfertigen, nicht der mögliche Widerstand des Beschuldigten.
Ich meine: Allenfalls kann die unmittelbare Gefahr die Maßnahme
rechtfertigen. Ich frage, ob es nicht heißen muss, dass die
ärztliche Berufsordnung die Maßnahme rechtfertigen muss.
Ich denke, eine Maßnahme, die zum Tode führen kann, darf
nicht als gerechtfertigt angesehen werden.
Wir haben hier aus gutem Grund Studierende zu verschiedenen Themen
angehört. Die Studierenden der Universität Hamburg - in
Hamburg hat sich ja der Vorfall ereignet - haben in diesem Sinne
eine Resolution verfasst und haben sich eindeutig gegen die gewaltsame
Verabreichung der Brechmittel unter Hinweis auf die Berufsordnung,
unter Hinweis auf das Berufsethos, dem sie sich verpflichtet fühlen,
ausgesprochen. Ich meine, auch dieses Votum der Studierenden sollten
wir berücksichtigen.
Diese Herausforderung gefährdet auch das, was Professor Hanns
Gotthard Lasch - im Übrigen war ich überrascht, hier meinen
alten Doktorvater aus Heidelberger Zeiten wieder zu treffen - in
seinen Dankesworten zum Ausdruck gebracht hat. Er hat vom Verlust
des Ärztlichen gesprochen. Das mag etwas altmodisch klingen.
Aber ich glaube, wenn wir in diesem Punkt nicht ganz konsequent
sind, dass die Berufsordnung höher zu werten ist als Erwartungen,
die an uns im Zuge der Beweissicherung gerichtet werden, geht das
Ärztliche verloren. Ich denke, es darf nicht auf der Strecke
bleiben. Deshalb bitte ich Sie, neben dem Antrag VI-34 den Antrag
VI-2 unverändert anzunehmen.
Vielen Dank.
(Beifall)
Prof. Dr. Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer
und des Deutschen Ärztetages:
Danke sehr, Herr Kahlke. - Als nächste Rednerin bitte Frau
Kollegin Femers aus Westfalen-Lippe.
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