Eröffnungsveranstaltung

Dienstag, 20. Mai 2003, 10.00 Uhr

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages und der Ärztekammer Nordrhein:

Auf Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer, der auf dem Deutschen Ärztetag zu verkünden ist, werden jährlich mit der Paracelsus-Medaille Ärztinnen und Ärzte ausgezeichnet, die sich durch erfolgreiche berufsständische Arbeit, vorbildliche ärztliche Haltung oder hervorragende wissenschaftliche Leistungen besondere Verdienste um das Ansehen der Ärzteschaft erworben haben.

Der Vorstand der Bundesärztekammer beschloss im Dezember 2002, auf dem 106. Deutschen Ärztetag mit der Paracelsus-Medaille auszuzeichnen: Herrn Dr. med. Horst Buck-Gramcko, Herrn Dr. med. Hans Hege und Herrn Professor Dr. med. Hellmut Mehnert. Ich bitte die drei auszuzeichnenden Persönlichkeiten auf die Bühne.

(Beifall)

Die Verleihungsurkunden haben folgenden Wortlaut:

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hoch verdienten Horst Buck-Gramcko in Hamburg, Dr. med., Facharzt für Orthopädie, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Horst Buck-Gramcko einen Arzt, der sich in über 40 Jahren seines aktiven Berufslebens als Arzt und Berufspolitiker durch seine engagierte Tätigkeit in den Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung, sein Mitwirken in Bera­tungsgremien auf regionaler, Landes- und Bundesebene um die ärzt­li­che Versorgung, Fort- und Weiterbildung, die Qualitätssicherung, das Gesundheitswesen und das Gemeinwohl der Bundesrepublik Deutschland besonders verdient gemacht hat.

Horst Buck-Gramcko wurde am 13. August 1929 in Hamburg als zweiter Sohn in einer Arztfamilie geboren. Er verbrachte seine Kinder- und Jugendjahre im kriegsgeschüttelten Hamburg. Nach der Grundschulzeit wechselte er an das Matthias-Claudius-Gymnasium in Hamburg, an dem er 1949 das Abitur ablegte.

Da der Berufswunsch „Arzt“ außer Frage stand, absolvierte Horst Buck-Gramcko im Anschluss an die Schulzeit ein Krankenpflegepraktikum. Das Medizinstudium nahm er im Wintersemester 1949/1950 an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel auf. Nach dem Physikum wechselte er an die Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er im Juni 1955 das Staatsexamen mit der Note „Eins“ ablegte. Bei Prof. Dr. med. Hermann Ehlert von der Chirurgischen
Universitätsklinik München promovierte er mit einer Arbeit zum Thema „Thoraxverletzungen und ihre Folgen“.

Horst Buck-Gramcko absolvierte seine Pflichtassistentenzeit am Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in Hamburg. Hieran schloss sich die Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie an, die Buck-Gram­cko an der Abteilung Chirurgie der Städtischen Kran­kenanstalten Darmstadt, an der Orthopädischen Universitätsklinik der Freien Universität Berlin im „Oskar-Helene-Heim“ und in der Praxis seines als Orthopäde niedergelassenen Vaters ableistete.

Von 1963 bis Ende 1992 war Horst Buck-Gramcko in der Hamburger Innenstadt als Orthopäde niedergelassen. Von der Teamarbeit überzeugt, nahm er bereits 1963 einen Partner in seine Praxis auf und führte die Praxis bis zu seinem Ausscheiden als Praxis­gemeinschaft. Er war als „Durchgangsarzt“ für die Berufsge­nossenschaften zugelassen und war auch in großem Umfang als Gutachter für die Berufsgenossenschaften und Hamburger Gerichte tätig.

Schon frühzeitig engagierte sich Horst Buck-Gramcko in den Gremien der Selbstverwaltung. Von 1966 bis 1998 vertrat er die Hamburger Ärzte in den Gremien der Ärztekammer. Zuerst wurde er als Vertreter des Kreises „Innenstadt“, später als Einzelkandidat auf der Landesliste direkt gewählt. In acht Wahlperioden und unter fünf Kammerpräsidenten war Buck-Gramcko 24 Jahre lang Mitglied des Vorstandes der Ärztekammer Hamburg. Er nahm dabei an 540 Vorstandssitzungen teil. Er war lange Jahre Vorsitzender des Ausschusses Qualitätssicherung der Ärztekammer Hamburg, wirkte als Beisitzer in den Weiterbildungsgremien mit und war langjähriger Vorsitzender im Aufsichtsausschuss des Versorgungswerks. Besonders am Herzen lagen ihm der Fürsorgeausschuss, den er viele Wahlperioden lang leitete, und der Schlichtungsausschuss, in welchem er viele Probleme bewältigen half. Konsequent in der Ausbildung der Arzthelferinnen engagiert, war er auch Mitglied im Berufsbildungsausschuss und im Ausschuss Arzthelferinnen. Die Ärztekammer entsandte ihn darüber hinaus in die „Tierschutz-Ethikkommission“ der Hamburger Gesundheitsbehörde, wählte ihn zum ehrenamtlichen Finanzrichter und vertraute auf seine Kompetenz im Berufsgericht der Heilberufe. Auch in den Gremien der kassenärztlichen Selbstverwaltung engagierte sich Horst Buck-Gramcko ehrenamtlich. Er war 24 Jahre Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg und Mitglied und Vorsitzender im Finanzausschuss dieser Körperschaft.

Horst Buck-Gramcko wurde in dieser Zeit als eine „Ikone der Hamburger Kammerpolitik“ bezeichnet. Er wird bis heute wegen seiner Integrität, seines verbindlichen Wesens, seiner politischen Verlässlichkeit und seiner Durchsetzungsfähigkeit über alle Grenzen und Lager hinweg geachtet.

Horst Buck-Gramcko war auch in den Gremien seines Faches aktiv. Seit 1963 ist er Mitglied im Berufsverband der Orthopäden e. V. Von 1971 bis 1979 war er in einem Triumvirat einer der Vorsitzenden dieses Berufsverbandes in Hamburg. In dieser Zeit engagierte sich Horst Buck-Gramcko besonders in der übergreifenden Fortbildung und Zusammenarbeit zwischen Krankenhausärzten und niedergelassenen Ärzten.

Horst Buck-Gramcko war neben seinem lokalen Engagement vor allem in den Gremien der Bundesärztekammer aktiv. Von 1970 bis 2000 war er Mitglied in den Finanzgremien der Bundesärztekammer - seit 1981 als deren Vorsitzender. Unter seinem Vorsitz wurde die mittelfristige Finanzplanung eingeführt und der Haustarifvertrag der Mitarbeiter der BÄK konzipiert. Mit seiner breiten Erfahrung half er, die Satzung zu erarbeiten, die die Rechte und Pflichten der heutigen Finanzkommission der BÄK beschreibt. Besonders engagiert setzte er sich für die Integration der Ärztekammern der neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung Deutschlands ein. Dass diese Vereinigung auch in den ärztlichen Körperschaften und Verbänden so reibungslos und erfolgreich verlief, ist unter anderem auch Horst Buck-Gramcko zu verdanken. Auf den Deutschen Ärztetagen vertrat er die Haushaltsrechnungen und -entwürfe der Bundesärztekammer. Dabei ließ er sich immer von der Maxime des fairen Interessenausgleichs zwischen den Gremien der Bundesärztekammer mit ihren vielfältigen politischen und administrativen Aufgaben und den finanziellen Möglichkeiten der Landesärztekammern und ihrer Mitglieder - der Ärztinnen und Ärzte - leiten. Er prägte die Finanzgremien der Bundesärztekammer. Ihm schuldet die Ärzteschaft viel Dank für die Tatsache, dass die Bundesärztekammer heute eine finanziell solide strukturierte Organisation mit Schlagkraft und Ansehen ist.

Die Bundesärztekammer vertraute auf den Sachverstand von Horst Buck-Gramcko auch in der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hamburg). Seit 1993 vertritt er dort die Interessen der Ärzteschaft konsequent und kompetent.

Horst Buck-Gramcko ist in erster Linie Arzt und Hamburger. Seine Sitzungsleitung und seine Darstellung komplexer Sachverhalte sind von hanseatischer Ruhe und Understatement geprägt. Gepränge und laute Selbstdarstellung sind ihm fremd. Er besteht auf Präzision und Transparenz. Zu den von ihm verteidigten Grundsätzen gehören die Prinzipien der Freiberuflichkeit der Ärzte, der Therapiefreiheit, der beruflichen Unabhängigkeit und der Gestaltungsfreiheit durch eine demokratisch legitimierte Selbstverwaltung. Er bekämpft alle Versuche, den Handlungsraum der Selbstverwaltung - sei es in den Ärztekammern oder den Kassenärztlichen Vereinigungen sowie in den berufsständischen Versorgungswerken - durch staatliche Vorgaben einzuengen. Seine souveräne und vorbildliche Haltung sind sein Markenzeichen für Integrität und Sachbezogenheit.

Horst Buck-Gramcko hat sich durch seinen engagierten, unermüdlichen Einsatz für die Ärztinnen und Ärzte Deutschlands als Arzt und durch seine vorbildliche Haltung als Berufspolitiker, Berater und aktiver Gestalter in den Gremien der ärztlichen Körperschaften und in Verbänden sowie als Staatsbürger um die ärztliche Versorgung der Patienten, das System der Gesundheitssicherung und die ärztliche Selbstverwaltung in hervorragender Weise verdient gemacht.

106. Deutscher Ärztetag in Köln, 20. Mai 2003, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hoch verdienten Hans Hege in Gilching, Dr. med., Arzt für Allgemeinmedizin, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Hans Hege einen Arzt und Gesundheitspolitiker, der sich fast 40 Jahre seines Berufslebens als Arzt und Berufs- sowie Gesundheitspolitiker durch seine engagierte Tätigkeit in der ärztlichen Selbstverwaltung auf regionaler, Landes- und Bundesebene in hervorragender Weise um die ärztliche Versorgung der Patienten, die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl der Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht hat.

Hans Hege, am 24. März 1924 in Berlin-Charlottenburg geboren, verbrachte in seinem Geburtsort und in Frankfurt am Main seine Kindheitsjahre und die Schulzeit. 1942 legte er das Not-Abitur am Humanistischen Lessing-Gymnasium in Frankfurt/Main ab. Schon während seiner Gymnasialzeit wurde seine humanistische Gesinnung geprägt und entwickelte sich seine Passion für Philosophie, Rechtswissenschaft und die Musik.

Zur Wehrmacht wurde Hans Hege im Februar 1942 eingezogen. Er wurde während des Zweiten Weltkrieges an der Front in Russland als Infanterist eingesetzt, insbesondere in Noworossisk, Dnjepr und in Litauen. Während des Kriegseinsatzes wurde Hans Hege verwundet und erkrankte an Malaria. 1943 verzichtete er aus Gewissensgründen auf die inzwischen begonnene Offizierslaufbahn. Nach der Kapitulation im Mai 1945 flüchtete er aus Libau auf dem Seeweg nach Schleswig-Holstein. Im Oktober 1945 kehrte Hans Hege aus englischer Kriegsgefangenschaft in die Heimat zurück. Im Sommersemester 1946 nahm er das Studium der Philosophie und der Ingenieurwissenschaft an der damaligen Technischen Hochschule Darmstadt auf, ab Wintersemester 1946 an der Medizinischen Fakultät der Universität Frankfurt/Main und Heidelberg das Medizinstudium. Sein Staatsexamen absolvierte er am 12. Juni 1951 an der Universität Heidelberg. Dort wurde er am 14. Juni 1951 bei Prof. Dr. med. Kurt Schneider, Ordinarius für Psychiatrie an der Universität Heidelberg, zum Dr. med. promoviert. Thema der Dissertation: „Klinisch-statistische Untersuchungen über Zyklothymie“. Danach absolvierte Hans Hege eine zweijährige Pflichtassistentenzeit an der Psychiatrischen Klinik der Universität Heidelberg, in der Abteilung für Innere Medizin, in der Gynäkologischen Abteilung am Rotkreuz-Kranken­haus in Frankfurt/Main und in einer Allgemeinarztpraxis in Biberbach bei Augsburg. Die Vollapprobation als Arzt erhielt er 1953.

Danach schlossen sich wechselnde berufliche Stationen an. Von Februar bis April 1953 absolvierte Hans Hege einen tropenmedizinischen Kurs in Hamburg, um sich für den Einsatz auf einer Großbaustelle in Afghanistan vorzubereiten. Bis Juli 1955 war er als Baustellenarzt in Gulbahar/Afghanistan - rund 160 Kilometer nördlich von Kabul - eingesetzt. Während dieser Zeit baute und leitete er eine stationäre Versorgungsstelle für die im Bau befindliche Textilfabrik. Die Versorgungszentrale hatte die Aufgabe, eine Belegschaft von rund 1 200 Angestellten und Arbeitern und deren Familien ärztlich zu versorgen, darunter rund 120 Europäer.

Nach Deutschland zurückgekehrt, arbeitete er zunächst - von Anfang August 1955 bis Mitte April 1957 - als Alleinassistent in der Waldklinik Oerrel in der Lüneburger Heide (Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe). Damaliger Chefarzt der 60-Betten-Klinik war Dr. med. Werner Läsker, ehemaliger Leiter der Chirurgischen und gynäkologischen Klinik des Stadtkrankenhauses Gera, der die berufliche Entwicklung von Hans Hege maßgeblich förderte.

Vom 1. September 1957 bis 31. August 1958 war Hans Hege wissenschaftlicher Assistent am Physiologischen Institut der Universität Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Hans Schaefer). Damals befasste sich Hege wissenschaftlich mit den Problemen der psycho-physischen Wechselwirkungen. Sein akademischer Lehrer und Mentor, Hans Schaefer, schlug ihm vor, sich im Fach Physiologie an der Universität Heidelberg zu habilitieren. Vor allem aus familiären und persönlichen Gründen, aber auch wegen der Unzuträglichkeiten einer akademischen „Ochsentour“ verließ Hans Hege die Universität und wandte sich der kurativen Medizin zu. Vom 8. September 1958 bis zum 15. September 1961 war er Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik der Stadt Darmstadt (Direktor: Prof. Dr. med. Max Ratschow). Während dieser Zeit absolvierte er auch eine Weiterbildung an der Abteilung für Röntgenologie und war zeitweise für das Kliniklabor und die Versorgung der Kinderabteilung zuständig.

Ende September 1961 wechselte Hans Hege in die Industrie. Er war vom 1. Oktober 1961 bis zum 31. März 1965 Leiter der Abteilung Klinische Prüfung Süddeutschland der Firma Ciba AG in München. Während dieser Tätigkeit war er vom 1. Juli bis zum 31. August 1964 als Gast Stationsarzt an der Ludolph-Krehl-Klinik der Universität Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. mult. Gotthard Schettler). 1965 schied Hans Hege aus der Pharmaindustrie aus und wechselte in die Freiberuflichkeit als niedergelassener Arzt. Von 1965 bis 1995 war er in München tätig, zuerst als praktischer Arzt, seit 1970 als Arzt für Allgemeinmedizin, daneben - seit 1982 - als vertraglich tätiger Betriebsarzt in einem großen Münchener Verlag, eine Tätigkeit, die er auch heute noch wahrnimmt.

Schon bald nach Aufnahme seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt engagierte sich Hans Hege in der ärztlichen Berufs- und Gesundheitspolitik. Zunächst wurde er 1970 Mitglied der Vereinigung Praktischer Ärzte Bayerns, seit 1972 war er deren Vorsitzender. Bereits während der ersten Jahre seines berufspolitischen Wirkens zeigte sich Hans Hege als Nonkonformist und Querdenker. Er plädierte in einer Veröffentlichung für den Verzicht der Vergütung von Laboratoriumsleistungen, falls im Gegenzug die persönlichen (geistigen) Leistungen und die Zuwendungsleistungen des Allgemeinarztes entsprechend höher vergütet würden. Dies war einer Mitgliederversammlung der Vereinigung Praktischer Ärzte Bayerns Anlass, Hans Hege zu rügen, worauf er den Vorsitz dieses Ärztevereins niederlegte. Aus dem Kreis von praktischen Ärzten aus München wurde er in den folgenden Jahren wiederholt aufgefordert, für den Vorsitz der Bezirksstelle München der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zu kandidieren, was er aber zunächst ablehnte. Nachdem innerhalb von drei Jahren Vorsitzende dieser Bezirksstelle ihr Amt vorzeitig abgaben, wurde Hans Hege 1976 zum Vorsitzenden der Bezirksstelle München der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns gewählt, ein Amt, das er bis 1979 innehatte. Von 1980 bis 1983 war er dann stellvertretender Vorsitzender der Bezirksstelle München der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und von 1976 bis 1983 Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Während dieser für ihn fruchtbringenden Zeit beschäftigte sich Hans Hege vor allem mit den historischen Gründen und den Konsequenzen einer Gebührenordnung, die aus mehr als 2 000 Einzelpositionen besteht und auf dem Prinzip beruht, die geistigen Leistungen des Arztes tendenziell unter-, dagegen die technischen Leistungen überzubewerten. Hans Hege widersprach einer bloßen „Stückpreis-Gebührenordnung“, die seiner Überzeugung nach eine Stückpreisgesinnung fördert. Dies löste kontroverse Diskussionen und zum Teil Gegnerschaft aus. Er plädierte für ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und den Krankenkassenverbänden in Bayern, die seinerzeit den so genannten Bayern-Vertrag abschlossen, eine gesundheitspolitische Initiative, die nach anfänglichen Erfolgen schließlich stecken geblieben ist.

Hans Hege war von 1976 bis 1979 Mitglied des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und von 1981 bis 31. Dezember 1986 1. Vorsitzender des Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbandes München der Bayerischen Landesärztekammer. Von 1987 bis 1990 war er Vorsitzender der Ethikkommission der Bayerischen Landesärztekammer.

Sein Engagement und sein tatkräftiges Mitwirken auf Bundesebene in den Körperschaften und Gremien der Ärzteschaft kommt vor allem in der Wahrnehmung seines Mandats als Delegierter zum Deutschen Ärztetag in der Zeit von 1981 bis 1991 zum Ausdruck. Im Januar 1987 ist Hans Hege zum 1. Vizepräsidenten der Bayerischen Landesärztekammer (München) gewählt worden. Im Januar 1991 wurde er erstmals zum Präsidenten dieser Ärztekammer gewählt (als Nachfolger von Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Hans Joachim Sewering) und im Jahr 1995 in diesem Amt bestätigt. Das Amt des Präsidenten der Bayerischen Landesärztekammer hatte er bis Januar 1999 inne. In dieser Eigenschaft war er Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer. Für eine weitere Wahlperiode hatte er nicht mehr kandidiert; er wurde 1999 zum Ehrenpräsidenten der Bayerischen Landesärztekammer ernannt.

In den Gremien der Bundesärztekammer engagierte er sich vor allem für Fragen der Allgemeinmedizin, der Berufsordnung, der ärztlichen Weiter- und Fortbildung sowie für Fragen der Qualitätssicherung der ärztlichen Berufsausübung. Aufgrund seiner großen beruflichen Erfahrung, seiner hohen Kompetenz und seiner Führungsqualitäten wurde Hans Hege zunächst stellvertretender Vorsitzender (1991 bis 1994) und von 1995 bis 1998 Vorsitzender der Deutschen Akademie für Allgemeinmedizin, eines Fachausschusses der Bundesärztekammer. Außerdem war er Vorsitzender der Ständigen Kommission „Gutachterkommissionen/Schlichtungsstellen“, von 1991 bis 1994 stellvertretender Vorsitzender und von 1995 bis 1998 Vorsitzender des Bundesärztekammer-Ausschusses „Berufsordnung für die deutschen Ärzte“. Während dieser Zeit wurde die Berufsordnung aktualisiert und vor allem im Hinblick auf das Werbeverbot und die Internetnutzung der aktuellen Entwicklung angepasst. Während seiner Zeit als Ärztekammer-Präsident in Bayern war er Mitglied der Ausschüsse und Ständigen Konferenzen „Ärztliche Weiterbildung“ und „Qualitätssicherung ärztlicher Berufsausübung“ der Bundesärztekammer. Darüber hinaus war er Mitglied im Bayerischen Landesgesundheitsrat (München).

In die Zeit als Präsident der Bayerischen Landesärztekammer fällt die Gründung der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung, deren Gründungsmitglied und Träger die Landeskrankenhausgesellschaft, die Landesverbände der Krankenkassen in Bayern und die Bayerische Landesärztekammer waren. Seiner Hartnäckigkeit und seinem Ansehen bei den Vertragspartnern gelang es, die Gründung dieser Arbeitsgemeinschaft unter auch für Ärzte akzeptablen Bedingungen zu erreichen. Die Arbeitsgemeinschaft stand Pate für die Gründung einer ähnlichen Arbeitsgemeinschaft auf Bundesebene. In vielen Diskussionen und Publikationen setzte sich Hans Hege vor allem mit den Fragen der Arbeitsteilung und der Kooperation zwischen Hausärzten und Spezialärzten auseinander.

Die Jahre 1996 und 1997 waren geprägt durch eine intensive Vorbereitung von Novellierungsentwürfen zur Revision der Berufsordnung. Dank des tatkräftigen Einsatzes von Hans Hege ist es gelungen, die Entwürfe sowohl in den Berufsordnungsgremien als auch in den Landesärztekammern sachlich zu diskutieren und Meinungsunterschiede durch Kompromissvorschläge zu überbrücken. Die konsensfähige Vorlage wurde denn auch mit großer Mehrheit vom 100. Deutschen Ärztetag in Eisenach 1997 als (Muster-)Berufsordnung verabschiedet. Dabei war es gelungen, die ursprünglich unterschiedlichen Entwicklungsstränge in einem auch medizinethisch verpflichtenden Regelwerk zu integrieren.

Hans Hege hat sich auch einen Namen als Verfasser von Streitschriften und Publikationen über die ärztliche Berufsordnung, zu Fragen der ärztlichen Ethik und Gesundheitspolitik sowie zur Reformpolitik einen Namen gemacht. Diese wurden unter anderem im Bayerischen Ärzteblatt und im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.

Ehrenamtlich setzt sich Hans Hege auch in gemeinnützigen Gremien ein, so ist er seit 1999 Vorsitzender der Aktion Sonnenschein e. V. Hilfe für das mehrfach behinderte Kind e. V.

Für sein ehrenamtliches und gemeinnütziges Wirken verlieh ihm der Bundespräsident 1994 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. 1998 ist er mit der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens geehrt worden.

Hans Hege hat sich durch seinen langjährigen engagierten Einsatz und seine vorbildliche Haltung als Arzt, als gewählter Repräsentant in ärztlichen Organisationen, Verbänden und Körperschaften, durch sein aktives Mitwirken in der ärztlichen Berufs- und Gesundheitspolitik und insbesondere in Fragen der Berufsordnung und der medizinischen Ethik sowie durch seine Pflichterfüllung, Aufrichtigkeit als Arzt und Berufspolitiker ebenso wie als Staatsbürger um die ärztliche Versorgung der Patienten, die Ärzteschaft und die ärztliche Selbstverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

106. Deutscher Ärztetag in Köln, 20. Mai 2003, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

Der Vorstand der Bundesärztekammer verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hoch verdienten Hellmut Mehnert in München, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.

Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Hellmut Mehnert einen Arzt, der sich als akademischer Lehrer, Wissenschaftler, Forscher, Gutachter, Krankenhausarzt, aber auch als Vertreter in der Kassenärztlichen Vereinigung und Delegierter des Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbands München und der Bayerischen Landesärztekammer sowie durch verschiedene ehrenamtliche Engagements in wissenschaftlichen Gremien in hervorragender Weise um die Versorgung der Patienten, insbesondere der Diabetiker in Deutschland, um Forschung und Lehre, um das Gesundheitswesen, um die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl der Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht hat.

Hellmut Mehnert wurde am 22. Februar 1928 in Leipzig als Sohn des Facharztes für Innere Krankheiten Dr. med. Manfred Mehnert geboren. Seine Schulzeit verbrachte er in Leipzig, wo er am humanistischen Thomasgymnasium zunächst das Kriegsabitur und nach Einberufung zum Volkssturm nach Kriegsende in einem weiteren Kurs das Abitur 1946 absolvierte. Unmittelbar darauf wurde er wegen seiner Volkssturmtätigkeit als „Werwolf“ von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und zweieinhalb Jahre lang bis Juli 1948 inhaftiert. In dem Internierungslager, in dem von 12 000 Insassen 7 000 an Hungerdystrophie und vor allem an Tuberkulose starben, reifte in Hellmut Mehnert, der als Sanitäter tätig war, der Entschluss, nach seiner Entlassung Medizin zu studieren. Da dieses in Leipzig aus politischen Gründen nicht möglich war, plante er die Flucht aus der DDR nach der Entlassung aus sowjetischer Haft. Hellmut Mehnert floh 1948 nach Westdeutschland, wo er zunächst für ein halbes Jahr als Autoschlosser tätig war und im Sommersemester 1949 mit dem Studium der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München begann. Trotz der Notwendigkeit, als Werkstudent seinen Unterhalt zu verdienen, konnte Hellmut Mehnert zum frühestmöglichen Zeitpunkt 1954 das Staatsexamen mit der Note „Sehr gut“ absolvieren und mit dem Thema „Cystin im Stoffwechsel lebergesunder und leberkranker Menschen“ magna cum laude bei Prof. Dr. med. Gustav von Bergmann an der II. Medizinischen Universitätsklinik in München promovieren.

Nach der Absolvierung der Medizinalassistentenzeit - einschließlich eines Jahres chirurgischer Tätigkeit am Rotkreuz-Krankenhaus II in München - war Hellmut Mehnert an der Medizinischen Universitätspoliklinik in München von 1955 bis 1965 bei Prof. Dr. med. Walter Seitz tätig. Frühzeitig entschloss er sich, innerhalb der Inneren Medizin sich den Stoffwechselkrankheiten und insbesondere der Diabetologie zuzuwenden, was sich von da an wie ein roter Faden durch sein Lebenswerk zieht. Das Jahr 1957 verbrachte er mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes im „Mekka“ der damaligen Diabetologie, an der Joslin-Klinik in Boston/USA. Aus dieser Zeit stammen Publikationen, die sich vor allem mit den damals neu eingeführten oralen Antidiabetika vom Typ der Sulfonylharnstoffe und später auch der Biguanide beschäftigten. Das Angebot, nach Boston überzusiedeln und in der Joslin-Klinik zu arbeiten, lehnte Hellmut Mehnert ab und entschloss sich, seine Weiterbildung an der Universitätspoliklinik in München fortzusetzen. Dort wurde er 1961 zum Facharzt für Innere Krankheiten und 1964 zum Privatdozenten für Innere Medizin ernannt. Thema seiner Habilitationsarbeit: „Wirkungsweise und Indikationsbereich blutzuckersenkender Biguanidderivate“.

Schon am 1. Januar 1966 wurde Hellmut Mehnert mit 37 Jahren zum Chefarzt der III. Medizinischen Abteilung des Krankenhauses München-Schwabing berufen, einer Klinik, die sich unter Prof. Dr. med. Felix Steigerwaldt bereits vorwiegend der Diabetologie gewidmet hatte. Diese Klinik, die Hellmut Mehnert bis zum 28. Februar 1993 leitete, entwickelte sich unter seiner Leitung zu einem maßgebenden Zentrum der diabetologischen Forschung in Deutschland und auf internationaler Ebene. Wesentlich dazu trug die Gründung der Forschergruppe Diabetes am eigens erbauten Institut für Diabetesforschung bei, die Hellmut Mehnert vom 1. Januar 1968 zusammen mit dem Biochemiker und klinischen Chemiker Prof. Dr. med. Otto Wieland - ebenfalls Chefarzt am Schwabinger Krankenhaus - leitete. Die fruchtbare Forschungstätigkeit führte unter anderem dazu, dass allein aus der klinischen und klinisch-experimentellen Abteilung von Hellmut Mehnert im Laufe der Jahre 15 Ärztinnen und Ärzte habilitiert wurden.

1968 wurde Hellmut Mehnert vorzeitig zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Ein einstimmiger Fakultätsbeschluss, für Hellmut Mehnert ein Ordinariat für Stoffwechselkrankheiten zu schaffen, führte wegen der Schwierigkeiten, die städtische Position mit der staatlichen Professur zu vereinen, zu der alle Seiten befriedigenden Lösung der Ernennung von Hellmut Mehnert zum persönlichen Extraordinarius an der Universität München im Jahr 1974. Diese Position gab ihm das Recht zu Promotion und Habilitation und führte langfristig dazu, dass nach 19 Jahren Unterstützung der Forschergruppe durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft der Freistaat Bayern die Finanzierung des Forschungsinstituts am Schwabinger Krankenhaus übernahm.

Hellmut Mehnert war von 1964 bis 1990 ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Diabetes-Experten-Komitee der Weltgesundheitsorganisation und von 1965 bis 1992 Vorsitzender beziehungsweise Mitglied des Ausschusses „Ernährung“ der Deutschen Diabetesgesellschaft, deren Präsident er 1972/73 gewesen ist. 1972 bis 1974 leitete Mehnert den traditionsreichen Münchener Ärztlichen Verein und wurde 1975 zum Präsidenten des Kongresses der Europäischen Diabetesgesellschaft gewählt. Im gleichen Jahr erwarb er die neu geschaffene Teilgebietsberechtigung „Endokrinologie“ als erster Arzt in Bayern. 1975 wurde er Mitglied des Fortbildungsausschusses der Bundesärztekammer und leitete mehr als zwei Jahrzehnte den Seminarkongress der Bundesärzte­kammer in Meran. Von 1975 bis 1982 war Hellmut Mehnert der erste Vizepräsident der Internationalen Diabetes­vereinigung (IDF), zuständig für Europa und Afrika.

Unbeschadet der Tätigkeiten in Lehre und Forschung kümmerte sich Hellmut Mehnert ganz wesentlich um die Belange des Münchener Krankenhauswesens, das damit Vorbildfunktion für viele Krankenhäuser in Deutschland hatte. So schuf er die Münchener Krankenhausreform, die gemäß seinen Vorstellungen vom Stadtrat übernommen wurde: Die Abteilungen des Klinikums wurden nach dem von Hellmut Mehnert so bezeichneten „modifizierten Department-System“ ausgerichtet, indem zwar bestimmte Schwerpunkte (zum Beispiel Endokrinologie und Diabetologie) geschaffen, zugleich aber die Behandlungs- und Ausbildungs­möglichkeiten für das gesamte Fachgebiet (zum Beispiel Innere Medizin) erhalten wurden. Es wurden Gremien in Form der Zentrums- und Krankenhauskonferenzen gegründet, in denen die verschiedenen Berufsgruppen vertreten waren. Die Konsiliartätigkeit wurde durch die Schaffung von fast 100 neuen Arztstellen in den Krankenhäusern Münchens installiert und ausgeweitet; die Zentren wurden zu schlagkräftigen Institutionen ausgebildet, in denen unter anderem für einen regen Assistentenaustausch innerhalb der verschiedenen Teilgebiete gesorgt wurde. Ein Krankenhauspool wurde geschaffen, der die Beteiligung bewährter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Privateinnahmen der Chefärzte garantierte. Die Fortschreibung der Münchener Krankenhausreform lag Mehnert besonders am Herzen, sodass er bis zu seiner Pensionierung 1993 Vorsitzender eines vom Stadtrat berufenen Arbeitsausschusses zur Fortschreibung der Reform geblieben ist.

Von 1975 bis 1991 war Hellmut Mehnert Ärztlicher Direktor des Krankenhauses München-Schwabing und wurde von den ärztlichen Mitarbeitern jeweils mit großer Mehrheit über vier Amtsperioden gewählt. 1980 bis 1981 war Mehnert als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin tätig; er leitete den Kongress 1981 in Wiesbaden. Von 1992 bis 1999 folgte die Tätigkeit als Bezirksvertreter der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. 1993 wurde Hellmut Mehnert zum Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und 1994 zum Ehrenmitglied der Deutschen Diabetes-Gesellschaft ernannt. Seit 1993 leitet er die Chefarztauswahlkommission der Bayerischen Krankenhausgesell­schaft. Von 1995 an war Hellmut Mehnert als Delegierter der Bayerischen Landesärztekammer und des Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbandes tätig. Von 1994 bis 2000 war er Präsident der Deutschen Diabetes-Union e. V., einer Vereinigung der Fachgesell­schaft mit den Laienorganisationen. Die Deutsche Diabetes-Union e. V. ernannte Hellmut Mehnert im Jahr 2000 zum ersten und bisher einzigen Ehrenpräsidenten. 1996 wurde Mehnert zum korrespon­dierenden Mitglied der Sächsischen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. ernannt, eine Ehrung, die ihn als Sachsen auch emotional sehr berührte. 1998 wurde der mit 50 000 Euro dotierte „Hellmut-Mehnert-Preis“ für die Erforschung des Diabetes und seiner Komplikationen durch die UNESCO und die Deutsche Diabetes-Union gestiftet. 2002 entschlossen sich die Deutsche Diabetesgesellschaft e. V., die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e. V., der Berufsverband Deutscher Internisten e. V. sowie die diabetologischen und endokrinologischen Berufsverbände, sich zum „Dachverband Endokrinologie/Diabetologie“ zusammenzuschließen. Hellmut Mehnert wurde einstimmig zum ersten Vorsitzenden gewählt.

Bemerkenswert an den Leistungen und Erfolgen von Hellmut Mehnert ist die Tatsache, dass er sowohl in Lehre und Forschung als auch in der Klinik erfolgreich und wegweisend gewesen ist. Seine Tätigkeit in der Lehre fand ihren Niederschlag in mehr als 1 500 Publikationen, darunter mehr als hundert Lehrbuchkapiteln und 25 Lehrbüchern, vorwiegend auf dem Gebiet des Stoffwechsels und der Ernährung, insbesondere der Diabetologie. Hellmut Mehnert hat mehr als 3 000 Vorträge gehalten, davon fast 1 000 nach seiner Pensionierung im Jahr 1993.

Bei den wissenschaftlichen Arbeiten von Hellmut Mehnert dominierten zunächst Untersuchungen zur Resorption und zum Stoffwechsel verschiedener Zucker und Zuckeralkohole bei Mensch und Ratte, die in den Jahren 1958 bis 1970 durchgeführt wurden und mit einer besonderen Technik verlässliche Ergebnisse in diesem Bereich ermöglichten. 1968 errichtete Hellmut Mehnert ein Schulungszentrum für Diabetiker in München, nachdem er bereits seit 1958 die Schulung als einer der ersten in Deutschland systematisch aufgebaut hatte. Bezeichnend war, dass Hellmut Mehnert bis zu seiner Pensionierung - dem Vorbild der Joslin-Klinik folgend - in die Schulung stets persönlich involviert war und bestimmte Schulungsbereiche pädagogisch abdeckte. Frühzeitig erkannte Mehnert, dass zur Schulung nicht nur die unerlässliche Ernährungsberatung, sondern vor allem auch die exakte Handhabung der Insulinspritze und der Selbstkontrollen sowie nicht zuletzt die Prophylaxe des diabetischen Fußes gehören. Nach der Tätigkeit in Boston widmete sich Hellmut Mehnert maßgeblich den Untersuchungen zu blutzuckersenkenden Substanzen (orale Antidiabetika) im Hinblick auf Wirkungsweise, Indikationen und Nebenwirkungen. Bis zum heutigen Tag hat er darüber gearbeitet und veröffentlicht, nicht zuletzt in einer Habilitationsschrift. Im Zusammenhang mit seiner Habilitationsarbeit nahm Mehnert als erster blutfreie extrakorporale Perfusionen von Hundebauchspeicheldrüsen zur Prüfung der Insulinsekretion mit verschiedenen Stimuli vor, die am Institut von Walter Brendel in München stattfanden und den insulinotropen beziehungsweise nichtinsulinotropen Effekt von Sulfonylharn­stoffen beziehungsweise Biguaniden eindeutig belegten. Es mag für Hellmut Mehnert eine große Genugtuung gewesen sein, dass das von ihm seit Jahrzehnten empfohlene Biguanid Metformin durch die UKPDS-Studie zum Goldstandard in der Behandlung des Typ-2-Dia­betes erhoben wurde und dass damit die unberechtigte, zum Teil polemische Kritik an diesem Präparat ad absurdum geführt wurde.

Eine heute nicht mehr durchführbare Studie belegte, dass die damals noch häufigen Tetanuskranken eine hohe Rate an Diabetes aufwiesen, was Hellmut Mehnert auf die Tetanustoxine, den Bewegungsmangel und die Infusionen mit extrem hohen Glukosemengen zurückführte. Vielleicht die größte wissenschaftliche epidemiologische Tat von Hellmut Mehnert war die Durchführung der Diabetesfrüherfassungsaktion in München 1967/68 zusammen mit der Bayerischen Landesärztekammer, bei der annähernd 800 000 Menschen auf Diabetes untersucht und 7 000 Diabetiker neu entdeckt wurden. Die damalige Diabetikerzahl betrug damit nicht, wie man vorher annahm, 2 Prozent, sondern 3 Prozent der Bevölkerung, während sie jetzt ja bereits an die 10 Prozent beträgt. Untersuchungen zum Thiaziddiabetes wurden von Hellmut Mehnert und seinem späteren Amtsnachfolger Prof. Dr. med. Eberhard Standl schon 1964 durchgeführt. 1968 gelang Hellmut Mehnert die Erstbeschreibung des „Wohlstandssyndroms“, das 20 Jahre später als metabolisches Syndrom oder Syndrom X neu beschrieben und ausführlicher dargestellt wurde. Die klinische Prüfung der ersten Insulinpumpen fand an der Schwabinger Klinik im Jahr 1969 statt, die weltweit erste Implantation einer Insulinpumpe mit intravenösem Katheter im Jahr 1978.

Hellmut Mehnerts Hauptarbeitsgebiete waren die Diabetologie, die Ernährungskrankheiten und andere Stoffwechselleiden. Für seine Leistungen wurde er mit der Ernst-von-Bergmann-Plakette der Bundesärztekammer, der Gerhard-Katsch-Medaille der Deutschen Diabetes-Gesellschaft e. V., dem Paul-Langerhans-Preis, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft e. V., dem Jülich-Preis des Düsseldorfer Diabetesforschungsinstituts, dem Ehrenzeichen der Bayerischen Internisten, dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, dem Bayerischen Verdienstorden und der Medaille „München leuchtet“ in Gold ausgezeichnet.

Das besonders Bemerkenswerte an der Fülle der Arbeiten und Erfolge, die die Tätigkeit Hellmut Mehnerts mit sich brachte, ist vor allem darin zu sehen, dass er - bekannt für seine klare Diktion - niemals verletzend oder polemisch agierte und dass er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch sein persönliches Beispiel beim Einsatz für Patienten und Kollegen zu überzeugen vermochte. Intrigen gab es an der Mehnert’schen Klinik und im Mehnert’schen Institut nicht, eine Auffassung vom Beruf und dem Miteinanderleben der Berufskollegen, wie er sie von seinen Chefs Walter Seitz und Elliott Proctor Joslin gelernt hatte. Bekannt und gefürchtet war Hellmut Mehnert für seine Pünktlichkeit, aber auch Zuverlässigkeit in der Bewältigung
über­tragener Aufgaben.

Hellmut Mehnert hat sich durch seinen unermüdlichen Einsatz und seine vorbildliche Haltung als Arzt, Wissenschaftler, Forscher und Hochschullehrer, als Ärztlicher Direktor, wissenschaftlicher Autor und als Pionier, insbesondere auf dem Gebiet der Diabetologie, sowie als Politikberater und aktiver Berufspolitiker um die ärztliche Versorgung der Patienten, die ärztliche Fort- und Weiterbildung, die Wissenschaft, die Innere Medizin, die Gesundheitspolitik der Ärzteschaft und die Selbstverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.

106. Deutscher Ärztetag in Köln, 20. Mai 2003, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident

(Beifall)

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