Dienstag, 20. Mai 2003, 10.00 Uhr
Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident
der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages und der Ärztekammer
Nordrhein:
Auf Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer, der auf
dem Deutschen Ärztetag zu verkünden ist, werden jährlich mit der Paracelsus-Medaille Ärztinnen und Ärzte ausgezeichnet, die sich durch
erfolgreiche berufsständische Arbeit, vorbildliche ärztliche Haltung oder
hervorragende wissenschaftliche Leistungen besondere Verdienste um das Ansehen
der Ärzteschaft erworben haben.
Der Vorstand der Bundesärztekammer beschloss im Dezember
2002, auf dem 106. Deutschen Ärztetag mit der Paracelsus-Medaille
auszuzeichnen: Herrn Dr. med. Horst Buck-Gramcko, Herrn Dr. med. Hans Hege und
Herrn Professor Dr. med. Hellmut Mehnert. Ich bitte die drei auszuzeichnenden
Persönlichkeiten auf die Bühne.
(Beifall)
Die Verleihungsurkunden haben folgenden Wortlaut:
Der Vorstand der Bundesärztekammer
verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hoch verdienten Horst
Buck-Gramcko in Hamburg, Dr. med., Facharzt für Orthopädie, die Paracelsus-Medaille
der deutschen Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren
in Horst Buck-Gramcko einen Arzt, der sich in über 40 Jahren seines aktiven
Berufslebens als Arzt und Berufspolitiker durch seine engagierte Tätigkeit in
den Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung, sein Mitwirken in Beratungsgremien
auf regionaler, Landes- und Bundesebene um die ärztliche Versorgung, Fort-
und Weiterbildung, die Qualitätssicherung, das Gesundheitswesen und das
Gemeinwohl der Bundesrepublik Deutschland besonders verdient gemacht hat.
Horst Buck-Gramcko wurde am 13. August
1929 in Hamburg als zweiter Sohn in einer Arztfamilie geboren. Er verbrachte
seine Kinder- und Jugendjahre im kriegsgeschüttelten Hamburg. Nach der
Grundschulzeit wechselte er an das Matthias-Claudius-Gymnasium in Hamburg, an
dem er 1949 das Abitur ablegte.
Da der Berufswunsch „Arzt“ außer Frage
stand, absolvierte Horst Buck-Gramcko im Anschluss an die Schulzeit ein
Krankenpflegepraktikum. Das Medizinstudium nahm er im Wintersemester 1949/1950
an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel auf. Nach dem Physikum wechselte
er an die Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er im Juni 1955 das Staatsexamen
mit der Note „Eins“ ablegte. Bei Prof. Dr. med. Hermann Ehlert von der
Chirurgischen
Universitätsklinik München promovierte er mit einer Arbeit zum Thema
„Thoraxverletzungen und ihre Folgen“.
Horst Buck-Gramcko absolvierte seine
Pflichtassistentenzeit am Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in Hamburg. Hieran
schloss sich die Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie an, die Buck-Gramcko
an der Abteilung Chirurgie der Städtischen Krankenanstalten Darmstadt, an der
Orthopädischen Universitätsklinik der Freien Universität Berlin im
„Oskar-Helene-Heim“ und in der Praxis seines als Orthopäde niedergelassenen
Vaters ableistete.
Von 1963 bis Ende 1992 war Horst
Buck-Gramcko in der Hamburger Innenstadt als Orthopäde niedergelassen. Von der
Teamarbeit überzeugt, nahm er bereits 1963 einen Partner in seine Praxis auf
und führte die Praxis bis zu seinem Ausscheiden als Praxisgemeinschaft. Er war
als „Durchgangsarzt“ für die Berufsgenossenschaften zugelassen und war auch in
großem Umfang als Gutachter für die Berufsgenossenschaften und Hamburger
Gerichte tätig.
Schon frühzeitig engagierte sich Horst
Buck-Gramcko in den Gremien der Selbstverwaltung. Von 1966 bis 1998 vertrat er
die Hamburger Ärzte in den Gremien der Ärztekammer. Zuerst wurde er als
Vertreter des Kreises „Innenstadt“, später als Einzelkandidat auf der
Landesliste direkt gewählt. In acht Wahlperioden und unter fünf
Kammerpräsidenten war Buck-Gramcko 24 Jahre lang Mitglied des Vorstandes der
Ärztekammer Hamburg. Er nahm dabei an 540 Vorstandssitzungen teil. Er war lange
Jahre Vorsitzender des Ausschusses Qualitätssicherung der Ärztekammer Hamburg,
wirkte als Beisitzer in den Weiterbildungsgremien mit und war langjähriger
Vorsitzender im Aufsichtsausschuss des Versorgungswerks. Besonders am Herzen lagen
ihm der Fürsorgeausschuss, den er viele Wahlperioden lang leitete, und der
Schlichtungsausschuss, in welchem er viele Probleme bewältigen half. Konsequent
in der Ausbildung der Arzthelferinnen engagiert, war er auch Mitglied im
Berufsbildungsausschuss und im Ausschuss Arzthelferinnen. Die Ärztekammer entsandte
ihn darüber hinaus in die „Tierschutz-Ethikkommission“ der Hamburger
Gesundheitsbehörde, wählte ihn zum ehrenamtlichen Finanzrichter und vertraute
auf seine Kompetenz im Berufsgericht der Heilberufe. Auch in den Gremien der
kassenärztlichen Selbstverwaltung engagierte sich Horst Buck-Gramcko
ehrenamtlich. Er war 24 Jahre Mitglied der Vertreterversammlung der
Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg und Mitglied und Vorsitzender im Finanzausschuss
dieser Körperschaft.
Horst Buck-Gramcko wurde in dieser Zeit
als eine „Ikone der Hamburger Kammerpolitik“ bezeichnet. Er wird bis heute
wegen seiner Integrität, seines verbindlichen Wesens, seiner politischen
Verlässlichkeit und seiner Durchsetzungsfähigkeit über alle Grenzen und Lager
hinweg geachtet.
Horst Buck-Gramcko war auch in den
Gremien seines Faches aktiv. Seit 1963 ist er Mitglied im Berufsverband der
Orthopäden e. V. Von 1971 bis 1979 war er in einem Triumvirat einer der
Vorsitzenden dieses Berufsverbandes in Hamburg. In dieser Zeit engagierte sich
Horst Buck-Gramcko besonders in der übergreifenden Fortbildung und
Zusammenarbeit zwischen Krankenhausärzten und niedergelassenen Ärzten.
Horst Buck-Gramcko war neben seinem
lokalen Engagement vor allem in den Gremien der Bundesärztekammer aktiv. Von
1970 bis 2000 war er Mitglied in den Finanzgremien der Bundesärztekammer - seit
1981 als deren Vorsitzender. Unter seinem Vorsitz wurde die mittelfristige
Finanzplanung eingeführt und der Haustarifvertrag der Mitarbeiter der BÄK
konzipiert. Mit seiner breiten Erfahrung half er, die Satzung zu erarbeiten,
die die Rechte und Pflichten der heutigen Finanzkommission der BÄK beschreibt.
Besonders engagiert setzte er sich für die Integration der Ärztekammern der
neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung Deutschlands ein. Dass diese Vereinigung
auch in den ärztlichen Körperschaften und Verbänden so reibungslos und
erfolgreich verlief, ist unter anderem auch Horst Buck-Gramcko zu verdanken.
Auf den Deutschen Ärztetagen vertrat er die Haushaltsrechnungen und -entwürfe
der Bundesärztekammer. Dabei ließ er sich immer von der Maxime des fairen
Interessenausgleichs zwischen den Gremien der Bundesärztekammer mit ihren
vielfältigen politischen und administrativen Aufgaben und den finanziellen
Möglichkeiten der Landesärztekammern und ihrer Mitglieder - der Ärztinnen und
Ärzte - leiten. Er prägte die Finanzgremien der Bundesärztekammer. Ihm schuldet
die Ärzteschaft viel Dank für die Tatsache, dass die Bundesärztekammer heute
eine finanziell solide strukturierte Organisation mit Schlagkraft und Ansehen
ist.
Die Bundesärztekammer vertraute auf den
Sachverstand von Horst Buck-Gramcko auch in der Berufsgenossenschaft für
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (Hamburg). Seit 1993 vertritt er dort
die Interessen der Ärzteschaft konsequent und kompetent.
Horst Buck-Gramcko ist in erster Linie
Arzt und Hamburger. Seine Sitzungsleitung und seine Darstellung komplexer
Sachverhalte sind von hanseatischer Ruhe und Understatement geprägt. Gepränge
und laute Selbstdarstellung sind ihm fremd. Er besteht auf Präzision und
Transparenz. Zu den von ihm verteidigten Grundsätzen gehören die Prinzipien der
Freiberuflichkeit der Ärzte, der Therapiefreiheit, der beruflichen
Unabhängigkeit und der Gestaltungsfreiheit durch eine demokratisch legitimierte
Selbstverwaltung. Er bekämpft alle Versuche, den Handlungsraum der
Selbstverwaltung - sei es in den Ärztekammern oder den Kassenärztlichen
Vereinigungen sowie in den berufsständischen Versorgungswerken - durch
staatliche Vorgaben einzuengen. Seine souveräne und vorbildliche Haltung sind
sein Markenzeichen für Integrität und Sachbezogenheit.
Horst Buck-Gramcko hat sich durch
seinen engagierten, unermüdlichen Einsatz für die Ärztinnen und Ärzte
Deutschlands als Arzt und durch seine vorbildliche Haltung als Berufspolitiker,
Berater und aktiver Gestalter in den Gremien der ärztlichen Körperschaften und
in Verbänden sowie als Staatsbürger um die ärztliche Versorgung der Patienten,
das System der Gesundheitssicherung und die ärztliche Selbstverwaltung in
hervorragender Weise verdient gemacht.
106. Deutscher Ärztetag in Köln, 20.
Mai 2003, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
Der Vorstand der Bundesärztekammer
verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hoch verdienten Hans
Hege in Gilching, Dr. med., Arzt für Allgemeinmedizin, die
Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Hans Hege
einen Arzt und Gesundheitspolitiker, der sich fast 40 Jahre seines Berufslebens
als Arzt und Berufs- sowie Gesundheitspolitiker durch seine engagierte
Tätigkeit in der ärztlichen Selbstverwaltung auf regionaler, Landes- und
Bundesebene in hervorragender Weise um die ärztliche Versorgung der Patienten,
die ärztliche Selbstverwaltung und um das Gemeinwohl der Bundesrepublik
Deutschland verdient gemacht hat.
Hans Hege, am 24. März 1924 in
Berlin-Charlottenburg geboren, verbrachte in seinem Geburtsort und in Frankfurt
am Main seine Kindheitsjahre und die Schulzeit. 1942 legte er das Not-Abitur am
Humanistischen Lessing-Gymnasium in Frankfurt/Main ab. Schon während seiner
Gymnasialzeit wurde seine humanistische Gesinnung geprägt und entwickelte sich
seine Passion für Philosophie, Rechtswissenschaft und die Musik.
Zur Wehrmacht wurde Hans Hege im
Februar 1942 eingezogen. Er wurde während des Zweiten Weltkrieges an der Front
in Russland als Infanterist eingesetzt, insbesondere in Noworossisk, Dnjepr und
in Litauen. Während des Kriegseinsatzes wurde Hans Hege verwundet und erkrankte
an Malaria. 1943 verzichtete er aus Gewissensgründen auf die inzwischen
begonnene Offizierslaufbahn. Nach der Kapitulation im Mai 1945 flüchtete er aus
Libau auf dem Seeweg nach Schleswig-Holstein. Im Oktober 1945 kehrte Hans Hege
aus englischer Kriegsgefangenschaft in die Heimat zurück. Im Sommersemester
1946 nahm er das Studium der Philosophie und der Ingenieurwissenschaft an der
damaligen Technischen Hochschule Darmstadt auf, ab Wintersemester 1946 an der
Medizinischen Fakultät der Universität Frankfurt/Main und Heidelberg das
Medizinstudium. Sein Staatsexamen absolvierte er am 12. Juni 1951 an der
Universität Heidelberg. Dort wurde er am 14. Juni 1951 bei Prof. Dr. med. Kurt
Schneider, Ordinarius für Psychiatrie an der Universität Heidelberg, zum Dr.
med. promoviert. Thema der Dissertation: „Klinisch-statistische Untersuchungen
über Zyklothymie“. Danach absolvierte Hans Hege eine zweijährige
Pflichtassistentenzeit an der Psychiatrischen Klinik der Universität
Heidelberg, in der Abteilung für Innere Medizin, in der Gynäkologischen
Abteilung am Rotkreuz-Krankenhaus in Frankfurt/Main und in einer
Allgemeinarztpraxis in Biberbach bei Augsburg. Die Vollapprobation als Arzt
erhielt er 1953.
Danach schlossen sich wechselnde
berufliche Stationen an. Von Februar bis April 1953 absolvierte Hans Hege einen
tropenmedizinischen Kurs in Hamburg, um sich für den Einsatz auf einer Großbaustelle
in Afghanistan vorzubereiten. Bis Juli 1955 war er als Baustellenarzt in
Gulbahar/Afghanistan - rund 160 Kilometer nördlich von Kabul - eingesetzt.
Während dieser Zeit baute und leitete er eine stationäre Versorgungsstelle für
die im Bau befindliche Textilfabrik. Die Versorgungszentrale hatte die Aufgabe,
eine Belegschaft von rund 1 200 Angestellten und Arbeitern und deren
Familien ärztlich zu versorgen, darunter rund 120 Europäer.
Nach Deutschland zurückgekehrt,
arbeitete er zunächst - von Anfang August 1955 bis Mitte April 1957 - als
Alleinassistent in der Waldklinik Oerrel in der Lüneburger Heide (Chirurgie,
Gynäkologie, Geburtshilfe). Damaliger Chefarzt der 60-Betten-Klinik war Dr.
med. Werner Läsker, ehemaliger Leiter der Chirurgischen und gynäkologischen
Klinik des Stadtkrankenhauses Gera, der die berufliche Entwicklung von Hans
Hege maßgeblich förderte.
Vom 1. September 1957 bis 31. August
1958 war Hans Hege wissenschaftlicher Assistent am Physiologischen Institut der
Universität Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Hans Schaefer).
Damals befasste sich Hege wissenschaftlich mit den Problemen der psycho-physischen
Wechselwirkungen. Sein akademischer Lehrer und Mentor, Hans Schaefer, schlug
ihm vor, sich im Fach Physiologie an der Universität Heidelberg zu
habilitieren. Vor allem aus familiären und persönlichen Gründen, aber auch
wegen der Unzuträglichkeiten einer akademischen „Ochsentour“ verließ Hans Hege
die Universität und wandte sich der kurativen Medizin zu. Vom 8. September 1958
bis zum 15. September 1961 war er Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik der
Stadt Darmstadt (Direktor: Prof. Dr. med. Max Ratschow). Während dieser Zeit
absolvierte er auch eine Weiterbildung an der Abteilung für Röntgenologie und
war zeitweise für das Kliniklabor und die Versorgung der Kinderabteilung zuständig.
Ende September 1961 wechselte Hans Hege
in die Industrie. Er war vom 1. Oktober 1961 bis zum 31. März 1965 Leiter der
Abteilung Klinische Prüfung Süddeutschland der Firma Ciba AG in München.
Während dieser Tätigkeit war er vom 1. Juli bis zum 31. August 1964 als Gast
Stationsarzt an der Ludolph-Krehl-Klinik der Universität Heidelberg (Direktor:
Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. mult. Gotthard
Schettler). 1965 schied Hans Hege aus der Pharmaindustrie aus und wechselte in
die Freiberuflichkeit als niedergelassener Arzt. Von 1965 bis 1995 war er in
München tätig, zuerst als praktischer Arzt, seit 1970 als Arzt für
Allgemeinmedizin, daneben - seit 1982 - als vertraglich tätiger Betriebsarzt in
einem großen Münchener Verlag, eine Tätigkeit, die er auch heute noch
wahrnimmt.
Schon bald nach Aufnahme seiner
Tätigkeit als niedergelassener Arzt engagierte sich Hans Hege in der ärztlichen
Berufs- und Gesundheitspolitik. Zunächst wurde er 1970 Mitglied der Vereinigung
Praktischer Ärzte Bayerns, seit 1972 war er deren Vorsitzender. Bereits während
der ersten Jahre seines berufspolitischen Wirkens zeigte sich Hans Hege als
Nonkonformist und Querdenker. Er plädierte in einer Veröffentlichung für den
Verzicht der Vergütung von Laboratoriumsleistungen, falls im Gegenzug die
persönlichen (geistigen) Leistungen und die Zuwendungsleistungen des
Allgemeinarztes entsprechend höher vergütet würden. Dies war einer Mitgliederversammlung
der Vereinigung Praktischer Ärzte Bayerns Anlass, Hans Hege zu rügen, worauf er
den Vorsitz dieses Ärztevereins niederlegte. Aus dem Kreis von praktischen
Ärzten aus München wurde er in den folgenden Jahren wiederholt aufgefordert,
für den Vorsitz der Bezirksstelle München der Kassenärztlichen Vereinigung
Bayerns zu kandidieren, was er aber zunächst ablehnte. Nachdem innerhalb von
drei Jahren Vorsitzende dieser Bezirksstelle ihr Amt vorzeitig abgaben, wurde
Hans Hege 1976 zum Vorsitzenden der Bezirksstelle München der Kassenärztlichen
Vereinigung Bayerns gewählt, ein Amt, das er bis 1979 innehatte. Von 1980 bis
1983 war er dann stellvertretender Vorsitzender der Bezirksstelle München der
Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und von 1976 bis 1983 Mitglied der Vertreterversammlung
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Während dieser für ihn fruchtbringenden
Zeit beschäftigte sich Hans Hege vor allem mit den historischen Gründen und den
Konsequenzen einer Gebührenordnung, die aus mehr als 2 000 Einzelpositionen
besteht und auf dem Prinzip beruht, die geistigen Leistungen des Arztes
tendenziell unter-, dagegen die technischen Leistungen überzubewerten. Hans
Hege widersprach einer bloßen „Stückpreis-Gebührenordnung“, die seiner
Überzeugung nach eine Stückpreisgesinnung fördert. Dies löste kontroverse
Diskussionen und zum Teil Gegnerschaft aus. Er plädierte für ein
partnerschaftliches Verhältnis zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung
Bayerns und den Krankenkassenverbänden in Bayern, die seinerzeit den so
genannten Bayern-Vertrag abschlossen, eine gesundheitspolitische Initiative,
die nach anfänglichen Erfolgen schließlich stecken geblieben ist.
Hans Hege war von 1976 bis 1979
Mitglied des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und von 1981
bis 31. Dezember 1986 1. Vorsitzender des Ärztlichen Kreis- und
Bezirksverbandes München der Bayerischen Landesärztekammer. Von 1987 bis 1990
war er Vorsitzender der Ethikkommission der Bayerischen Landesärztekammer.
Sein Engagement und sein tatkräftiges
Mitwirken auf Bundesebene in den Körperschaften und Gremien der Ärzteschaft
kommt vor allem in der Wahrnehmung seines Mandats als Delegierter zum Deutschen
Ärztetag in der Zeit von 1981 bis 1991 zum Ausdruck. Im Januar 1987 ist Hans
Hege zum 1. Vizepräsidenten der Bayerischen Landesärztekammer (München) gewählt
worden. Im Januar 1991 wurde er erstmals zum Präsidenten dieser Ärztekammer
gewählt (als Nachfolger von Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. Hans Joachim
Sewering) und im Jahr 1995 in diesem Amt bestätigt. Das Amt des Präsidenten der
Bayerischen Landesärztekammer hatte er bis Januar 1999 inne. In dieser
Eigenschaft war er Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer. Für eine
weitere Wahlperiode hatte er nicht mehr kandidiert; er wurde 1999 zum
Ehrenpräsidenten der Bayerischen Landesärztekammer ernannt.
In den Gremien der Bundesärztekammer
engagierte er sich vor allem für Fragen der Allgemeinmedizin, der
Berufsordnung, der ärztlichen Weiter- und Fortbildung sowie für Fragen der
Qualitätssicherung der ärztlichen Berufsausübung. Aufgrund seiner großen
beruflichen Erfahrung, seiner hohen Kompetenz und seiner Führungsqualitäten
wurde Hans Hege zunächst stellvertretender Vorsitzender (1991 bis 1994) und von
1995 bis 1998 Vorsitzender der Deutschen Akademie für Allgemeinmedizin, eines
Fachausschusses der Bundesärztekammer. Außerdem war er Vorsitzender der
Ständigen Kommission „Gutachterkommissionen/Schlichtungsstellen“, von 1991 bis
1994 stellvertretender Vorsitzender und von 1995 bis 1998 Vorsitzender des
Bundesärztekammer-Ausschusses „Berufsordnung für die deutschen Ärzte“. Während
dieser Zeit wurde die Berufsordnung aktualisiert und vor allem im Hinblick auf
das Werbeverbot und die Internetnutzung der aktuellen Entwicklung angepasst.
Während seiner Zeit als Ärztekammer-Präsident in Bayern war er Mitglied der
Ausschüsse und Ständigen Konferenzen „Ärztliche Weiterbildung“ und „Qualitätssicherung
ärztlicher Berufsausübung“ der Bundesärztekammer. Darüber hinaus war er
Mitglied im Bayerischen Landesgesundheitsrat (München).
In die Zeit als Präsident der
Bayerischen Landesärztekammer fällt die Gründung der Bayerischen
Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung, deren Gründungsmitglied und Träger
die Landeskrankenhausgesellschaft, die Landesverbände der Krankenkassen in
Bayern und die Bayerische Landesärztekammer waren. Seiner Hartnäckigkeit und
seinem Ansehen bei den Vertragspartnern gelang es, die Gründung dieser
Arbeitsgemeinschaft unter auch für Ärzte akzeptablen Bedingungen zu erreichen.
Die Arbeitsgemeinschaft stand Pate für die Gründung einer ähnlichen
Arbeitsgemeinschaft auf Bundesebene. In vielen Diskussionen und Publikationen
setzte sich Hans Hege vor allem mit den Fragen der Arbeitsteilung und der
Kooperation zwischen Hausärzten und Spezialärzten auseinander.
Die Jahre 1996 und 1997 waren geprägt
durch eine intensive Vorbereitung von Novellierungsentwürfen zur Revision der
Berufsordnung. Dank des tatkräftigen Einsatzes von Hans Hege ist es gelungen,
die Entwürfe sowohl in den Berufsordnungsgremien als auch in den
Landesärztekammern sachlich zu diskutieren und Meinungsunterschiede durch
Kompromissvorschläge zu überbrücken. Die konsensfähige Vorlage wurde denn auch
mit großer Mehrheit vom 100. Deutschen Ärztetag in Eisenach 1997 als
(Muster-)Berufsordnung verabschiedet. Dabei war es gelungen, die ursprünglich
unterschiedlichen Entwicklungsstränge in einem auch medizinethisch
verpflichtenden Regelwerk zu integrieren.
Hans Hege hat sich auch einen Namen als
Verfasser von Streitschriften und Publikationen über die ärztliche
Berufsordnung, zu Fragen der ärztlichen Ethik und Gesundheitspolitik sowie zur
Reformpolitik einen Namen gemacht. Diese wurden unter anderem im Bayerischen
Ärzteblatt und im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.
Ehrenamtlich setzt sich Hans Hege auch
in gemeinnützigen Gremien ein, so ist er seit 1999 Vorsitzender der Aktion
Sonnenschein e. V. Hilfe für das mehrfach behinderte Kind e. V.
Für sein ehrenamtliches und gemeinnütziges
Wirken verlieh ihm der Bundespräsident 1994 das Große Verdienstkreuz des
Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. 1998 ist er mit der Verleihung
des Bayerischen Verdienstordens geehrt worden.
Hans Hege hat sich durch seinen
langjährigen engagierten Einsatz und seine vorbildliche Haltung als Arzt, als
gewählter Repräsentant in ärztlichen Organisationen, Verbänden und
Körperschaften, durch sein aktives Mitwirken in der ärztlichen Berufs- und
Gesundheitspolitik und insbesondere in Fragen der Berufsordnung und der medizinischen
Ethik sowie durch seine Pflichterfüllung, Aufrichtigkeit als Arzt und
Berufspolitiker ebenso wie als Staatsbürger um die ärztliche Versorgung der
Patienten, die Ärzteschaft und die ärztliche Selbstverwaltung in der Bundesrepublik
Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.
106. Deutscher Ärztetag in Köln, 20.
Mai 2003, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
Der Vorstand der Bundesärztekammer
verleiht kraft dieser Urkunde dem um die deutsche Ärzteschaft hoch verdienten Hellmut
Mehnert in München, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie
und Diabetologie, die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.
Die deutschen Ärztinnen und Ärzte ehren in Hellmut
Mehnert einen Arzt, der sich als akademischer Lehrer, Wissenschaftler,
Forscher, Gutachter, Krankenhausarzt, aber auch als Vertreter in der Kassenärztlichen
Vereinigung und Delegierter des Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbands München
und der Bayerischen Landesärztekammer sowie durch verschiedene ehrenamtliche
Engagements in wissenschaftlichen Gremien in hervorragender Weise um die
Versorgung der Patienten, insbesondere der Diabetiker in Deutschland, um Forschung
und Lehre, um das Gesundheitswesen, um die ärztliche Selbstverwaltung und um das
Gemeinwohl der Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht hat.
Hellmut Mehnert wurde am 22. Februar
1928 in Leipzig als Sohn des Facharztes für Innere Krankheiten Dr. med. Manfred
Mehnert geboren. Seine Schulzeit verbrachte er in Leipzig, wo er am humanistischen
Thomasgymnasium zunächst das Kriegsabitur und nach Einberufung zum Volkssturm
nach Kriegsende in einem weiteren Kurs das Abitur 1946 absolvierte. Unmittelbar
darauf wurde er wegen seiner Volkssturmtätigkeit als „Werwolf“ von der
sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und zweieinhalb Jahre lang bis Juli 1948
inhaftiert. In dem Internierungslager, in dem von 12 000 Insassen
7 000 an Hungerdystrophie und vor allem an Tuberkulose starben, reifte in
Hellmut Mehnert, der als Sanitäter tätig war, der Entschluss, nach seiner
Entlassung Medizin zu studieren. Da dieses in Leipzig aus politischen Gründen
nicht möglich war, plante er die Flucht aus der DDR nach der Entlassung aus
sowjetischer Haft. Hellmut Mehnert floh 1948 nach Westdeutschland, wo er zunächst
für ein halbes Jahr als Autoschlosser tätig war und im Sommersemester 1949 mit
dem Studium der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München
begann. Trotz der Notwendigkeit, als Werkstudent seinen Unterhalt zu verdienen,
konnte Hellmut Mehnert zum frühestmöglichen Zeitpunkt 1954 das Staatsexamen mit
der Note „Sehr gut“ absolvieren und mit dem Thema „Cystin im Stoffwechsel
lebergesunder und leberkranker Menschen“ magna cum laude bei Prof. Dr. med.
Gustav von Bergmann an der II. Medizinischen Universitätsklinik in München
promovieren.
Nach der Absolvierung der
Medizinalassistentenzeit - einschließlich eines Jahres chirurgischer Tätigkeit
am Rotkreuz-Krankenhaus II in München - war Hellmut Mehnert an der
Medizinischen Universitätspoliklinik in München von 1955 bis 1965 bei Prof. Dr.
med. Walter Seitz tätig. Frühzeitig entschloss er sich, innerhalb der Inneren
Medizin sich den Stoffwechselkrankheiten und insbesondere der Diabetologie
zuzuwenden, was sich von da an wie ein roter Faden durch sein Lebenswerk zieht.
Das Jahr 1957 verbrachte er mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen
Austauschdienstes im „Mekka“ der damaligen Diabetologie, an der Joslin-Klinik
in Boston/USA. Aus dieser Zeit stammen Publikationen, die sich vor allem mit
den damals neu eingeführten oralen Antidiabetika vom Typ der Sulfonylharnstoffe
und später auch der Biguanide beschäftigten. Das Angebot, nach Boston
überzusiedeln und in der Joslin-Klinik zu arbeiten, lehnte Hellmut Mehnert ab
und entschloss sich, seine Weiterbildung an der Universitätspoliklinik in
München fortzusetzen. Dort wurde er 1961 zum Facharzt für Innere Krankheiten
und 1964 zum Privatdozenten für Innere Medizin ernannt. Thema seiner
Habilitationsarbeit: „Wirkungsweise und Indikationsbereich blutzuckersenkender
Biguanidderivate“.
Schon am 1. Januar 1966 wurde Hellmut
Mehnert mit 37 Jahren zum Chefarzt der III. Medizinischen Abteilung des
Krankenhauses München-Schwabing berufen, einer Klinik, die sich unter Prof. Dr.
med. Felix Steigerwaldt bereits vorwiegend der Diabetologie gewidmet hatte.
Diese Klinik, die Hellmut Mehnert bis zum 28. Februar 1993 leitete, entwickelte
sich unter seiner Leitung zu einem maßgebenden Zentrum der diabetologischen
Forschung in Deutschland und auf internationaler Ebene. Wesentlich dazu trug
die Gründung der Forschergruppe Diabetes am eigens erbauten Institut für
Diabetesforschung bei, die Hellmut Mehnert vom 1. Januar 1968 zusammen mit dem
Biochemiker und klinischen Chemiker Prof. Dr. med. Otto Wieland - ebenfalls
Chefarzt am Schwabinger Krankenhaus - leitete. Die fruchtbare
Forschungstätigkeit führte unter anderem dazu, dass allein aus der klinischen
und klinisch-experimentellen Abteilung von Hellmut Mehnert im Laufe der Jahre
15 Ärztinnen und Ärzte habilitiert wurden.
1968 wurde Hellmut Mehnert vorzeitig
zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Ein einstimmiger Fakultätsbeschluss,
für Hellmut Mehnert ein Ordinariat für Stoffwechselkrankheiten zu schaffen, führte
wegen der Schwierigkeiten, die städtische Position mit der staatlichen Professur
zu vereinen, zu der alle Seiten befriedigenden Lösung der Ernennung von Hellmut
Mehnert zum persönlichen Extraordinarius an der Universität München im Jahr
1974. Diese Position gab ihm das Recht zu Promotion und Habilitation und führte
langfristig dazu, dass nach 19 Jahren Unterstützung der Forschergruppe durch
die Deutsche Forschungsgemeinschaft der Freistaat Bayern die Finanzierung des
Forschungsinstituts am Schwabinger Krankenhaus übernahm.
Hellmut Mehnert war von 1964 bis 1990
ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Diabetes-Experten-Komitee
der Weltgesundheitsorganisation und von 1965 bis 1992 Vorsitzender beziehungsweise
Mitglied des Ausschusses „Ernährung“ der Deutschen Diabetesgesellschaft, deren
Präsident er 1972/73 gewesen ist. 1972 bis 1974 leitete Mehnert den
traditionsreichen Münchener Ärztlichen Verein und wurde 1975 zum Präsidenten
des Kongresses der Europäischen Diabetesgesellschaft gewählt. Im gleichen Jahr
erwarb er die neu geschaffene Teilgebietsberechtigung „Endokrinologie“ als
erster Arzt in Bayern. 1975 wurde er Mitglied des Fortbildungsausschusses der
Bundesärztekammer und leitete mehr als zwei Jahrzehnte den Seminarkongress der
Bundesärztekammer in Meran. Von 1975 bis 1982 war Hellmut Mehnert der erste
Vizepräsident der Internationalen Diabetesvereinigung (IDF), zuständig für
Europa und Afrika.
Unbeschadet der Tätigkeiten in Lehre
und Forschung kümmerte sich Hellmut Mehnert ganz wesentlich um die Belange des
Münchener Krankenhauswesens, das damit Vorbildfunktion für viele Krankenhäuser
in Deutschland hatte. So schuf er die Münchener Krankenhausreform, die gemäß
seinen Vorstellungen vom Stadtrat übernommen wurde: Die Abteilungen des
Klinikums wurden nach dem von Hellmut Mehnert so bezeichneten „modifizierten
Department-System“ ausgerichtet, indem zwar bestimmte Schwerpunkte (zum
Beispiel Endokrinologie und Diabetologie) geschaffen, zugleich aber die
Behandlungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für das gesamte Fachgebiet (zum
Beispiel Innere Medizin) erhalten wurden. Es wurden Gremien in Form der
Zentrums- und Krankenhauskonferenzen gegründet, in denen die verschiedenen
Berufsgruppen vertreten waren. Die Konsiliartätigkeit wurde durch die Schaffung
von fast 100 neuen Arztstellen in den Krankenhäusern Münchens installiert und
ausgeweitet; die Zentren wurden zu schlagkräftigen Institutionen ausgebildet,
in denen unter anderem für einen regen Assistentenaustausch innerhalb der
verschiedenen Teilgebiete gesorgt wurde. Ein Krankenhauspool wurde geschaffen,
der die Beteiligung bewährter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den
Privateinnahmen der Chefärzte garantierte. Die Fortschreibung der Münchener
Krankenhausreform lag Mehnert besonders am Herzen, sodass er bis zu seiner
Pensionierung 1993 Vorsitzender eines vom Stadtrat berufenen Arbeitsausschusses
zur Fortschreibung der Reform geblieben ist.
Von 1975 bis 1991 war Hellmut Mehnert
Ärztlicher Direktor des Krankenhauses München-Schwabing und wurde von den
ärztlichen Mitarbeitern jeweils mit großer Mehrheit über vier Amtsperioden gewählt.
1980 bis 1981 war Mehnert als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Innere
Medizin tätig; er leitete den Kongress 1981 in Wiesbaden. Von 1992 bis 1999
folgte die Tätigkeit als Bezirksvertreter der Kassenärztlichen Vereinigung
Bayerns. 1993 wurde Hellmut Mehnert zum Ehrenmitglied der Deutschen
Gesellschaft für Innere Medizin und 1994 zum Ehrenmitglied der Deutschen
Diabetes-Gesellschaft ernannt. Seit 1993 leitet er die Chefarztauswahlkommission
der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Von 1995 an war Hellmut Mehnert als
Delegierter der Bayerischen Landesärztekammer und des Ärztlichen Kreis- und
Bezirksverbandes tätig. Von 1994 bis 2000 war er Präsident der Deutschen
Diabetes-Union e. V., einer Vereinigung der Fachgesellschaft mit den Laienorganisationen.
Die Deutsche Diabetes-Union e. V. ernannte Hellmut Mehnert im Jahr 2000 zum
ersten und bisher einzigen Ehrenpräsidenten. 1996 wurde Mehnert zum korrespondierenden
Mitglied der Sächsischen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. ernannt, eine
Ehrung, die ihn als Sachsen auch emotional sehr berührte. 1998 wurde der mit
50 000 Euro dotierte „Hellmut-Mehnert-Preis“ für die Erforschung des Diabetes
und seiner Komplikationen durch die UNESCO und die Deutsche Diabetes-Union
gestiftet. 2002 entschlossen sich die Deutsche Diabetesgesellschaft e. V., die
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e. V., der Berufsverband Deutscher
Internisten e. V. sowie die diabetologischen und endokrinologischen
Berufsverbände, sich zum „Dachverband Endokrinologie/Diabetologie“ zusammenzuschließen.
Hellmut Mehnert wurde einstimmig zum ersten Vorsitzenden gewählt.
Bemerkenswert an den Leistungen und
Erfolgen von Hellmut Mehnert ist die Tatsache, dass er sowohl in Lehre und
Forschung als auch in der Klinik erfolgreich und wegweisend gewesen ist. Seine
Tätigkeit in der Lehre fand ihren Niederschlag in mehr als 1 500 Publikationen,
darunter mehr als hundert Lehrbuchkapiteln und 25 Lehrbüchern, vorwiegend auf
dem Gebiet des Stoffwechsels und der Ernährung, insbesondere der Diabetologie.
Hellmut Mehnert hat mehr als 3 000 Vorträge gehalten, davon fast
1 000 nach seiner Pensionierung im Jahr 1993.
Bei den wissenschaftlichen Arbeiten von
Hellmut Mehnert dominierten zunächst Untersuchungen zur Resorption und zum
Stoffwechsel verschiedener Zucker und Zuckeralkohole bei Mensch und Ratte, die
in den Jahren 1958 bis 1970 durchgeführt wurden und mit einer besonderen
Technik verlässliche Ergebnisse in diesem Bereich ermöglichten. 1968 errichtete
Hellmut Mehnert ein Schulungszentrum für Diabetiker in München, nachdem er
bereits seit 1958 die Schulung als einer der ersten in Deutschland systematisch
aufgebaut hatte. Bezeichnend war, dass Hellmut Mehnert bis zu seiner
Pensionierung - dem Vorbild der Joslin-Klinik folgend - in die Schulung stets persönlich
involviert war und bestimmte Schulungsbereiche pädagogisch abdeckte. Frühzeitig
erkannte Mehnert, dass zur Schulung nicht nur die unerlässliche
Ernährungsberatung, sondern vor allem auch die exakte Handhabung der
Insulinspritze und der Selbstkontrollen sowie nicht zuletzt die Prophylaxe des
diabetischen Fußes gehören. Nach der Tätigkeit in Boston widmete sich Hellmut
Mehnert maßgeblich den Untersuchungen zu blutzuckersenkenden Substanzen (orale
Antidiabetika) im Hinblick auf Wirkungsweise, Indikationen und Nebenwirkungen.
Bis zum heutigen Tag hat er darüber gearbeitet und veröffentlicht, nicht
zuletzt in einer Habilitationsschrift. Im Zusammenhang mit seiner
Habilitationsarbeit nahm Mehnert als erster blutfreie extrakorporale
Perfusionen von Hundebauchspeicheldrüsen zur Prüfung der Insulinsekretion mit
verschiedenen Stimuli vor, die am Institut von Walter Brendel in München
stattfanden und den insulinotropen beziehungsweise nichtinsulinotropen Effekt
von Sulfonylharnstoffen beziehungsweise Biguaniden eindeutig belegten. Es mag
für Hellmut Mehnert eine große Genugtuung gewesen sein, dass das von ihm seit
Jahrzehnten empfohlene Biguanid Metformin durch die UKPDS-Studie zum
Goldstandard in der Behandlung des Typ-2-Diabetes erhoben wurde und dass damit
die unberechtigte, zum Teil polemische Kritik an diesem Präparat ad absurdum
geführt wurde.
Eine heute nicht mehr durchführbare
Studie belegte, dass die damals noch häufigen Tetanuskranken eine hohe Rate an
Diabetes aufwiesen, was Hellmut Mehnert auf die Tetanustoxine, den Bewegungsmangel
und die Infusionen mit extrem hohen Glukosemengen zurückführte. Vielleicht die
größte wissenschaftliche epidemiologische Tat von Hellmut Mehnert war die
Durchführung der Diabetesfrüherfassungsaktion in München 1967/68 zusammen mit
der Bayerischen Landesärztekammer, bei der annähernd 800 000 Menschen auf
Diabetes untersucht und 7 000 Diabetiker neu entdeckt wurden. Die damalige
Diabetikerzahl betrug damit nicht, wie man vorher annahm, 2 Prozent, sondern 3
Prozent der Bevölkerung, während sie jetzt ja bereits an die 10 Prozent
beträgt. Untersuchungen zum Thiaziddiabetes wurden von Hellmut Mehnert und
seinem späteren Amtsnachfolger Prof. Dr. med. Eberhard Standl schon 1964
durchgeführt. 1968 gelang Hellmut Mehnert die Erstbeschreibung des
„Wohlstandssyndroms“, das 20 Jahre später als metabolisches Syndrom oder Syndrom
X neu beschrieben und ausführlicher dargestellt wurde. Die klinische Prüfung
der ersten Insulinpumpen fand an der Schwabinger Klinik im Jahr 1969 statt, die
weltweit erste Implantation einer Insulinpumpe mit intravenösem Katheter im
Jahr 1978.
Hellmut Mehnerts Hauptarbeitsgebiete
waren die Diabetologie, die Ernährungskrankheiten und andere
Stoffwechselleiden. Für seine Leistungen wurde er mit der Ernst-von-Bergmann-Plakette
der Bundesärztekammer, der Gerhard-Katsch-Medaille der Deutschen Diabetes-Gesellschaft
e. V., dem Paul-Langerhans-Preis, der höchsten Auszeichnung der Deutschen
Diabetes-Gesellschaft e. V., dem Jülich-Preis des Düsseldorfer
Diabetesforschungsinstituts, dem Ehrenzeichen der Bayerischen Internisten, dem
Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, dem Bayerischen Verdienstorden und der
Medaille „München leuchtet“ in Gold ausgezeichnet.
Das besonders Bemerkenswerte an der
Fülle der Arbeiten und Erfolge, die die Tätigkeit Hellmut Mehnerts mit sich
brachte, ist vor allem darin zu sehen, dass er - bekannt für seine klare
Diktion - niemals verletzend oder polemisch agierte und dass er seine
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch sein persönliches Beispiel beim Einsatz
für Patienten und Kollegen zu überzeugen vermochte. Intrigen gab es an der
Mehnert’schen Klinik und im Mehnert’schen Institut nicht, eine Auffassung vom
Beruf und dem Miteinanderleben der Berufskollegen, wie er sie von seinen Chefs
Walter Seitz und Elliott Proctor Joslin gelernt hatte. Bekannt und gefürchtet
war Hellmut Mehnert für seine Pünktlichkeit, aber auch Zuverlässigkeit in der
Bewältigung
übertragener Aufgaben.
Hellmut Mehnert hat sich durch seinen
unermüdlichen Einsatz und seine vorbildliche Haltung als Arzt, Wissenschaftler,
Forscher und Hochschullehrer, als Ärztlicher Direktor, wissenschaftlicher Autor
und als Pionier, insbesondere auf dem Gebiet der Diabetologie, sowie als
Politikberater und aktiver Berufspolitiker um die ärztliche Versorgung der
Patienten, die ärztliche Fort- und Weiterbildung, die Wissenschaft, die Innere
Medizin, die Gesundheitspolitik der Ärzteschaft und die Selbstverwaltung in der
Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.
106. Deutscher Ärztetag in Köln, 20.
Mai 2003, Vorstand der Bundesärztekammer, Präsident
(Beifall)
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