Die mit
den „Richtlinien zum Gentransfer in menschliche Körperzellen“ 1995
eingerichtete Kommission Somatische Gentherapie hat in Abstimmung mit dem
Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen ein Regelungskonzept für
klinische Studienvorhaben unter Verwendung von Gentransfer-Arzneimitteln
etabliert. Kernaufgabe der Kommission ist die fachlich-inhaltliche Begutachtung
dieser Studien, die der zuständigen lokalen Ethikkommission als
Beratungsgrundlage für ihr nach dem Arzneimittelgesetz erforderliches Votum zur
Verfügung gestellt wird.
Im Jahr
2002 wurden 14 Anträge bzw. Amendments zur Begutachtung bei der Kommission
vorgelegt. Von diesen wurden 5 befürwortet und eines abgelehnt. 6
Antragstellern wurden die Bedenken der Kommission im Sinne eines Zwischenvotums
mit der Bitte um Überarbeitung des Studienprotokolls mitgeteilt.
Ein
laufendes Beurteilungsverfahren aus dem Vorjahr konnte mit einem positiven
Votum abgeschlossen werden; in zwei weiteren Fällen aus dem Jahr 2001 wurde ein
Zwischenvotum erstellt. Zusätzlich hat die Kommission eine Forschergruppe im
Vorfeld der Antragsstellung ausführlich beraten.
Die Charakteristika der im Jahr 2002
eingereichten Anträge sind in der Tabelle zusammengefasst.
Unterbrechung
klinischer Prüfungen unter Verwendung lebender, retroviral modifizierter Zellen
Die
Arbeit der Kommission war im Jahr 2002 maßgeblich bestimmt durch zwei schwere
Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen, die im Rahmen einer
französischen Gentherapiestudie zur Behandlung von Kindern, die an der
erblichen Immunschwäche-Krankheit SCID-X1 (Typ X1 der „Severe Combined
immunodeficiency Disease“) leiden. Innerhalb eines halben Jahres wurde im
Rahmen dieser Studie über Leukämiefälle bzw. leukämie-ähnliche Erkrankungen bei
zwei der behandelten Kindern berichtet. Zuvor war in der Literatur aufgrund
neuerer tierexperimentelle Ergebnisse ein tumorigenes Potential für ein
bestimmtes Markergen postuliert worden. Die Bewertung der experimentellen und
klinischen Daten sowie die Konsequenzen hieraus auf in Deutschland laufende
Studien mit retroviral modifizierten lebenden Zellen wurden in enger Abstimmung
mit dem Paul- Ehrlich Institut jeweils zeitnah erörtert. Am 17.09.2002 wurde hierzu eine Anhörung und ein Erfahrungsaustausch unter
Teilnahme internationaler Experten durchgeführt. Im Ergebnis wurden
Empfehlungen an die zuständigen lokalen Ethikkommissionen zur temporären
Aussetzung der positiven Voten zu allen Studien unter Verwendung lebender,
retroviral modifizierter Zellen ausgesprochen. Nur zwei dieser Studien wurden
nach weiteren Beratungen zur Nutzen-Risiko-Analyse zur Weiterführung nach
Prüfplanänderung bzw. Modifikation der Patienteninformationen empfohlen; über
eine Studie ist nach Protokolländerung erneut zu beraten; zwei neu eingereichte
Protokolle werden im üblichen Verfahren beurteilt werden. Maßgebend für die
Voten der Kommission war das Schutzinteresse der behandelten Patienten vor noch
nicht abschließend beurteilbaren Risiken.
Die
Öffentlichkeit wurde in insgesamt vier gemeinsam mit dem Paul-Ehrlich-Institut
herausgegeben Mitteilungen (http://www.ksg.baek.de und http://www.pei.de) über
die jeweiligen Ereignisse und Konsequenzen für die Gentherapiestudien in Deutschland
informiert. Die Zusammenarbeit mit den lokalen Ethikkommissionen funktionierte
vorbildlich.
Prüfkriterienkatalog zur
Standardisierung der Antragsstellung
Um eine
Standardisierung der Antragsstellung bei der Kommission zu erreichen, hat eine
Arbeitsgruppe der Kommission einen ausführlichen Prüfkriterienkatalog erstellt.
Dieser Katalog ist im Internet (http://www.ksg.baek.de) verfügbar, damit sich
insbesondere die Antragsteller bei der Ausarbeitung ihrer Studienprotokolle
frühzeitig über die gestellten Anforderungen orientieren können. Zugleich soll
durch die Offenlegung der Beurteilungskriterien auch die Transparenz der
Antragsbegutachtung durch die Kommission für die gesamte Fachöffentlichkeit
erhöht werden.
GCP-Richtlinie 2001/20/EG vom
04.04.2001
Die
Umsetzung der „Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von
klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln“ in deutsches Recht war Gegenstand
mehrerer Beratungen. Dieser Prozess wird weiterhin intensiv zu begleiten sein,
um auch zukünftig ein angemessenes Begutachtungssystem zum Schutz der Patienten
vor spezifischen Risiken bei Studien mit Gentransfer sicherzustellen.
Gentransferstudien-Register
Die
in Deutschland durchgeführten klinischen Studien mit Gentransfer
werden über ein zentrales Register am Koordinierungszentrum für
Klinische Studien (KKS) in Freiburg – dem Deutschen Register für
Somatische Gentransferstudien (DeReG) – dokumentiert und evaluiert.
Das KKS kooperiert hierzu mit der Kommission Somatische Gentherapie
und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Gentherapie (DAG-GT e.V.).
Nach Ablauf der Konkretisierungsphase hat das BMBF im vergangenen
Jahr den Antrag auf Weiterführung des Forschungsprojektes, das dem
Aufbau des DeReG dient, positiv beschieden. Ein Ziel des Registers
ist es, durch Bereitstellung von Informationen über abgeschlossene
und laufende Studien Studienleiter bei der Planung und Durchführung
von klinischen Studien zu unterstützen. Zwischenzeitlich wurde eine
Internetseite eingerichtet, auf der auch in allgemeinverständlicher
Form über Gentransferstudien berichtet wird sowie aggregierte Daten
zu den in Deutschland durchgeführten Studien aufgeführt sind (http://www.zks.uni-freiburg.de/dereg.html).
Derzeit wird eine benutzerfreundliche Oberfläche erstellt, die Patienten,
Wissenschaftlern, interessierten Laien und Medienvertretern zur
Verfügung stehen soll.



Abb.: Übersicht
der Antragsteller, Zentren, beteiligte Mitantragsteller und Beratungsergebnisse
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