Gegenstand
des in positiver und konstruktiver Atmosphäre stattgefundenen Gespräches mit
der Ministerin für Bildung und Forschung Edelgard Bulmahn und der
Bundesärztekammer am 9. Januar 2002 war die Förderung von Ärztinnen in
Forschung und Lehre. Am Ministergespräch nahmen Frau Ministerin Bulmahn, ihre
persönliche Referentin Frau Hinrichs sowie die Leiterin des Frauenreferats,
Frau Hadulla-Kuhlmann sowie von Seiten der Bundesärztekammer Frau Dr. Bühren
und Frau Dr. Schoeller teil.
Frau Dr.
Bühren nahm dieses Gespräch als Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer
stellvertretend für 147.000 Ärztinnen wahr. Sie legte dar, dass in
Universitäten der Studentinnenanteil im Fachgebiet Humanmedizin 50 %, aber der
Anteil am Hochschulpersonal 27 % beträgt. Nach wie vor sind die einflussreichen
Positionen in den Universitäten mit über 95 % von Männern besetzt. Die
Datenlage legt den Schluss nahe, dass Benachteiligung von Frauen spätestens
dann sichtbar greift, wenn es um höhere Positionen geht. Frau Dr. Bühren wies
darauf hin, dass Ärztinnen deshalb besonders der Förderung bedürfen, weil sich
ihr berufliches Umfeld von dem anderer Wissenschaftlerinnen wesentlich
unterscheidet: Ärztinnen haben neben ihrer Tätigkeit in Forschung und Lehre
auch die Patientinnen- und Patientenversorgung in der Klinik zu bewältigen.
Dies bedeutet, dass anfallende Nacht- und Wochenenddienste auch im Hinblick auf
Organisation der Kinderbetreuung immer noch speziell an Ärztinnen zusätzliche
Anforderungen stellen.
Um
nachhaltig den Ärztinnenanteil in Führungspositionen in Forschung und Lehre zu
erhöhen, bedarf es der Verbesserung der politischen und gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang wurde von Frau Dr. Bühren begrüßt:
- dass sich das Programm des Forschungsministeriums „Chancengleichheit von Frauen
in Forschung und Lehre“ zum Ziel gibt, bis zum Jahr 2005 den
Professorinnenanteil auf 20 % zu erhöhen,
- dass die Ministerin Forschungsgelder nur komplett vergibt,wenn sich die
Universitäten aktiv für Chancengleichheit von Frauen einsetzen. Wenn dies nicht
erfüllt wird, werden 25 % der Forschungsgelder einbehalten,
- dass Promotions- und Habilitationsstipendien für Wissenschaftlerinnen
ab dem Jahr 2000 für weitere zehn Jahre gewährt sind,
- dass das Ministerium ein Projekt Prädikat TOTAL E-QUALITY
Science Award fördert, das einen Qualitätsvergleich von Maßnahmen zur
Durchsetzung von Chancengleichheit an Hochschulen und Forschungseinrichtungen
durchführt.
Die
Forderung von Frau Dr. Bühren an das Ministerium, Gelder für Ursachenforschung
und Aufklärungsbroschüren für junge Wissenschaftlerinnen bereitzustellen, wurde
von der Ministerin positiv aufgenommen. Ebenso die Bitte um Fortführung der
Mentoring- und Coaching-Programme für potenzielle Chefärztinnen und
Lehrstuhlinhaberinnen.
Frau Dr.
Bühren wies darauf hin, dass ein neues Vergütungssystem nach dem australischen
DRG adaptiert an deutsche Verhältnisse in Kliniken zukünftig eingeführt wird.
In den Kalkulationen sind nicht die Kosten für Kindertagesstätten eingerechnet,
so dass zunehmend selbst die noch zu seltenen Kinderbetreuungseinrichtungen an
den Kliniken geschlossen werden müssen. Dies wäre jedoch eine zusätzliche große
Härte für viele Ärztinnen. Damit Wissenschaftlerinnen wirkungsvoll unterstützt
werden können, ist mit Nachdruck zu fordern, dass große Anstrengungen
unternommen werden müssen, um eine gute Infrastruktur an Kinderhorten und
Ganztagsschulen in Deutschland aufzubauen.
Aktuelle
Zahlen zeigen, dass in den nächsten Jahren aus Altersgründen mehr
Ärztinnen/Ärzte aus der beruflichen Tätigkeit ausscheiden als Nachwuchs zur
Verfügung steht. Dem Ärztemangel kann wirksam begegnet werden, indem bereits
bestehende Ressourcen mobilisiert werden. Beispielsweise stehen viele Ärztinnen
während und nach der Erziehungszeit dem deutschen Arbeitsmarkt nicht mehr zur
Verfügung, ebenso nicht diejenigen Ärztinnen/Ärzte, die ins Ausland oder in
andere Berufsfelder abgewandert sind. Der Beruf muss für diese Personengruppen
attraktiver gemacht werden. So können viele Ärztinnen wieder ins Berufsleben
integriert werden, wenn die Krankenhäuser familienfreundlicher ausgerichtet
sind, indem sie z. B. Teilzeitstellen schaffen und/oder Kindertagesstätten an
den Kliniken auch für das ärztliche Personal vorhalten. Einige private
Rehabilitationskliniken bieten dies bereits verstärkt an.
Frau
Ministerin Bulmahn stellte in Aussicht, sich mit Gesundheitsministerin Ulla
Schmidt über die Verwirklichung des Gender Mainstreaming an Hochschulen und
Kliniken abzustimmen. Ferner beabsichtigt sie demnächst eine Arbeitsgruppe des
Forschungsministeriums zu bilden, die sich speziell mit den besonderen Belangen
von Ärztinnen befasst; dabei beabsichtigt sie, für diese Arbeit den ärztlichen
Sachverstand der Bundesärztekammer in Anspruch zu nehmen.
Frau
Dr. Bühren berichtete, dass die Förderung von Ärztinnen in Klinik, Praxis und
Forschung auch ein großes Anliegen der Ärzteschaft ist. So ist das
Beratungsthema „Ärztinnen: Zukunftsperspektive für die Medizin“ auf dem 105.
Deutschen Ärztetag 2002 in Rostock vorgesehen. Das Vorhaben wurde von Frau
Ministerin Bulmahn nicht nur ausdrücklich begrüßt, sondern sie konnte auch
gewonnen werden, auf dem Deutschen Ärztetag ein Referat zu halten. Darüber
hinaus konnte die Ministerin durch das gemeinsame Gespräch im Hinblick auf die
spezifische Situation von Ärztinnen so sensibilisiert werden, dass sie in der
folgenden Sitzung der Bund-Länder-Kommission einen Forschungsbericht über
Belange von Ärztinnen initiierte. Die Bund-Länder-Kommission beauftragte das
Kompetenzzentrum für Frauen in Wissenschaft und Forschung, Center of Excellence
Women and Science (CEWS) im Herbst 2002,diesen Bericht
zu erstellen. Das CEWS hat bereits
Kontakt zu der Vorsitzenden der Ärztinnen-Gremien, Frau Dr. Astrid Bühren,
aufgenommen.
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