Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts beim Bundesministerium der Justiz

Durch Publikationen erfuhr die Bundesärztekammer, dass die Bundesministerin für Justiz, Frau Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, am 30.05.2001 eine Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechtes eingesetzt hat. Diese Kommission soll Vorschläge erarbeiten, die es dem Gesetzgeber erlauben, das Versicherungsvertragsrecht in seinen allgemeinen Bestimmungen, wie auch das Vertragsrecht der einzelnen Versicherungszweige unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Rechtsprechung und der Vertragspraxis zeitgemäß und übersichtlich zu gestalten. Die Ergebnisse, die in einem Zwischenbericht am 30.05.2002 vorgelegt worden sind, sollen in spätere Gesetzesvorschläge münden. Die Kommission hat u. a. Reformbedarf in der privaten Krankenversicherung identifiziert und ist dabei in Übereinstimmung mit dem 1996 vorgelegten Gutachten der „Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik steigender Beiträge der Privatkrankenversicherten im Alter“ zum Ergebnis gekommen, „dass das Leitbild der privaten Krankenversicherung zukunftsbezogen nicht nur auf die reine Kostenerstattung begrenzt werden kann, sondern den Rahmen eröffnen muss, auch neue Formen und Methoden zur wirksamen Kostensteuerung bei gleichzeitigem Erhalt bzw. Steigerung der medizinischen Behandlungsqualität zu ermöglichen“. Die Vorschläge zum Leistungsmanagement und zu Managed-Care-Maßnahmen durch private Krankenversicherungsträger sind neben solchen zur Unterstützung des Versicherten bei der Durchsetzung von Ansprüchen auch die unmittelbare Abrechnung der Leistungen mit den Leistungserbringern, die Beratung über medizinische Leistungen, über Leistungsanbieter und die Erbringung medizinischer oder sonstiger Gesundheitsleistungen durch den Versicherer oder durch von ihm beauftragte Gesundheitsdienstleister (Naturalleistung).

Zu den Vorschlägen der so genannten „Unabhängigen Expertenkommission“ im Jahre 1996 hatte die Bundesärztekammer ausführlich Stellung genommen. Die Ausführungen in der damaligen Stellungnahme der Bundesärztekammer zur Aufnahme vertraglicher Beziehungen zu Leistungserbringern sind nachstehend aufgeführt, weil sie auch gegen die Vorschläge dieser Kommission angeführt werden müssen:

„Der Aufnahme vertraglicher Beziehungen mit Leistungserbringern stehen die individuellen Vertragsverhältnisse zwischen der privaten Krankenversicherung und ihrem jeweiligen Versicherten einerseits, sowie zwischen Patient und Arzt andererseits entgegen. Unter Berücksichtigung ihrer tariflichen Gestaltungsfreiheit sollten Rechtsbeziehungen der PKV auf das Vertragsverhältnis zum Versicherten begrenzt bleiben.

Welche Erwartungen die PKV an die Schaffung einer gesetzlich begründeten Vertragskompetenz knüpft, ist bislang nur insoweit erkennbar, als sie Verträge außerhalb der GOÄ mit dem Ziel der Kostenreduzierung abschließen will. Dies könnte sie auch ohne gesetzliche Ermächtigung tun, müsste dann aber die volle Verantwortung für die damit zwangsläufig verbundene Einschränkung der freien Arztwahl übernehmen, was sie offensichtlich scheut. Ein schlüssiges Konzept für derartige Verträge liegt nicht vor. Dem Vorschlag der Kommission, die PKV möge ihr Tarifangebot um die in den USA bestehenden Managed-Care-Modelle ergänzen, sind die bisherigen negativen Erfahrungen – auch hinsichtlich der Kostendämpfung – entgegenzuhalten. Die Erwartungen hinsichtlich der Kostendämpfung durch solche Versorgungsstrukturen haben sich nicht erfüllt, da lediglich Kostenverlagerungen von der medizinischen Versorgung der Versicherten auf die enorm wachsenden Verwaltungskosten für das Management des Systems stattgefunden haben. Hinzu kommt, dass derartige Versorgungsstrukturen dem in der Bundesrepublik Deutschland traditionell verankerten System der freien Arztwahl – gerade auch als einem besonderen Merkmal der privatärztlichen Versorgung – entgegenstehen.“

Die geplante Öffnungsklausel soll nicht nur von der GOÄ abweichende Vergütungen, sondern auch Direktverträge zwischen privaten Krankenversicherern und Ärzten ermöglichen mit dem Ziel, Disease-Management-Programme mit Steuerung des Leistungsgeschehens zu vereinbaren. Damit würden HMO-ähnliche Strukturen wie in den USA entstehen mit den dort erkannten negativen Auswirkungen auf die Versorgung (Eingriffe in die ärztliche Behandlung und damit Beseitigung der Therapiefreiheit des Arztes, Dominanz der Ökonomie über die Medizin, Standardisierung der Versorgung, Wegfall der freien Arztwahl des Patienten, Kontrolle und Gängelung von Arzt und Patient, Vorgabe von Qualitätskriterien aus Sicht der Versicherung). Damit würde ein „Einkaufsmodell“ der privaten Krankenversicherung mit einseitigem Honorarangebot an Ärzte eingeführt und die bisher bestehenden getrennten Rechtsverhältnisse zwischen Patient und Arzt einerseits und Versicherung/ Versichertem andererseits vermengt sowie tendenziell eine Richtungsänderung für alle Beteiligten vom Kostenerstattungs- zum Sachleistungssystem vorgenommen. Private Krankenversicherer sehen im Disease-Management bzw. im Managed-Care in erster Linie eine Möglichkeit der Kostenkontrolle, bewerten dies jedoch als Qualitätssicherungsinstrument. Die Kosten, die bei der medizinischen Versorgung eingespart werden, werden für Verwaltung, Steuerung und den hierfür erforderlichen Personaleinsatz benötigt.

Der Präsident der Bundesärztekammer wandte sich mit Schreiben vom 02.12.2002 an die Nachfolgerin im Amt, Frau Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz, und forderte, dass die Ärzteschaft als wesentlich Betroffene der Auswirkungen der erarbeitenden Vorschläge der Kommission in die Beratungen einbezogen wird. Daraufhin wurde die Bundesärztekammer zu einer Anhörung der Kommission am 06.02.2003 eingeladen. Die erste Anhörung ohne Vertretung der Ärzteschaft fand am 02.12.2002 in Würzburg zu allgemeinen versicherungsvertragsrechtlichen Fragen statt. Die Anhörung vom 6. Februar 2003 befasste sich mit Themen zu den Ziffern 15 – 17 des Zwischenberichtes, nämlich Fragen der Lebensversicherung, der Berufsunfähigkeitsversicherung und der privaten Krankenversicherung. Die Bundesärztekammer nahm kritisch, insbesondere zu den geplanten Managed-Care-Maßnahmen für die private Krankenversicherung Stellung.

Dabei wurde differenziert zwischen Maßnahmen des Leistungsmanagements – insbesondere der Honorarprüfung, die seit jeher zum notwendigen und akzeptierten Instrumentarium der privaten Krankenversicherung zählt – und zum Managed-Care-Instrumentarium im Sinne einer Steuerung bzw. von Eingriffen der privaten Krankenversicherung in das Leistungsgeschehen. Letzteres wurde seitens der Bundesärztekammer abgelehnt, da damit Weichenstellungen erfolgen, die in anderen Ländern – z. B. USA, Schweiz – zu Fehlentwicklungen geführt haben oder diese begünstigen. Die Sicht der Bundesärztekammer zu den Vorschlägen der Kommission wurde in einem Artikel im Deutschen Ärzteblatt, Heft 1-2, 06.01.2003,Ausgabe A, S. 9-10, – „Schöne neue (Krankenkassen-) Welt“ – veröffentlicht.

© 2003, Bundesärztekammer.