In
der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V. (ABV)
wirken die bestehenden 80 Versorgungswerke der Angehörigen der klassischen
verkammerten Freien Berufe, das sind Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare,
Rechtsanwälte, Steuerberater bzw. Steuerbevollmächtigten, Tierärzte,
Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer sowie Zahnärzte zusammen. Alle in
Deutschland bestehenden Versorgungswerke für Ärzte sind Mitglied der ABV, sie
hatten 1978 wesentlich zur Gründung der ABV beigetragen. Ziel des
Zusammenschlusses der Versorgungswerke in der ABV ist eine wirksame
Interessenvertretung gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit und die
Information der Versorgungswerke über politische Entwicklungen und Tendenzen.
Die ABV hat es in den jetzt 24 Jahren ihres Bestehens geschafft, Beachtung und
Gehör in allen Grundsatzfragen der Alterssicherung zu finden. Das gilt nicht
nur national, sondern auch auf europäischer Ebene.
Die gemeinsame
Interessenvertretung der Versorgungswerke ist notwendig, weil immer wieder dem
Vorwurf begegnet werden muss, die Freien Berufe entzögen sich über die
Versorgungswerke der Solidarität in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Festzustellen ist hierzu, dass die Ärzteschaft, wie die anderen Freien Berufe,
die Versorgungswerke wesentlich nach der Adenauerschen Rentenreform des Jahres
1957 aufgebaut hat, als klar war, dass der Staat die Freiberufler und
Selbstständigen aus der Rentenversicherung ausschloss. Konsequenz dieses
Ausschlusses war die Schaffung des Befreiungsrechts, damals des § 7 Abs. 2
Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), heute § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Sozialgesetzbuch (SGB VI) in dem der Staat unterstrich, dass die Freien Berufe
ihre Altersvorsorge selbst organisieren sollten. An dieser Grundentscheidung
hatte der Gesetzgeber über alle Rentenreformen der vergangenen Jahrzehnte
unverändert festgehalten.
Im Rahmen
der 22. Mitgliederversammlung der ABV am 18. November 2000 in Stuttgart fanden
satzungsgemäß Neuwahlen zu den ABV Gremien statt. Der langjährige Vorsitzende
Prof. Dr. med. Rolf Bialas (Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg) erklärte,
dass er für eine weitere Wahlperiode aus Altersgründen nicht zur Verfügung
stehen wolle. Die Mitgliederversammlung wählte zum Nachfolger von Prof. Dr.
med. Rolf Bialas den Hannoveraner Rechtsanwalt Dr. Ulrich Kirchhoff
(Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen) zum Vorsitzenden. Die ärztlichen
Versorgungswerke werden im Vorstand der ABV vertreten durch:
– Dr. Manfred Halm (Sächsische Ärzteversorgung)
– Rudolf Henke (Nordrheinische Ärzteversorgung)
– Dr. med. Walter Kudernatsch (Ärzteversorgung Sachsen-Anhalt)
– Prof. Dr. med. Detlef Kunze
(Bayerische Ärzteversorgung)
Darüber
hinaus sind im Vorstand vertreten je zwei Vertreter der Versorgungswerke der
Apotheker, der Zahnärzte, der Architekten und Rechtsanwälte sowie je ein
Vertreter der Versorgungswerke für Notare, Tierärzte und Steuerberater sowie
Wirtschaftprüfer.
Die
aktuelle Situation der ärztlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung
spiegelt das Referat, das der Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, RA
Dr. Ulrich Kirchhoff, anlässlich der 24. Mitgliederversammlung der ABV in
Frankfurt/Main gehaten hat, wider, dass wir nachfolgend – in gekürzter Fassung
– dokumentieren:
„Auf
Bundesebene ist für uns das neu zugeschnittene Sozialministerium zuständig, in
welchem die bisherige Gesundheitsministerin Frau Ulla Schmidt die zusätzliche
Verantwortung für die Rentenversicherung hinzugewonnen hat. Die ABV bietet ihr
konstruktive und sachliche Zusammenarbeit an. Frau Schmidt hat noch zu ihrer
Zeit als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag mit der
Zuständigkeit für die Sozialpolitik gegen nicht unbeträchtliche Widerstände in
ihrer eigenen Fraktion den Einstieg in die kapitalgedeckte Zusatzversorgung der
gesetzlichen Rentenversicherung durchgesetzt. In gleicher Eigenschaft hatte sie
an uns aus Anlass unseres 20-jährigen Jubiläums ein freundliches Grußwort
gerichtet. Sie erkennt darin an, dass wir einen charakteristischen
eigenständigen Weg zwischen den Systemen der freiwilligen Versorgung und der
gesetzlichen Sozialversicherung gehen und bedankte sich für den kritischen
Dialog mit uns.
Wir hoffen deshalb, dass wir in
dieser Ministerin in Rentenahngelegenheiten eine kompetente Ansprechpartnerin
ohne ideologische Scheuklappen haben.
Im
Berichtszeitraum haben wir in der Frühphase des Wahlkampfs noch zahlreiche
politische Gespräche geführt. In der heißen Endphase haben wir uns
zurückgehalten, um nicht von einzelnen politischen Persönlichkeiten oder
Gruppierungen instrumentalisiert zu werden. Die Vorsicht war begründet, wie ein
Schreiben des Bundesvorsitzenden der FDP zeigt, in welchem er gegenüber
zahlreichen Rechtsanwälten behauptete, in der CDU gäbe es sozialpolitische
Neigungen der Auflösung der Versorgungswerke und der Übertragung ihres
Vermögens auf die Rentenversicherung. Prompt versicherten uns die CDU und der
CSU-Parteivorsitzende sowie der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende und die sozialpolitischen
Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion das Gegenteil. Auch die SPD hat als
Antwort auf so genannte „Wahlprüfsteine“ der Bundesrechtsanwalts- und der
Bundeszahnärztekammer die Frage, ob die SPD eine Abschaffung der
Versorgungswerke plane mit einem klaren Nein geantwortet. Selbst das Bündnis
90/Die Grünen hat erklärt, den Bestand der
Versorgungswerke nicht antasten zu wollen, wenn auch mit der Einschränkung,
dass längerfristig die Einführung von umfassenden Bürgerversicherungen nicht
auszuschließen sei. Die Erweiterung des versicherungspflichtigen
Personenkreises in der gesetzlichen Rentenversicherung war auch wieder „grünes
Rezept“ in den Koalitionsgesprächen. Die neue Fraktionsvorsitzende der Grünen
im Bundestag, Krista Sager, hat auch noch nach dem „Kompromiss“ über die
Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, des Beitragssatzes und der Absenkung
der Schwankungsreserve unverdrossen an
diesem Ziel festgehalten.
Rentenpolitische
Aussagen im Koalitionsvertrag
Der
Koalitionsvertrag enthält zur gesetzlichen Rentenversicherung relativ wenig
Aussagen. Danach ist eine Strukturreform mit Auswirkungen möglicherweise auch
auf unser System für die neue Legislaturperiode wahrscheinlich. Die
Regierungskoalition hat bereits die Einsetzung einer der „Hartzkommission“
vergleichbaren Expertenkommission für Renten und Gesundheitsreformen angekündigt. Auch werden
sich aus einzelnen, schon feststehenden Reformvorhaben uns betreffende
Veränderungen ergeben.
Wenn
das jetzt bekannt gewordene Arbeitsprogramm der von den Grünen geforderten
neuen Rentenkommission unter dem Stichwort „Vorschläge für die Verbreiterung
der Finanzierungsbasis“ zu einer Bedrohung unseres Systems werden sollte, weil
man unsere Mitglieder in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen will, dann
müssten sich alle, die dies wollen, auf unseren erbitterten Widerstand
einstellen. Wir werden unsere Versorgungswerke mit allen uns zu Gebote
stehenden Mitteln verteidigen, gegebenenfalls bis vor die Schranken des
Bundesverfassungsgerichts.
Neuordnung
der Besteuerung der Altersvorsorge
Ein
zentrales Projekt ist die Neuordnung der Besteuerung von Altersvorsorge.
Bekanntlich hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet,
spätestens mit Wirkung zum 01.01.2005 eine Neuordnung der steuerlichen
Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen zu treffen. Dabei
ist der verfassungsrechtliche Gesichtspunkt zu beachten, dass nur der
erstmalige Zufluss von Einkommen besteuert werden darf, nicht aber Umschichtung
oder Konsum bereits vorhandenen Vermögens. Eine von der Bundesregierung
eingesetzte Expertenkommission unter dem Vorsitz des uns noch als Festredner
vor drei Jahren wohl bekannten Prof. Dr. Rürup wird dem Gesetzgeber die so
genannte nachgelagerte Besteuerung vorschlagen, die dann auch für unser System
gelten soll. Dies bedeutet für die Zukunft möglicherweise den Abzug von
Altersvorsorgeaufwendungen vom steuerpflichtigen Einkommen, dafür aber eine
volle Versteuerung der späteren Versorgungsbezüge. Damit werden sich sowohl
unsere angestellten als auch die selbstständigen Mitglieder abfinden können.
Allerdings müssen für die Übergangszeit Besonderheiten unseres Systems
berücksichtigt werden. Wir werten es als bedeutenden Erfolg unserer Arbeit,
dass die ABV in einem frühen Stadium in die Beratungen der
Sachverständigenkommission einbezogen wurde. Wir haben darauf aufmerksam
gemacht, dass speziell für längere Übergangszeiten berücksichtigt werden müsse,
dass die Mehrzahl unserer Mitglieder, zum Beispiel alle selbstständig tätigen
Kolleginnen und Kollegen, den größten Teil der Beiträge zur berufs-ständischen
Versorgung aus versteuertem Einkommen bestritten haben und deshalb erwarten,
dass bei den späteren Versorgungsbezügen höhere Steuerfreibeträge gewährt
werden als bei angestellten Mitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung,
die alle die Vorteile sowohl steuerfreier Bundeszuschüsse als auch steuerfreier
Arbeitgeberanteile genießen.
Kinderbezogene
Ermäßigung von Beiträgen zur Rentenversicherung
Der
Koalitionsvertrag erwähnt auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,
dass der Gesetzgeber bis Ende 2004 die Erziehung von Kindern bei der Bemessung
der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung berücksichtigen muss. Gleichzeitig
hat das Gericht aufgegeben, über kinderbezogene Beitragsermäßigungen auch in
anderen sozialen Sicherungssystemen nachzudenken. Es sollen deshalb bei der
Umsetzung dieses Urteils auch die Auswirkungen auf die Rentenversicherung
geprüft werden. Bekanntlich steht die gesetzliche Rentenversicherung auf dem
unseres Erachtens richtigen Standpunkt, dass sie den Familienlastenausgleich
auf der Leistungsseite erbringe. Für berufsständische Versorgungswerke wäre
eine kindbezogene Beitragsermäßigung besonders heikel, weil das Argument für
die sozialen Volksversicherungen bei uns nicht greift, dass die Kinder von
heute Beitragszahler von morgen seien, weil Kinder unserer Versicherten nicht
mit Wahrscheinlichkeit auch Mitglieder unserer Versorgungswerke sein werden.
Beiträge
für Kindererziehungszeiten
In
diesem Zusammenhang werden wir unsere altbekannte, in Mitgliederversammlungen
durchaus kontrovers diskutierte Forderung stellen, dass der Bund verpflichtet
werden muss, Beiträge auch für kindererziehende Mitglieder an die
berufsständischen Versorgungswerke zu zahlen, wie dies in der gesetzlichen
Rentenversicherung und in der Beamtenversorgung der Fall ist.
Zur
Unterstützung unserer Forderung der Finanzierungsverantwortung des Bundes für
die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der berufsständischen
Versorgung hat die ABV den Staatsrechtslehrer Prof. Dr. Dr. Schneider,
Hannover, um ein Rechtsgutachten gebeten. Prof. Schneider kommt in seinem
Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine Nichtberücksichtigung unserer
kindererziehenden Mitglieder bei der Zahlung von Bundesbeiträgen
verfassungswidrig wäre. Seines Erachtens können Mitglieder der Versorgungswerke
nach dem Rechtsstaatsprinzip darauf vertrauen, dass die staatliche Förderung
von Familien und berufstätigen Frauen nicht nur in allen anderen
öffentlich-rechtlichen Altersversorgungssystemen umgesetzt wird. Hinzu kommt, dass
die Kinder unserer Mitglieder als „generativer Beitrag“ zur Alterssicherung in
erster Linie der gesetzlichen Rentenversicherung zugute kommen, weil die
Mehrzahl dieser Kinder nicht wieder Mitglieder eines berufsständischen
Versorgungswerkes werden. Wir haben uns entschieden, dieses Gutachten vorerst
nicht zu veröffentlichen. Vielmehr möchten wir es in ein Verfahren vor dem
Bundesverfassungsgericht einbringen.
Enquête-Kommission
– „Demographischer Wandel“
Im
Frühjahr dieses Jahres hat die Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“ des
Deutschen Bundestages nach 12-jähriger Arbeit ihren Schlussbericht
„Demographischer Wandel – Herausforderungen unserer älter werdenden
Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik“ vorgelegt. Wir stellen mit
Genugtuung fest, dass die Kommission unsere Existenz als Teil des gegliederten
Systems anerkennt. Der Bericht ist mit Ausnahme der PDS von allen im Deutschen
Bundestag vertretenen Parteien verabschiedet worden und spricht sich klar für
einen Erhalt unseres Systems aus. Ich zitiere:
'Die
Freiberufler sind in berufsständischen Versorgungssystemen abgesichert. Zudem
weisen die berufsständischen Versorgungswerke eine höhere Effizienz als die
gesetzliche Rentenversicherung auf, und zwar ohne Inanspruchnahme von
Staatszuschüssen. Ein Aufgeben dieses gut funktionierenden Systems ist daher
ökonomisch nicht begründbar. Die Ansprüche und Anwartschaften der in den
Versorgungswerken Versicherten genießen zudem den Schutz des Art. 14 GG. Zudem
können sich die berufsständischen Versorgungswerke auf den Schutz des Art. 12
GG (Bestandsschutz eines eingerichteten Gewerbebetriebs) berufen; da erscheint
sogar eine Rentenversicherungspflicht der als Angestellte tätigen Freiberufler
problematisch.
Da
sich bei einem versicherungsmäßig organisierten Rentensystem jede Ausweitung
des Versichertenkreises zeitversetzt in ausgeweiteten Ansprüchen niederschlägt,
ist – zumal Freiberufler, Selbstständige und Beamte eine höhere ferne
Lebenserwartung als der gegenwärtige Versichertenbestand haben dürften – eine
Ausweitung des Versichertenkreises keine Antwort auf das demographische
Problem.'
Eine
Bestätigung unserer Position haben wir auch
in der wissenschaftlichen Ausarbeitung von Herrn Dr. Weidmann, dem
Generalsekretär des Sachverständigenrates zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, erfahren. Er kommt zu dem Ergebnis, dass
die Zunahme atypischer Erwerbsbiographien für die Forderung nach Einbeziehung
weiterer Personenkreise in die gesetzliche Rentenversicherung ungeeignet ist.
Eine Einbeziehung unserer Mitglieder in die Rentenversicherung sei ökonomisch
unvernünftig und rechtlich problematisch. Es fehlt ein soziales Schutzbedürfnis
der Betroffenen, das einen gesetzlichen Handlungsauftrag legitimieren könnte.
Gutachten
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
Wie
labil allerdings diese Diskussion ist, zeigt das jüngst veröffentlichte
Gutachten, das das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für die
Hans-Böckler-Stiftung des DGB vorgestellt hat. Das DIW spricht sich für eine
Ausweitung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf
die gesamte Bevölkerung aus. Darin wird auch die Einbeziehung der Freiberufler
in die gesetzliche Rentenversicherung sowie die Aufhebung der
Beitragsbemessungsgrenze und eine Kappung von Spitzenrenten durchgespielt. Vor
diesem Hintergrund kommt es weiterhin entscheidend auf die
verfassungsrechtliche Argumentation zur Verteidigung der Eigenständigkeit der
Versorgungswerke an.
Gutachtenauftrag
an Prof. Merten
Die
ABV hat daher einen weiteren Gutachterauftrag an Herrn Prof. Dr. Dr. Merten von
der deutschen Verwaltungshochschule Speyer vergeben, der sich insbesondere mit
der Anforderung der Verhältnismäßigkeit bei der Prüfung der
Verfassungskonformität einer Einbeziehung unserer Mitglieder in die gesetzliche
Rentenversicherung befasst hat. Wir sind froh, dass wir in Herrn Prof. Merten
einen renommierten Staats- und Sozialrechtswissenschaftler gewonnen haben, der
uns die verfassungsrechtlichen Grenzen einer Ausweitung der
Sozialversicherungspflicht aufzeigen wird. „
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