Stellungnahme der Bundesärztekammer gem. § 91 Abs. 5 SGB V über eine Änderung der
Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung (KHMe-RL): Enukleation und Ablation der Prostata mittels Thulium-Laser zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS),
der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (MVV-RL): Enukleation und Ablation der Prostata mittels Thulium-Laser zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS)
sowie gemäß § 91 Abs. 5 SGB V / Beteiligung gemäß § A137 abs. 1 Satz 3 SGB V über QS-Maßnahmen zur Enukleation und zur Ablation der Prostata mittels Thulium-Laser zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS), deren Beratungen für den Regelungsbereich nach § 137c SGB V ausgesetzt werden
15.04.2011
Die Bundesärztekammer wurde mit Schreiben vom 18.03.2011 durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aufgefordert, Stellungnahmen zur medizinischen Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS) mittels Thulium-Laser abzugeben. Die in Rede stehende Entscheidung, ob diese Methode Leistung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung sein darf, betrifft sowohl den vertragsärztlichen als auch den stationären Sektor und erfordert eine entsprechende Anpassung zweier Richtlinien des G-BA:
- für den vertragsärztlichen Bereich die „Methoden vertragsärztliche Versorgung (MVV-RL)“
- für den stationären Bereich die „Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung (KHMe-RL)“
Außerdem erfordert der mögliche Beschluss, die endgültige Entscheidung über Ablehnung oder Annahme des Verfahrens auszusetzen, die Festlegung von
- qualitätssichernden Maßnahmen zur Durchführung der Methode unter kontrollierten Bedingungen.
Die Bundesärztekammer wird sich in dieser Stellungnahme zu allen drei Punkten gemeinsam äußern, d. h. von der Abgabe dreier separater Stellungnahmen zum Thema BPS/Thulium-Laser absehen.
Der Antrag zur Beratung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V wurde von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am 27. September 2001, der Antrag zur Beratung im Rahmen der Krankenhausversorgung gemäß § 137 c Abs. 1 SGB V vom GKV-Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV) am 10. November 2009 eingereicht; der letztgenannte Antrag wurde am 21. Januar 2010 ergänzt.
Aus den Beratungen des Unterausschusses Methodenbewertung sind dissente Beschlussvorlagen hervorgegangen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Sowohl für die vertragsärztliche Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) als auch für die stationäre Versorgung (Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung) existiert ein als „Position A“ gekennzeichneter Beschlussentwurf, der
- die Ablation (TmLAP) und die Enukleation (TmLEP) der Prostata mittels Thulium-Laser als Therapiealternativen zur weithin etablierten transurethralen Resektion der Prostata (TURP), ihren Modifikationen (Vaporisation [TUVP], Vaporesektion [TUVRP]), der transurethralen Inzision (TUIP) und der insbesondere bei sehr ausgeprägter Prostatavergrößerung zum Einsatz kommenden Adenomenukleation (offene Operation) ansieht
- die Verfahren als „zum gegenwärtigen Zeitpunkt relativ junge, zugleich aber viel versprechende Therapiealternativen und somit relevante Innovationen“ eingeschätzt
- auf ein „methodenimmanent sehr viel geringeres Risiko“ für wichtige Komplikationen gegenüber einer Behandlung mit der Standardmethode hinweist, was den Einsatz dieser Verfahren insbesondere bei älteren oder multimorbiden Patienten begründen würde.
Mit Blick auf unterschiedliche Handhabung in Abhängigkeit von den Sektoren wird darauf verwiesen, dass derzeit noch keine abschließenden Aussagen bzgl. einer möglichen ambulanten Durchführbarkeit zu treffen seien und auf Grundlage des Behandlungskontextes der vorliegenden Studien derzeit von der Notwendigkeit einer stationären Anwendung auszugehen sei. Die vertragsärztliche Versorgung könne daher ausschließlich als belegärztliche Leistung im Rahmen einer Krankenhausbehandlung erbracht werden.
Dieser Einschätzung gegenüber steht ein als „Position B“ gekennzeichneter Beschlussentwurf, der eine Notwendigkeit für die Einführung der beiden Thulium-Laserverfahren TmLEP und TmLAP weder für die vertragsärztliche noch die stationäre Versorgung sieht. Hierzu wird begründend ausgeführt, dass für die Verfahren aus den derzeit vorliegenden Studienergebnissen kein Wirksamkeitsbeleg gegenüber Standard, Schein-Behandlung oder Nichtbehandlung und damit letztlich auch kein Nutzen zu ermitteln ist. Ein weitergehender, möglicherweise abschließender Erkenntnisgewinn sei auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.
Mit Blick auf die positive Einschätzung der „Position A“ bezüglich geringerer Nebenwirkungen wird in „Position B“ darauf verwiesen, dass das Vorhandensein eines günstigeren Nebenwirkungsprofils allein noch nicht zu einer positiven Nutzenbewertung führen könne. Um einen (Zusatz-)Nutzen gegenüber dem Therapiestandard zu belegen, müsse eine alternative Methode mit einem günstigeren Nebenwirkungsprofil entweder eine Gleichwertigkeit im Sinne einer Nicht-Unterlegenheit gegenüber dem derzeitigen Therapiestandard aufweisen oder aber zumindest einer Nichtbehandlung überlegen sein.
Sofern durch Beschlussfassung im G-BA die befristete Aussetzung der endgültigen Bewertung (Position A) in Kraft treten würde, wären, als flankierende Maßnahme gemäß der Verfahrensordnung des G-BA, Regelungen zur Qualitätssicherung zu treffen.
Die Bundesärztekammer nimmt zu den Beschlussentwürfen wie folgt Stellung:
Die Bundesärztekammer hatte sich bereits in ihrer Stellungnahme vom 19.10.2010 zugunsten eines breiteren Repertoires therapeutischer Optionen bei BPS mit einer der Standardmethode vergleichbaren oder annähernden Wirksamkeit und mit unterschiedlichen Nebenwirkungsprofilen ausgesprochen. Die Bundesärztekammer hatte dabei unter anderem für die Durchführung von Ablationen und Enukleationen der Prostata mittels Holmium-Laser plädiert (im vertragsärztlichen und stationären Bereich).
Allein angesichts der methodisch-technischen Vergleichbarkeit des Thulium- mit dem Holmium-Laserverfahrens empfiehlt die Bundesärztekammer die Ermöglichung der Behandlung mit Thulium-Lasern im vertragsärztlichen und im stationären Bereich (entsprechend „Position A“).
Überdies erscheint der Bundesärztekammer angesichts der plausiblen Hinweise auf ein besseres Nebenwirkungsspektrum die abschlägige Beurteilung gemäß „Position B“ nicht überzeugend. Das benigne Prostatasyndrom ist mit fortschreitendem Lebensalter durch hohe Prävalenz und Beeinträchtigung von Lebensqualität gekennzeichnet. Verbesserung bzw. Erhalt von Lebensqualität sollten dementsprechend auch bei der Auswahl einer Therapie im Fokus stehen. Die Fixierung auf das Fehlen eines formgerechten Nutzenbelegs sollte nicht den Blick auf das Potenzial einer nebenwirkungsärmeren Behandlungsalternative verstellen.
Zu den Maßnahmen der Qualitätssicherung hat die Bundesärztekammer keine Änderungshinweise.
Berlin, den 15.04.2011
Dr. med. Regina Klakow-Franck, M.A.
Leiterin Dezernate 3 u. 4
- Weitere Informationen zur Veröffentlichung des Gemeinsamen Bundesausschusses:
www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1404/
www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1405/
www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1320/