Ärztekammer: Menschen ohne Papiere brauchen Zugang zur Gesundheitsversorgung
Die Landesärztekammer Baden-Württemberg macht sich zum Tag der Menschenrechte (10. Dezember) dafür stark, dass Menschen ohne Krankenversicherung und ohne entsprechende Papiere („Papierlose“) schnellstmöglich landesweit Zugang zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung bekommen.
„Körperliche Unversehrtheit ist ein Menschenrecht, die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung ist eine der wichtigsten Aufgaben jedes Gemeinwesens “, betont Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg. „Ob und wie gut ein Mensch behandelt wird, darf weder vom Beruf noch vom sozialen Status und schon gar nicht von seinen Lebensverhältnissen abhängen. Das ist im ärztlichen Berufsethos fest verankert.“ Dr. Miller verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Genfer Gelöbnis und die ärztliche Berufsordnung.
In Deutschland besteht eigentlich eine Krankenversicherungspflicht; dennoch kann es vielfältige Gründe geben, ohne Krankenversicherung dazustehen: Migrantinnen und Migranten ohne Aufenthaltsstatus, Wohnungslose, Sexarbeitende oder Personen, die „aus der Bahn geworfen“ wurden und / oder ihre Versicherungsbeiträge nicht zahlen können: Alle diese Menschen können zur Gruppe der „Papierlosen“ gehören. Sie können sich gesundheitliche Behandlung nicht leisten oder werden durch Bürokratie behindert. Manche befürchten sogar – wenn sie das Gesundheitswesen beispielsweise im Notfall in Anspruch nehmen müssen – schwerwiegende Konsequenzen wie beispielsweise die Abschiebung.
Auf lokaler Ebene gibt es zivilgesellschaftliche Initiativen, die (eingeschränkte) ärztliche Behandlung unter Wahrung der Anonymität möglich machen oder gegebenenfalls weitervermitteln. Auch wird im Rahmen von Clearingstellen versucht, Betroffene in eine Krankenversicherung zu bringen oder behördliche Kostenübernahme zu erreichen. „Vielerorts werden solche Vermittlungs- und Behandlungsleistungen ehrenamtlich geleistet und sind spendenfinanziert“, weiß Dr. Robin Maitra, der Menschenrechtsbeauftragte der Landesärztekammer. „Unser großer Dank gilt allen vor Ort Engagierten, die den Menschen in Not sehr konkret helfen.“
Hintergrund
Die Landesärztekammer hat das Vorhaben der baden-württembergischen Landesregierung begrüßt, neun Modellprojekte für die anonyme Krankenbehandlung und zum Clearing für Menschen ohne Papiere mit erschwertem Zugang zum Gesundheitswesen mit 400.000 Euro zu fördern. Flankierend soll eine Evaluation erfolgen, um unter anderem den Beratungs- und Behandlungsbedarf zu ermitteln. „Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer besseren Versorgung“, lobt Dr. Maitra. „Wir sind froh, dass diese Patientengruppe die Aufmerksamkeit bekommt, die sie so dringend braucht.“
Allerdings gibt der Menschenrechtsbeauftragte zu bedenken, dass die Not der Betroffenen schon jetzt groß ist und jeden Tag wächst. Zudem braucht es statt lokaler Initiativen ein landesweit gültiges und sich an einheitlichen Qualitätsstandards orientierendes Konzept, wie die Behandlung papierloser Menschen flächendeckend gelingen und bei Inanspruchnahme vor Repressalien geschützt werden kann.
Die Kammer hat die Landesregierung daher erst kürzlich gebeten, weitere Finanzmittel bereitzustellen, um an der kurz- und langfristigen Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung zu arbeiten. Hierfür kann sie sich Erfahrungswerte aus anderen Bundesländern zunutze machen: In Thüringen, Berlin und Niedersachsen gibt es – auch hinsichtlich Finanzierung und Bedarfsplanung – evaluierte Projekte, aus denen wertvolle Erkenntnisse gewonnen und für eine zügige Verbesserung der Situation im eigenen Land genutzt werden können.
Kurzfristig könnten durch die Bereitstellung weiterer Gelder neue lokale Projekte auf den Weg gebracht oder bestehende Projekte gestärkt und weiterentwickelt werden. Langfristig geht es darum, landesweite, einheitlichen Qualitätsstandards folgende Strukturen aufzubauen, die den Menschen ohne Papiere flächendeckend und dauerhaft Zugang zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg sichern. Dies vor allem vor dem Hintergrund, Hilfsangebote verstetigen zu können.
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