Chancen und Risiken der Genom-Editierung sorgfältig abwägen
Berlin - Die Genom-Editierung eröffnet neue Behandlungsperspektiven für lebensbedrohlich erkrankte Patientinnen und Patienten. Mit den neuen technischen Verfahren lassen sich durch den gezielten Eingriff in das menschliche Genom beispielsweise krankheitsauslösende DNA-Sequenzen direkt erkennen und verändern. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer hat dazu im Auftrag des Vorstandes der Bundesärztekammer die Stellungnahme „Genom-Editierung: Perspektiven für die Humanmedizin“ erarbeitet.
„Mit der Genom-Editierung erhoffen sich Patienten und Ärzte die Linderung oder sogar Heilung schwerwiegender Erkrankungen. Diesen Hoffnungen steht aber die Sorge gegenüber, mit dem Eingriff könnten unvorhergesehene Nebenwirkungen einhergehen und ethische Grenzen überschritten werden“, sagt Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Kenntnisse über das Potenzial, aber auch die Grenzen und Risiken der Genom-Editierung und ihrer Anwendung werden demnach für Ärztinnen und Ärzte immer wichtiger.
Zum Hintergrund: Im Unterschied zur konventionellen Gentherapie (Genadditionstherapie) werden bei der Genom-Editierung Gene durch Designer-Nukleasen wie CRISPR/Cas an gewünschten Positionen eingefügt, ausgetauscht, deaktiviert und sogar die Gensequenz verändert. „Zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten oder Krebserkrankungen kann beispielsweise das gezielte Ausschalten von Genfunktionen mittels der Genom-Editierung sinnvoll sein“, betont Prof. Dr. Markus M. Nöthen vom Institut für Humangenetik an der Universität Bonn, unter dessen Federführung die Stellungnahme von einem interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitskreis des Wissenschaftlichen Beirats erstellt wurde.
Die Methoden der Genom-Editierung würden ständig verbessert und weiterentwickelt. „Es stehen auch immer mehr Daten für eine verlässliche Risikoabschätzung bei der Anwendung am Patienten zur Verfügung“, betont Nöthen. Schließlich aber bedürfe es vor jeder klinischen Anwendung einer sorgfältigen Chancen-Risiken-Abwägung. Für den breiten Einsatz in der klinischen Medizin ist die Genom-Editierung bislang noch nicht zugelassen. Doch verschiedene klinische Anwendungen befinden sich bereits in der Entwicklung.
Auch in der biomedizinischen Grundlagenforschung und in der Wirkstoffentwicklung kommen die Designer-Nukleasen zum Einsatz. Früher dauerten Entwicklungsprozesse mehrere Jahre, mit CRISPR/Cas lassen sich diese jetzt deutlich verkürzen. In der Arzneimittelentwicklung ermöglichen Designer-Nukleasen etwa die gezielte Erzeugung von neuartigen In-vitro-Zellkulturmodellen, mit denen sich Wirkstoffe im Hochdurchsatzverfahren überprüfen lassen. Nicht zuletzt in der personalisierten Medizin beziehungsweise der personalisierten Wirkstoffentwicklung sind solche Systeme bedeutsam.
Die Stellungnahme der Bundesärztekammer steht unter folgendem Link zur Verfügung: https://www.bundesaerztekammer.de/genom-editierung2021