Expertinnen und Experten diskutieren Bedeutung der Charta der schwerstkranken und sterbenden Menschen in Deutschland für die Gesundheitsfachberufe

Gesundheitsversorgung

Berlin - Welche Bedeutung hat die Charta der schwerstkranken und sterbenden Menschen in Deutschland für die Gesundheitsfachberufe? Wie wirkt sich die Debatte um den ärztlich assistierten Suizid auf die anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen aus? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich die 34. Konferenz der Fachberufe im Gesundheitswesen. Die Jahrestagung unter Vorsitz des Präsidenten der Sächsischen Landesärztekammer, Erik Bodendieck, fand am 08.04.2022 in Berlin statt.

„Als solidarische Gesellschaft sind wir verpflichtet, Schwerstkranken und Sterbenden ein Lebensende unter würdigen Bedingungen zu ermöglichen“, betonte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. In Anbetracht der steigenden Zahl schwerstkranker und pflegebedürftiger Menschen als Folge der demographischen Entwicklung stelle dies aber nicht nur eine Herausforderung für das Gesundheitssystem dar, sondern für die Gesellschaft insgesamt. „Allen Menschen in Lebenskrisen mit Suizidgedanken müssen fachgerechte Hilfen im Rahmen der Suizidprävention regelhaft und flächendeckend zur Verfügung stehen. Gleichzeitig müssen sowohl die Prävention und Verbesserung der Behandlung psychischer Erkrankungen als auch die palliative Versorgung weiter ausgebaut werden“, so Reinhardt. Dabei stellte er unmissverständlich fest, dass die Hilfe zur Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe sei.

Dr. Josef Mischo, Palliativbeauftragter der Bundesärztekammer, unterstrich die Notwendigkeit, die anderen Gesundheitsfachberufe mit in die Diskussion um den ärztlich assistierten Suizid einzubeziehen. „Eine offene Kommunikation aller beteiligten Professionen über den Umgang mit Todes- beziehungsweise Suizidwünschen von Patienten ist unerlässlich.“ Die Thematik müsse daher berufsübergreifend stärker als bisher erkannt und diskutiert werden, so Mischo weiter.

Dr. Sabine Pleschberger, Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin am Forschungsinstitut „Gesundheit Österreich“ in Wien, zeigte entlang von Studien aus Ländern, in denen assistierter Suizid und Tötung auf Verlangen bereits etablierte Praxis sind, mit welchen Ambivalenzen diese Erfahrungen für die Pflegeberufe verbunden sind. „Eine ethische Positionierung vieler Berufsgruppen ist wenig selbstverständlich, allen voran in der Pflege. Der Bedarf an Qualifizierung in diesem Bereich ist enorm“, so Pleschberger. „Den Gesundheitsberufen kommt eine besondere Verantwortung zu, ein Gegengewicht zu gesellschaftspolitischen Strömungen zu bilden, die zu einseitig an Selbstbestimmung und Autonomie ausgerichtet sind.“ Stattdessen gelte es zu verdeutlichen, dass Gesellschaft immer auch solidarisch in gegenseitiger Anerkennung und Sorge in allen Lebenslagen zu verstehen ist.

Heiner Melching, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, erklärte, dass die Relevanz der Charta der schwerstkranken und sterbenden Menschen in Deutschland auch von den Gesundheitsfachberufen vielfach noch unterschätzt werde. „Die aus der Charta resultierenden Handlungsempfehlungen können sehr konkret und praxisnah dabei unterstützen, die eigene Auseinandersetzung mit den Themen Sterben, Tod und Trauer zu befördern und darüber hinaus zu einem gesellschaftlichen Diskurs und zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung beitragen“, sagte Melching.

Die vom Vorstand der Bundesärztekammer im Jahr 1989 initiierte Konferenz der Fachberufe im Gesundheitswesen traf sich am 08.04.2022 zu ihrer 34. Sitzung. Ziel dieser ständigen Einrichtung von 42 Verbänden ist es, den Dialog und die interprofessionelle sowie sektorübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsfachberufen zu fördern sowie aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Berufsausübung zu beraten.

Podcast-Folge "In Würde sterben" von Sprechende Medizin