Gehle sieht Ärzteschaft im Konflikt zwischen medizinischer Überzeugung und ökonomischen Zwängen

Westfälischer Ärztetag in Münster: Perspektive Gesundheitsversorgung 2030
Westfalen-Lippe

„Der Beruf des Arztes wird zunehmend von außen kommerzialisiert, industrialisiert und bürokratisiert“, sagt der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), Dr. Hans-Albert Gehle, zur Eröffnung des Westfälischen Ärztetages in Münster unter dem Titel „Perspektive Gesundheitsversorgung 2030“. Dadurch gerieten Ärztinnen und Ärzte in einen Konflikt zwischen medizinischer Überzeugung und ökonomischen Zwängen. Unter diesen Rahmenbedingungen werde es immer schwerer, den eigentlichen Kern des Arztberufes umzusetzen, nämlich kranken Menschen zu helfen und Patienten zu versorgen, kritisiert Gehle.

Die Problemlage in der Gesundheitsversorgung ist nach Ansicht von Kammerpräsident Gehle vielfältig. Es gelte, den ärztlichen Nachwuchsmangel und Versorgungsengpässe insbesondere in der ländlichen hausärztlichen Versorgung zu bewältigen. Bereits jetzt seien hunderte Vertragsarztsitze im haus- wie auch im fachärztlichen Bereich unbesetzt, Praxisnachfolger insbesondere in ländlichen Bereichen kaum mehr zu finden. Auch Klinikstellen seien zunehmend unbesetzt. Gehle: „Die Versorgung der weiterhin alternden Gesellschaft in Deutschland ist ernsthaft in Gefahr. Wenn wir dies für die Zukunft verhindern wollen, müssen wir als ersten Schritt die Anzahl der Medizin-Studienplätze in Deutschland erhöhen.“ Seit 1992 sei deren Zahl in ganz Deutschland erheblich reduziert worden, kritisiert Gehle: „Wenn wir hier nicht gegensteuern, werden wir das gewohnte Niveau unserer medizinischen Versorgung nicht halten können.“

Auch die Digitalisierung könne dazu beitragen, die medizinische Versorgung auf weiterhin hohem Niveau beizubehalten. Bislang seien allerdings sinnvolle Anwendungen wie der Notfalldatensatz, die elektronische Patientenakte, elektronische Medikationspläne und das elektronische Rezept trotz mehrjähriger Einführungsphasen weiterhin weit von einer breiten Nutzung durch Ärzteschaft und Patienten entfernt. Sinnhaft werde Digitalisierung auch nur dann, wenn die Patienten davon einen direkten Nutzen hätten. Zudem müsse man bei der Versorgungsplanung sozioökonomische Faktoren stärker im Blick haben als bisher. Sozial benachteiligte Stadtteile zeichneten sich zum einen durch einen teilweise deutlich schlechteren Gesundheitszustand der Bevölkerung aus. Zum anderen seien auch Probleme bei der Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung zu beobachten und regionale Strukturen nötig, die alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen erreichten.

Gehle abschließend: „Um unser Gesundheitswesen zukunftsfest aufzustellen, benötigen wir intelligente Lösungen, wie mit begrenzten Ressourcen die medizinische Versorgung insbesondere unter den Aspekten Bedarfsgerechtigkeit und Chancengleichheit, aber auch unter Einhaltung des ärztlichen Ethos aufrechterhalten werden kann.“

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