Notfallversorgung an Patientenbedarfen und regionalen Strukturen orientieren
Berlin - Die Bundesärztekammer (BÄK) unterstützt ausdrücklich Konzepte für eine patientengerechte Reform der Notfallversorgung, die sich nach den Bedarfen und Bedürfnissen der Bevölkerung ausrichten. Maßgeblich dabei sei, die Menschen gezielt zu informieren, „an wen sie sich bei einem medizinischen Notfall oder einem akuten Behandlungsbedarf wenden können“, und klare und verständliche Strukturen zu schaffen, betont die BÄK in ihrer Stellungnahme zu Anträgen der Bundestagsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Notfallversorgung aus den Jahren 2018 und 2019. Zu den Anträgen findet am 9. Juni eine Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestags statt.
Auch das Bestreben, bewährte regionale Regelungsmodelle zu berücksichtigen und auf die etablierten Kooperationsstrukturen von Krankenhäusern und Notdienstpraxen zurückzugreifen, wird ausdrücklich unterstützt. Die Entscheidung über sinnvolle Standorte von Notdienstpraxen sollte dabei weitgehend den Akteuren vor Ort überlassen werden. Um regionalen Erfordernissen gerecht zu werden, sollten Bedarf und Ansiedlung der vertragsärztlichen Versorgung an Krankenhäusern sowie Mindestvorgaben für die Strukturqualität vor allem auf regionaler Ebene festgelegt werden, bekräftigt die Bundesärztekammer. Obgleich Qualitätsvorgaben für die ambulante Notfallversorgung grundsätzlich als sinnvoll erachtet werden, sollten bundesweite Planungsvorgaben auf ein Minimum an Strukturmerkmalen beschränkt sein, um erfolgreiche Aktivitäten auf regionaler Ebene nicht zum Stillstand zu bringen und „in ein Korsett“ zu pressen, das der Versorgung vor Ort nicht gerecht wird.
Dringenden Reformbedarf sieht die Bundesärztekammer bei der Finanzierung von Notfallleistungen. Dabei sei anzuerkennen, dass viele Patientinnen und Patienten oftmals bis zum Ende der Notfallbehandlung nicht in „ambulant“ oder „stationär“ unterteilt werden können. Neben den akut lebensrettenden Maßnahmen diene die Notfallbehandlung vor allem auch dazu, die Ursache von Beschwerden abzuklären. Dabei kann ein Einsatz von personellen und technischen Ressourcen des Krankenhauses auch bei Patienten erforderlich sein, bei denen sich Verdachtsdiagnosen nicht bestätigen und die letztendlich ambulant weiterbehandelt werden.
Die BÄK weist zudem auf die fehlenden Versorgungsmöglichkeiten im psychosozialen und pflegerischen Bereich im Anschluss an eine Notfallbehandlung hin. Für die Versorgung geriatrischer und psychiatrischer Notfälle müsse in den Blick genommen werden, dass nach der Notfallversorgung auf kurzfristige, rein pflegerische Versorgungsmöglichkeiten, wie etwa eine Kurzzeitpflege, zugegriffen werden kann. Auch sollte ein Sozialdienst in die Notfallstrukturen eingebunden sein, der insbesondere die weitere Versorgung von Menschen ohne medizinischen Versorgungsbedarf organisiert, hebt die Bundesärztekammer hervor.
Darüber hinaus handele es sich bei der Notfallversorgung um eine Querschnittsaufgabe, die typischerweise über eine Zusatz-Weiterbildung abgebildet wird und mehreren Facharztspezialisierungen offensteht und stehen muss, bspw. die neu eingeführte Zusatzqualifikation Klinische Akut- und Notfallmedizin, bekräftigt die Bundesärztekammer bezüglich der Forderung, einen Facharzt für Notfallmedizin einzuführen. Interdisziplinarität sei ein wesentliches Merkmal der Notfallmedizin und erfordere eine hohe fachliche Spezialisierung in den konservativen und auch operativen Fächern. Aus Sicht der Bundesärztekammer könne eine eigenständige Facharztentität im Bereich der Notfallmedizin dies nicht ersetzen.
Der Forderung nach einer zeitweisen Tätigkeit in einer Notfallpraxis als verpflichtender Teil der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin hält die BÄK entgegen, dass dies nicht erforderlich sei. Allgemeinmediziner seien vorrangig in der ambulanten Versorgung tätig und in der Regel erster Ansprechpartner der Patienten. Zudem seien die Patientengruppen und Behandlungsfälle vielfältig. Die Ausgestaltung der Facharzt-Weiterbildung orientiere sich an dieser Ausrichtung und befähige auch zu einer Erst- bzw. Akutbehandlung im ambulanten Bereich. Auf Basis ihrer Weiterbildung seien Allgemeinmediziner – neben der eigenen Praxis oder der Tätigkeit in einem MVZ – daher erfolgreich in Bereitschaftspraxen, im mobilen Bereitschaftsdienst oder in Notfallpraxen an Kliniken tätig. Folglich sei nicht ersichtlich, dass die derzeitige Weiterbildung in der Allgemeinmedizin nicht zu einer qualifizierten Akutversorgung befähigt.