Offener Brief der DEGAM und der Bundesärztekammer
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Ausgangsbedingungen für die Verhandlung eines einheitlichen Rahmenvertrages über die Durchführung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung stellt die Vertragspartner vor größere Herausforderungen. Eine enge Zusammenarbeit der SAPV-Teams mit den an der Versorgung beteiligten Diensten und Einrichtungen, insbesondere den behandelnden Hausärztinnen und Hausärzten ist essenziell für eine gut funktionierende ambulante Palliativ-versorgung und sollte daher entsprechend in die Rahmenvereinbarung aufgenommen werden. Gilt es doch, bereits über Jahre gewachsene Versorgungstrukturen zu berücksichtigen und eine sowohl bedarfsgerechte als auch flächendeckende Versorgung zu erhalten bzw. zu erreichen.
Regionale Besonderheiten brachten unterschiedliche Regelwerke mit zum Teil ungleichen Definitionen wichtiger Determinanten der SAPV hervor. Hier sei u. a. auf die unterschiedliche Zusammensetzung der SAPV-Teams oder die Koordinationsleistung verwiesen.
Funktionierende und etablierte Strukturen der AAPV – als Basis palliativer Versorgungs-angebote – auf die die SAPV ein aufbauendes Element darstellt, könnten durch die nunmehr vorgesehenen Regelungen ins Hintertreffen geraten. Regionale, über die Jahre gewachsene Netzwerke der persönlichen und fachlichen Beziehungen, ermöglichen am ehesten eine bedarfsgerechte Versorgung der Palliativpatienten.
So ist z. B. auf die Angabe einer Mindestpersonalausstattung in dem Rahmenvertrag zu verzichten. Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, die palliativmedizinisch tätig sind, haben in der Regel zusätzlich eine vertragsärztliche Praxis und können somit keine 25- bzw. 50-prozentige Anstellung beim SAPV-Träger mit den Vorgaben in Einklang bringen.
Zudem liegen derzeit keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, dass die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung von SAPV-Patientinnen und SAPV-Patienten in Abhängig-keit zu dem prozentualen Anteil einer Festanstellung von Ärztinnen und Ärzten in SAPV-Teams steht. Diese Ausprägung von Institutionalisierung halten wir für ungeeignet.
Die Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen mit hoher Symptomlast, komplexen psychosozialen Problemen und einem besonderen Versorgungsaufwand erfordert ein auf Patientinnen und Patienten individuell zugeschnittenes dichtes Versorgungsnetz, das flexibel auf den sich oft mehrmals täglich ändernden Versorgungsbedarf reagieren kann. In vielen Regionen haben sich die entstandenen Netzwerke und Kooperationen bewährt.
DEGAM und Bundesärztekammer plädieren dafür, dass die bisherigen SAPV-Strukturen im Wesentlichen erhalten bleiben und darüber hinaus besser als bisher in die AAPV integriert werden. Die Sicherung des Versorgungsniveaus und die Weiterentwicklung der ambulanten Palliativversorgung vor Ort werden entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, vernetzte und aufeinander abgestimmte Angebote zu erhalten und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln.
AAPV und SAPV ergänzen sich in der Praxis gegenseitig und sind im konkreten Handeln aufeinander angewiesen. Die AAPV ist, mehr als die SAPV, eine Form der Unterstützung, die an die lebensweltlichen Handlungssituationen der betreffenden Menschen anschließt und diese gezielt stützt. Insbesondere Hausärztinnen und Hausärzte, aber auch weitere Vertragsärzte, sind durch das oft über Jahre gewachsene Vertrauensverhältnis die primären Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die allgemeine Palliativversorgung. Die hausärztliche Versorgung mit ihrer Nähe zur Lebenswelt der Patientinnen und Patienten, auch im Rahmen der AAPV und SAPV, muss unter Beachtung der bereits bewährten Versorgungsstrukturen breiter als bisher aufgestellt werden.
Dr. med. (I) Klaus Reinhardt Prof. Dr. med. Martin Scherer
Präsident der Bundesärztekammer Präsident der Deutschen Gesellschaft für
und des Deutschen Ärztetages Allgemeinmedizin und Familienmedizin