Reinhardt: Das Infektionsgeschehen differenzierter betrachten
Berlin - Die gängigen Corona-Kennzahlen sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Das hat Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt vor dem heutigen Bund-Länder-Treffen gegenüber der Funke-Mediengruppe gefordert (14.10.2020). Ziel müsse es sein, „zu einer viel differenzierteren Betrachtungsweise des Infektionsgeschehens“ zu kommen. Die Neuinfektionszahlen reichten nicht aus, um die Gefährdungslage der Bevölkerung insgesamt abzubilden. Sinnvoll und notwendig seien weitere Kriterien: das Verhältnis von positiven Testergebnissen zur Gesamtzahl der vorgenommenen Abstriche, die Zahl der tatsächlich Erkrankten unter den positiv Getesteten, die Unterscheidung nach Altersgruppen unter den Infizierten sowie die Relation von schweren Verläufen zur Kapazität an Intensivbetten, so Reinhardt.
Darüber hinaus übte der BÄK-Präsident deutliche Kritik an den aktuell in verschiedenen Bundesländern geltenden Beherbergungsverboten. Sie seien „ungeeignet, das Pandemiegeschehen einzugrenzen“. So habe sich etwa „die Infektionsdynamik trotz des sehr intensiven innerdeutschen Reiseverkehrs in diesem Sommer kaum beschleunigt“, sagte Reinhardt. Die regional unterschiedlichen Verbotsregeln führten zu Verunsicherung und Verwirrung bei den Menschen. Damit gefährde die Politik die Akzeptanz der Anti-Corona-Maßnahmen in der Bevölkerung. Reinhardt betont: Viel sinnvoller sei es, „dass wir weiter versuchen, Infektionscluster zu isolieren und bei grober Missachtung der Hygieneregeln konsequent durchgreifen“.
Dementsprechend sollten Bund und Länder die Beherbergungsverbote rückgängig machen. „Die meisten Bürgerinnen und Bürger sind gerne bereit, einen Beitrag zur Pandemieprävention zu leisten. Aber dann müssen die von der Politik beschlossenen Maßnahmen in sich konsistent und nachvollziehbar sein“, betonte Reinhardt in der Rheinischen Post (14.10.2020). Die unterschiedlichen Beherbergungsverbote der Bundesländer seien dies ganz sicher nicht.