Laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT) bei malignen Tumoren

HTA-Bericht der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, 24.05.2002

Die Bundesärztekammer ebenso wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung erhalten zahlreiche Anfragen von Gerichten, Beihilfestellen, Krankenversicherungen, Patienten oder Medien zu medizinischen Verfahren, deren Stellenwert unklar oder strittig ist oder die noch nicht in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) oder im Einheitlichen Bewertungsmaßstab vertragsärztlicher Leistungen (EBM) abgebildet sind.

Hinter der einfach klingenden Frage "Ist das Verfahren wissenschaftlich anerkannt?" verbirgt sich ein Bündel komplexer Fragestellungen und differenzierter, von ganz unterschiedlichen Interessen gesteuerten Erwartungen.

Die Anforderungen an die Qualität der Antworten müssen im Interesse der Ärzteschaft hoch angesiedelt werden, wenn man dem politischen und ökonomischen Druck, der auf das ärztliche Leistungsspektrum nicht nur im vertragsärztlichen, sondern zunehmend auch im privatärztlichen Sektor ausgeübt wird, standhalten will.

Während das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht mit der in SGB V (§§ 12 und 70) verankerten Zielsetzung und Stringenz auf den Privatliquidationssektor anzuwenden ist, ist die Schnittmenge an Fragestellungen groß, die bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit und des therapeutischen Nutzens eines Untersuchungs- oder Behandlungsverfahrens sowohl von der Bundesärztekammer (nach § 1 Abs. 2 GOÄ) als auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (nach § 135 Abs. 1 SGB V) beantwortet werden müssen.

Beide Institutionen haben deshalb eine gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet mit dem Ziel, eine medizinisch-wissenschaftliche Bewertung von Behandlungsverfahren in Form eines Health Technology Assessments zu erarbeiten.

Als Thema dieses Pilotprojekts wurde die Laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT) ausgewählt. Da das Verfahren insbesondere auch zur Behandlung von Lebermetastasen kolorektaler Karzinome eingesetzt wird, handelt es sich allein angesichts der Inzidenz und Mortalität dieses Primärtumors um eine medizinisch relevante Problematik.

1999 sind in Deutschland 29 000 Menschen an einem kolorektalen Karzinom verstorben. Die Aussagen zum Stellenwert der Methode waren bis dato, speziell wenn man das gesamte infrage kommende Indikationsspektrum berücksichtigt, höchst uneinheitlich und reichten von dem nüchternen Fazit, dass die Anwendung der Methode derzeit noch als experimentell zu werten sei, bis zu der voreiligen Forderung, die LITT aufgrund ihrer Machbarkeit als Maßnahme der Routineversorgung anzuerkennen.

So wurde die LITT bisweilen, auch wider besseres Wissen um die offenen Fragen zur Kostenübernahme, aggressiv beworben. Nicht nur wegen der zum Einsatz kommenden Laser-Technologie, sondern auch aufgrund des notwendigen begleitenden Einsatzes bildgebender Verfahren wie CT und MRT sind die Kosten dieser minimalinvasiven Methode jedoch keineswegs unbeträchtlich.

Da die Behandlung bei Vorliegen mehrerer Filiae mehrfach oder wiederholt an einem Herdbefund durchgeführt wird, wenn bei der Erstbehandlung kein ausreichender Erfolg erzielt wurde, können die Therapiekosten kumulativ durchaus eine Größenordnung bis zu 10 000 Euro erreichen.

Die Erstellung des HTA-Berichts zur LITT erfolgte mittels einer systematischen Informationsgewinnung und detaillierten Studienauswertung entsprechend international standardisierten Kriterien. Neben der Primärstudienauswertung wurden eigens eingeholte Stellungnahmen von Fachgesellschaften und Sachverständigen berücksichtigt.

Darüber hinaus wurde eine kritische Analyse der eigenen Ergebnisse durch Peer Review, der im Falle des BÄK-/KBV-Assessments durch Mitglieder beziehungsweise durch Sachverständige auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer wahrgenommen.

Der HTA-Bericht kommt zu der Schlussfolgerung, dass sich die LITT im experimentellen Stadium befindet. Bei der LITT handelt es sich neben anderen Verfahren, wie beispielsweise der intratumoralen Alkoholinjektion oder der intraarteriellen Chemotherapie, um eine Methode der lokalen Tumordestruktion.

Durch die vom Laser erzeugte thermische Energie wird eine Tumorzellnekrose induziert, der Prozess der interstitiellen Hitze-Entwicklung sei bei der LITT gut steuerbar. Die in den Veröffentlichungen beschriebenen Techniken der LITT lassen allerdings keinen einheitlichen Standard erkennen, sie variieren zudem je nach Körperregion, in der die Technik eingesetzt wird.

Am häufigsten wird derzeit als Energiequelle ein ND-YAG-Laser genutzt. Die Behandlung findet in der Regel unter stationären Bedingungen statt und erfordert eine mindestens 24-stündige ärztliche Nachbeobachtung. Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen kämen nach der LITT in geringerer Frequenz als nach chirurgischer Resektion des Tumors vor.

Es findet sich eine Vielzahl von Indikationen, für die die LITT empfohlen oder bei denen sie erprobt wird. Im Vordergrund stehen dabei Metastasierungen bösartiger Tumoren, zum Beispiel im Bereich der Leber, des Gehirns usw. Benannt werden aber auch bösartige Primärtumoren (zum Beispiel der Mamma oder im Kopf-Hals-Bereich)oder benigne tumoröse Erkrankungen wie beispielsweise Myome, Fibroadenome der Brust oder die benigne Prostatahyperplasie.

Bei allen Indikationen, bei denen die LITT derzeit erprobt wird, ist zu bemängeln, dass bisher keine angemessenen wissenschaftlichen Untersuchungen mit Vergleichen zu den etablierten Standardverfahren vorliegen, sodass sich der Nutzen und die Risiken für die Patienten derzeit nicht sicher beurteilen lassen.

Die größte Anzahl an Behandlungen ist für den Bereich der Lebermetastasierung dokumentiert. Sofern überhaupt - wie beim kolorektalen Karzinom im Gegensatz beispielsweise zum metastasierten Mammakarzinom - ein kurativer Behandlungsansatz möglich ist, stellt sich die offene chirurgische Resektion derzeit unverändert als der Goldstandard der Behandlung dar.

Ob die LITT in Bezug auf diesen kurativen, lebensverlängernden Ansatz vergleichbare Ergebnisse liefert, ist noch unklar. Aufklärung hierüber wird von der vergleichenden Studie erwartet, die, vom BMBF gefördert, im Jahre 2007 abgeschlossen werden soll. Bei Lebermetastasen eines Mamma-, Pankreas- oder Lungenkarzinoms sind aufgrund der infausten Prognose alle lokal-destruierenden Therapieverfahren, auch die LITT, grundsätzlich fraglich.

Für alle anderen Tumorarten (zum Beispiel Kopf-, Hals- und Hirntumoren, Mammakarzinome) liegen aufgrund kleiner Fallzahlen und oft retrospektiver Studienanlage nur sehr eingeschränkte Kenntnisse zum Nutzen der LITT vor.

Das von der Arbeitsgruppe erarbeitete LITT-Assessment wurde nach Zustimmung der Vorstände der Bundesärztekammer beziehungsweise der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 18. Januar 2002 sowohl unter www.kbv.de/hta als auch unter www.bundesaerztekammer. de ins Internet eingestellt.

Die Vorstände der BÄK und der KBV beschlossen außerdem, die gemeinsame Arbeitsgruppe mit der Erstellung weiterer HTA-Berichte zu beauftragen. Mit der Produktion eigener HTA-Berichte durch die Ärzteschaft wird das Feld der evidenzbasierten Entscheidungsfindung in der Medizin nicht ausschließlich Institutionen wie dem Koordinierungsausschuss (§ 137 e SGB V) oder der im Zusammenhang mit dem GKV-Reformgesetz 2000 gegründeten HTA-Agentur beim DIMDI (DAHTA@DIMDI) überlassen. Vielmehr ist die Bewertung medizinischer Methoden eine der zentralen Aufgaben der Ärzteschaft, die zukünftig noch stärker wahrgenommen werden sollte.

Regina Klakow-Franck, Bundesärztekammer
Paul Rheinberger, Kassenärztliche Bundesvereinigung

(in: Deutsches Ärzteblatt Jg. 99, Heft 21 vom 24.05.02, Seite A-1462ff)