BÄK und KBV informieren: HTA zu Brachytherapie beim Prostatakarzinom

Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung nehmen Stellung zur permanenten interstitiellen Brachytherapie bei lokal begrenztem Prostatakarzinom. (02.12.2005)

Health Technology Assessment (HTA) als Methode für die evidenzbasierte Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden hat auch in Deutschland große Bedeutung erlangt.

Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses und vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen erstellte Evidenzberichte basieren vielfach auf der HTA-Methodik.

Eine von den Vorständen der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung beauftragte gemeinsame HTA-Arbeitsgruppe hat jetzt eine Bewertung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands zur permanenten interstitiellen Brachytherapie (PBT) bei lokal begrenztem Prostatakarzinom vorgenommen.

Das Prostatakarzinom ist inzwischen die häufigste Krebserkrankung des Mannes. Inzidenzschätzungen für Deutschland gehen von bis zu 40 000 Neuerkrankungen pro Jahr aus.

Die Behandlung erfolgt stadienabhängig (TNM-Klassifikation) und kriterienorientiert - je nachdem, ob ein lokal begrenzter, ein lokal fortgeschrittener oder ein metastasierter Tumor vorliegt, unter Berücksichtigung von Gleason-Score und PSA-Wert. Als Behandlungsoptionen stehen Varianten der radikalen Prostatektomie, der externen Strahlentherapie, der Brachytherapie sowie Hormontherapie, zytostatische Chemotherapie oder aber "watchful waiting" (kontrolliertes Zuwarten) zur Verfügung.

Bei der PBT handelt es sich um eine Low-dose-Brachytherapie, bei der radioaktive Strahlenquellen (125Jod oder 103Palladium) in Form von Seeds (kleinen Metallkapseln) über Hohlnadeln zum dauerhaften Verbleib in das Prostatagewebe eingebracht werden.

Mit diesem organerhaltenden minimalinvasiven Verfahren soll eine Bestrahlung mit hoher Zielvolumendosis innerhalb der Prostata unter größtmöglicher Schonung der benachbarten Gewebe (Urethra, Blase, Rektum) erreicht werden.

Zur Erstellung des HTA zur PBT beim Prostatakarzinom wurde in speziellen Datenbanken nach bereits vorliegenden HTA-Berichten, Systematic Reviews und Leitlinien gesucht sowie für Primärliteratur in Literaturdatenbanken wie zum Beispiel Medline, Embase, Biosis und SciSearch recherchiert.

Außerdem wurden Stellungnahmen von Anwendern und Fachgesellschaften sowie MDK-Gutachten berücksichtigt. Literaturauswahl und -auswertungen erfolgten durch zwei unabhängige Beurteiler anhand zuvor festgelegter Filterkriterien beziehungsweise anhand standardisierter Auswertungsbögen.

Literaturauswertung

Die Einschätzung des therapeutischen Nutzens der PBT im Vergleich zu anderen Therapieoptionen basiert wegen fehlender prospektiver, randomisierter Studien mit adäquaten Kontrollbedingungen vor allem auf umfangreichen retrospektiven Kohortenstudien.

Danach ergeben sich bei einer Nachbeobachtungsdauer von sieben Jahren keine Wirksamkeitsunterschiede zwischen PBT, externer Strahlentherapie und radikaler Prostatektomie - weder im Hinblick auf die PSA-anstiegsfreie Überlebenszeit noch auf Gesamt- oder krankheitsfreies Überleben.

Soweit anhand der Studienergebnisse beurteilbar, weist die PBT gegenüber der radikalen Prostatektomie oder der externen Strahlentherapie keine ungünstigere Wirksamkeits-Verträglichkeits-Relation auf.

Vorbehaltlich methodischer Einschränkungen bei Studien zu Sicherheit, Verträglichkeit und Lebensqualität bestehen für die PBT mögliche Vorteile bei Erhalt von Potenz und Urinkontinenz, mögliche Nachteile betreffen rektale Komplikationen und urethrale Nebenwirkungen (in der Regel passagere Miktionserschwernis).

Evidenzbasiert gebührt der radikalen Prostatektomie der Vorrang vor den übrigen Therapiealternativen. Zwischen externer Strahlentherapie und PBT erscheint eine Priorisierung jedoch nicht möglich.

Bewertung der Ergebnisse

Auf Grundlage der derzeitig verfügbaren, qualitativ besten Evidenz und sorgfältiger Abwägung der Wirksamkeits-Verträglichkeits-Relation kann die PBT in Betracht gezogen werden, wenn die radikale Prostatektomie nicht vorgenommen werden kann (zum Beispiel OP-Kontraindikation) oder soll (zum Beispiel Patienten-Präferenz).

Bei konservativer Abschätzung der Nutzen-Verträglichkeits-Relation kommt die PBT insbesondere bei Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom (T1 - T2a) und günstigen Risikofaktoren (PSA-Wert < 10 ng/ml, Gleason-Score < 6) infrage.

In Relation zur externen Strahlentherapie wären mögliche Vorteile der PBT (zum Beispiel einzeitiges Vorgehen) und potenzielle Nachteile (invasiver Eingriff) sowie PBT-Kontraindikationen (zum Beispiel vorhergehende umfangreiche transurethrale Prostataresektion, vergrößertes Prostata-Volumen, vorbestehende Harnabflussstörung) zu berücksichtigen.

Der HTA-Bericht kann nun nach Abschluss des Peer-Review-Verfahrens durch den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer und Verabschiedung durch die Vorstände von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung unter www.kbv.de/hta/2393.html abgerufen werden, oder steht Ihnen unten als PDF zur Verfügung.

Dirk Horenkamp M.Sc.
Dr. med. Paul Rheinberger
Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin

Dr. med. Regina Klakow-Franck M.A.
Dr. med. Hermann Wetzel M.Sc.
Bundesärztekammer, Berlin

(in: Deutsches Ärzteblatt 102, Heft 48 (02.12.2005), Seite A-3314)