„Durch den erhöhten Cannabiskonsum müssen wir auch mit einer Zunahme von Gesundheitsproblemen und Verkehrsunfällen rechnen“
Jugendliche sind durch den Konsum von Cannabis deutlich gefährdeter als Erwachsene. Darauf wiesen jüngst die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen anlässlich des heutigen Weltdrogentags hin. Was dies im Kontext der geplanten, kontrollierten Legalisierung von Cannabis bedeutet, erläutert Erik Bodendieck, Präsdient der Landesärztekammer Sachsen, im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt.
5 Fragen an Erik Bodendieck, Co-Vorsitzender des BÄK-Ausschusses "Sucht und Drogen" und Präsident der Landesärztekammer Sachsen
Gerade hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bekannt gegeben, dass der Anteil der 18- bis 25-Jährigen, die schon einmal Cannabis konsumiert haben, bei mehr als bei 50 Prozent liegt. Befürchten Sie, dass durch die anstehende Legalisierung des Rauschmittels noch mehr Menschen konsumieren werden?
Es ist nicht nur zu befürchten, sondern sogar zu erwarten, dass der Konsum von Cannabis nach einer Legalisierung auch in Deutschland weiter zunimmt. Das zeigen die Erfahrungen aus Kanada und den USA. Der Internationale Suchtstoffkontrollrat weist in seinem aktuellen Jahresreport explizit daraufhin, dass die Legalisierung gerade bei jungen Menschen zu einem erhöhten Konsum und zu weniger Risikobewusstsein führen wird.
Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene geht der Konsum von Cannabis mit einem besonders hohen gesundheitlichen Risiko einher. Je früher man damit anfängt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, abhängig zu werden. Die Gehirnreifung ist bis zum 25. Lebensjahr nicht abgeschlossen und der Konsum von Cannabis kann mit strukturellen Veränderungen des Gehirns und kognitiven Funktionsdefiziten einhergehen.
Durch den erhöhten Cannabiskonsum müssen wir auch mit einer Zunahme von Gesundheitsproblemen und Verkehrsunfällen rechnen. Die Bundesärztekammer lehnt deshalb die geplante Legalisierung entschieden ab.
Besonders risikoreich ist der Konsum von Cannabis für die psychische Gesundheit von Jugendlichen. Legal erworben werden können soll die Droge zwar künftig erst ab der Volljährigkeit. Was können Hausärzte oder Kinder- und Jugendärzte tun, um junge Menschen vom Konsum abzuhalten?
Zu den Aufgaben von Ärztinnen und Ärzten gehört es, Betroffene frühzeitig zu erkennen und auf ihren Konsum anzusprechen – egal ob es sich um Cannabis oder andere Suchtmittel handelt. Stellt sich heraus, dass bereits ein Problem mit dem Konsum oder gar eine Abhängigkeit besteht, gilt es, die Betroffenen zu einer Behandlung zu motivieren. Gerade bei Jugendlichen muss genauer hingeschaut werden, denn in diesem Alter hat der Konsum besonders schwere gesundheitliche und soziale Folgen.
Der Kontakt zur lokalen Suchthilfe ist von großer Bedeutung, um die Kinder und Jugendlichen in entsprechende Präventions- und Frühinterventionsprogramme zu vermitteln. Eine Teilnahme an der Fortbildung zur suchtmedizinischen Grundversorgung hilft Ärztinnen und Ärzten dabei, den Konsum psychotroper Substanzen zu erkennen und Abhängigkeitserkrankung zu behandeln.
Die Zahl der Drogentoten ist 2022 weiter angestiegen: 1.990 Menschen sind an den Folgen ihres Missbrauchs illegaler Drogen gestorben, fast neun Prozent mehr als im Vorjahr. Haupttodesursachen sind Heroin und Langzeitfolgen des Drogenkonsums. Die Substitutionsbehandlung hilft Drogenabhängigen vom Heroin wegzukommen, doch seit langem wird ein Mangel an Ärzten beklagt, die diese Bahndlung anbieten wollen. Wie kann man mehr Ärzte für diese Aufgabe gewinnen?
Mit großer Besorgnis sehen wir die seit Jahren kontinuierliche Zunahme an Drogentoten. Umso wichtiger ist es, jungen Kolleginnen und Kollegen zu zeigen, wie wichtig die Behandlung von Opioidabhängigen ist. Die Kurse für die suchtmedizinische Fortbildung werden zwar gut besucht, jedoch bietet ein zu geringer Teil der Teilnehmer später die substitutionsgestützte Behandlung an. Deswegen sollten erste Erfahrungen mit der substitutionsgestützten Behandlung schon im Studium und in der Weiterbildung erfolgen, um Vorurteilen entgegenzuwirken und Barrieren abzubauen.
Vielleicht fehlt es angehenden Ärztinnen und Ärzten und jungen Berufseinsteigern auch einfach an Interesse…
Nein, das sicher nicht. Wir wissen, dass das Interesse da ist. Fast 30 Prozent der Studierenden können sich vorstellen, später in der Substitutionstherapie zu arbeiten. Natürlich müssen dann auch die Rahmenbedingungen stimmen. Das versuchen wir, durch Anpassungen der Richtlinie der Bundesärztekammer zu erreichen.
In Drogenkonsumräumen soll künftig auch angeboten werden, Heroin auf Inhaltsstoffe hin zu untersuchen, um Konsumenten vor beigemischten gefährlichen Substanzen zu schützen. Das sogenannte Drug Checking soll nun im Rahmen des Arzneimittelgesetzes bundesweit ermöglicht werden. Wie steht die BÄK zu dieser neuen Option?
Ziel ist es weiterhin, möglichst viele Opioidabhängige in die substitutionsgestützte Behandlung einzubinden. Diese hat sich als sehr wirksam erwiesen und ist für die Mehrheit der Erkrankten die Therapie der Wahl. Behandlungsziele wie die Reduktion des Beikonsums und des damit verbundenen Risikos des Konsums von verunreinigten Substanzen können in der Substitutionstherapie gezielt adressiert werden.
Drug Checking im Sinne der Schadensminimierung wird derzeit unter anderem in Berlin angeboten. Oberstes Ziel muss es aber immer sein, junge Menschen durch Aufklärung und Präventionsmaßnahmen dazu zu bringen, ohne Partydrogen zu feiern.
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