Bedürfnisse von Patienten und Ärzteschaft stärker berücksichtigen
Berlin – Die Zielsetzung stimmt, aber auf dem Weg zu mehr Digitalisierung in der Patientenversorgung muss das Bundesgesundheitsministerium dringend Kurskorrekturen vornehmen. Dies verdeutlicht die Bundesärztekammer (BÄK) in ihrer heute vorgelegten schriftlichen Stellungnahme zum Referentenentwurf des Digitale Versorgung-Gesetzes.
Darin begrüßt die Bundesärztekammer die Initiative des Bundesgesundheitsministeriums, digitale Anwendungen und Innovationen in die Patientenversorgung einzubringen. Sie stellt aber auch fest, dass bei der konkreten Umsetzung die spezifischen Bedürfnisse von Patienten und Ärzteschaft bislang keine Berücksichtigung finden. Insbesondere bei den Plänen für eine öffentliche Liste von erstattungsfähigen digitalen Gesundheitsanwendungen sowie bei der vorgesehenen Förderung von Versorgungsinnovationen sei die ärztliche Expertise dringend einzubeziehen, fordert die BÄK.
Die Bundesärztekammer merkt unter anderem kritisch an, dass Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Medizinprodukten niedriger Risikoklassen haben sollen, der Gesetzesentwurf aber effiziente Verfahren zur Zulassung digitaler Gesundheitsanwendungen höherer Klassen unberücksichtigt lässt. Zudem sieht der Referentenentwurf vor, dass Krankenkassen „als Treiber für digitale Versorgungsinnovationen“ gestärkt werden sollen. Dafür sollen sie anhand von Sozialdaten „individuelle Versorgungsbedarfe“ ableiten dürfen. Dies zielt unter anderem auf den Abschluss von Verträgen mit Leistungsanbietern. Die BÄK stellt klar, dass sich individuelle Versorgungsbedarfe nur nach gründlicher ärztlicher Anamnese, Diagnose- und Indikationsstellung feststellen lassen. „Sie können nicht das Ergebnis von Analysen von Sozialdaten sein, auch weil diese keine valide Darstellung der Morbidität liefern“, so die BÄK. Sie weist eine solche übergriffige Rolle der Krankenkassen in ärztliche Kernkompetenzen entschieden zurück und fordert die Streichung des Passus.
Ebenfalls abgelehnt werden die angedrohten Sanktionen gegen Ärztinnen und Ärzte. Nach dem Entwurf müssen Ärzte mit Honorarkürzungen um 2,5 Prozent rechnen, wenn sie zum 1. März 2020 nicht das Versichertenstammdatenmanagement vornehmen. Bislang sind es 1 Prozent der Vergütung. Weitere Sanktionen drohen, wenn Vertragsärzte nicht bis zum 30. Juni 2021 über die notwendigen Komponenten und Dienste verfügen, um auf die elektronischen Patientenakten (ePA) zuzugreifen (1 Prozent). Auch dies lehnt die Bundesärztekammer ab. „Die gesetzgeberische Erwartung eines konstruktiven Umgangs mit der ePA durch Vertragsärzte mit gleichzeitiger Sanktionsandrohung ist kein erfolgsversprechender Ansatz“, so die BÄK.
In ihrer Stellungnahme skizziert die Bundesärztekammer zudem weiteren Regelungsbedarf. So sollte eine bundesweite Erprobungsregion für digitale Anwendungen etabliert werden. Angesichts des in dem Entwurf enthaltenen neuen Zulassungsweges für digitale Gesundheitsanwendungen wiederholt die Bundesärztekammer die Notwendigkeit, den Entwicklern digitaler Gesundheitsanwendungen verlässliche und dauerhafte Rahmenbedingungen für eine Erprobung zur Verfügung zu stellen.
Die Bundesärztekammer plädiert zudem für die Aufnahme einer klarstellenden Regelung, dass auch rein privatärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte sowie Privatversicherte das Recht haben, sich an die Telematikinfrastruktur anschließen zu können, beziehungsweise diese zu nutzen.