Dysfunktionalität des Clinical Trials Information System schadet Europa
Die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln hat am 31. Januar 2023 verbindlich Geltung erlangt und verpflichtet zur Einreichung von Anträgen für die Durchführung von Arzneimittelstudien über das Clinical Trials Information System (CTIS).
In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 6. März 2023 hat der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland (AKEK) unter Beteiligung der Bundesärztekammer einhellig massive Funktionsmängel der Plattform CTIS festgestellt und fordert zeitnah ein unabhängiges Audit auf EU-Ebene, um Schaden von den Patientinnen und Patienten und dem Forschungsstandort Europa abzuwenden.
Die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 ist seit dem 31. Januar 2023 für alle klinischen Prüfungen (Studien) mit Arzneimitteln geltendes Recht in Europa. Um die Prüfung der Arzneimittelstudien durch die Ethikkommissionen und zuständigen Behörden in Europa zu koordinieren, wurde ein IT-Portal entwickelt, dass laut Verordnung „auf dem jeweils neuesten Stand der Technik und benutzerfreundlich [ist], damit kein unnötiger Arbeitsaufwand entsteht.“ ((EU) Nr. 536/2014, Artikel 80).
Nach einem Jahr Erfahrung mit dem Portal CTIS ist nunmehr klar, dass die von der EU-Kommission an das Portal gestellten Anforderungen nicht erfüllt sind. Am 6. März 2023 kamen die Mitglieder des AKEK in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung unter Beteiligung der Bundesärztekammer aufgrund von weiterhin bestehenden schweren Funktionsmängeln zu dem Schluss, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die Ethikkommissionen konstatierten einhellig, die IT-Plattform sei unstrukturiert, benutzerunfreundlich und fehleranfällig. Die Bewertung von Studienanträgen werde mit einem erheblichen Mehraufwand für unnötige Formalien erschwert.
Der AKEK und die Bundesärztekammer sehen daher die Gefahr, dass zum einen die Einführung neuer Therapien verzögert würden – Überlastungsmeldungen aus verschiedenen Ländern der EU seien hier alarmierend. Zum anderen bestünde das Risiko, dass klinische Prüfungen ohne die nötige Sorgfalt genehmigt werden könnten. Beides schade den Patientinnen und Patienten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus universitären Einrichtungen und der forschenden Industrie kämpften ebenso mit den Problemen von CTIS. Es besteht daher weiterhin die Gefahr, dass Forschung vermehrt außerhalb Europas durchgeführt würde und so der Forschungsstandort Europa beschädigt werde.
Der AKEK und die Bundesärztekammer stellen daher zwei Forderungen:
- Noch in diesem Jahr soll eine systematische Überprüfung der IT-Plattform auf EU Ebene durch eine unabhängige Instanz und unter Berücksichtigung aller Betroffenen entscheiden, ob bei Verletzung des Artikel 80 der EU-Verordnung eine grundsätzliche Änderung des Verfahrens notwendig sei.
- Klinische Prüfungen, die noch vor dem Inkrafttreten der EU-Verordnung genehmigt wurden, müssen laut Gesetz innerhalb der nächsten drei Jahre in CTIS überführt werden. Dabei handelt es sich europaweit um tausende Studien. Um eine unmittelbare Reduktion der Probleme zu erreichen, muss auf diese Überführung ersatzlos verzichtet werden.