Gute Ansätze, aber auch Klärungsbedarf
Viele gute Ansätze, aber auch noch einigen Klärungsbedarf attestieren die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) und der Bayerische Hausärzteverband (BHÄV) dem Eckpunktepapier zur Notfallreform, das Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach gestern in Berlin vorgestellt hat. Grundsätzlich sei es positiv zu bewerten, dass der Minister dieses für die medizinische Versorgung eminent wichtige Thema angeht und auch die Erfahrungen aus der Praxis berücksichtigt. Denn in dem Eckpunktepapier sind zahlreiche Vorschläge zu einer besser koordinierten Notfallversorgung enthalten, die in Bayern bereits realisiert sind beziehungsweise sich in der Umsetzung befinden. Kritisch gesehen wird die zusätzliche Belastung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, wenn es beispielsweise um Hausbesuche rund um die Uhr geht. Hier sind gerade in ländlich geprägten Regionen massive Umsetzungsschwierigkeiten zu erwarten.
In Bayern wird das Thema Notfallreform bereits seit vielen Jahren intensiv bearbeitet. Zuletzt konnten im Dezember vergangenen Jahres alle bayerischen Integrierten Leitstellen – Rufnummer 112 – mit den Vermittlungszentralen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes – Rufnummer 116117 – digital vernetzt werden. Seither haben Leitstellen und Vermittlungszentralen weit über 10.000 Einsätze erfolgreich digital ausgetauscht. Ende letzten Jahres wurde auch für Bayern auf der Internetseite www.116117.de die Möglichkeit der digitalen Selbsteinschätzung geschaffen, so dass Patientinnen und Patienten sehr einfach ermitteln können, welcher Weg für sie im Akutfall die passende Hilfe bringt.
Der Vorstand der KVB – Dr. Christian Pfeiffer, Dr. Peter Heinz und Dr. Claudia Ritter-Rupp – erklärte dazu: „Wir haben in den vergangenen Jahren unter anderem mit der flächendeckenden Einrichtung von Bereitschaftspraxen an mit uns kooperierenden Kliniken, einem bayernweiten Fahrdienst für medizinisch notwendige Hausbesuche und der Erprobung des gemeinsamen Tresens von Notaufnahme und Ärztlichem Bereitschaftsdienst zahlreiche Maßnahmen angestoßen und umgesetzt, um die Notfallversorgung zu verbessern. Dass sich viele unserer Vorhaben nun in dem Eckpunktepapier wiederfinden, zeigt, dass wir dabei auf dem richtigen Weg sind. Wichtig wird nun allerdings auch sein, dass der Bundesgesundheitsminister sich mit seinen Vorstellungen nicht nur auf Großstädte wie Berlin bezieht, sondern auch die ländlich geprägten Regionen in einem Bundesland wie Bayern im Blick behält. Hier gelten andere Bedingungen, die zu berücksichtigen sind, um die Praxen vor Ort nicht zu überlasten.“
Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK): „Mit der Reform wird eine Forderung der BLÄK nach einer wirksamen Steuerung von Notfallpatientinnen und -patienten in die für den jeweiligen Anlass adäquate Versorgungsebene umgesetzt. So können wir eine Entlastung der Notaufnahmen und auch eine effizientere Patientenversorgung erreichen“. Begrüßenswert ist laut Quitterer, dass die „angedachte rund um die Uhr (24/7) erreichbare Bereitschaftsdienstpraxis“ nicht mehr Bestandteil des Eckpunktepapiers ist. „Die Einrichtung von integrierten Notfallzentren (INZ) an geeigneten Kliniken in Kooperation mit Bereitschaftspraxen und einer strukturierten Ersteinschätzung des Behandlungsaufwandes der Patientinnen und Patienten kann künftig die Inanspruchnahme von ärztlichen Ressourcen in der Notfallversorgung sinnvoll und sicher gestalten“, so der BLÄK-Präsident.
Dr. Wolfgang Ritter, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, bewertet vor allem positiv, dass der Gedanke einer sinnvollen Patientensteuerung Eingang in das Eckpunktepapier gefunden hat und man sich im Bundesgesundheitsministerium von der Vorstellung einer Rundum-die-Uhr Besetzung der vorgesehenen Integrierten Notfallzentren durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte verabschiedet hat, wie dies die Regierungskommission empfohlen hatte. „Aber auch die Mehrbelastungen durch Hausbesuche 24/7 und die telemedizinische Betreuung von Notfallpatienten, die vor allem auf uns Hausärztinnen und Hausärzte zukämen, sollte das Eckpunktepapier eins zu eins in ein Gesetz gegossen werden, stellen die ambulante hausärztliche Versorgung vor Herausforderungen. Schon jetzt ist der Versorgungsdruck in den Hausarztpraxen hoch.“