Sachsen-Anhalt: Quereinstieg statt Amtsarztquote
Magdeburg - Anlässlich der heutigen gemeinsamen Pressekonferenz der Heilberufe ruft die Ärztekammer Sachsen-Anhalt die Politik auf, sinnvolle Lehren aus der Pandemie zu ziehen. „Der Umgang mit dem COVID-Virus zeigt, wie leistungsfähig unser Gesundheitssystem bereits ist. Es zeigt aber auch seine Schwächen auf. Diese werden oft mit Aktionismus überdeckt und müssen für die Zukunft abgestellt werden“, fordert die Präsidentin der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Dr. Simone Heinemann-Meerz. Und führt ein Beispiel an: „Es zeigt sich, dass insbesondere im Öffentlichen Gesundheitswesen (ÖGW) medizinisches Personal und Ausstattung fehlt. Ein Umstand auf den wir seit Jahren hinweisen und der nun die Gesundheitsämter mehr als nur an ihre Grenzen stoßen lässt. Eine von der Politik angeregte Amtsarztquote analog zur Allgemeinmedizin stellt keine sinnvolle und schnelle Abhilfe dar. Im Gegenteil: Sie verknappt die bestehenden Medizinstudienplätze und bringt frühestens in elf Jahren den ersten Facharzt“.
Hintergrund ist, dass ein Medizinstudium mindestens sechs Jahre dauert und die anschließende Weiterbildung zum Facharzt für ÖGW, auf Grund seiner Komplexität, weitere 5 Jahre in Anspruch nimmt. Daher dauert die Aus- und Weiterbildung mindestens elf Jahre.
Die Ärztekammer schlägt einen anderen Weg vor. Ärzten, die etwa aus gesundheitlichen oder familiären Gründen aus dem Klinik- oder Praxisalltag ausscheiden möchten, will man den Umstieg in das ÖGW vereinfachen und schmackhaft machen. Quereinstieg lautet die Idee, die für die Allgemeinmedizin bereits seit dem Jahr 2012 hervorragend angenommen wird. Ärzte müssen dafür in der patientennahen Versorgung tätig sein. Für den Wechsel werden sie zudem ein Jahr im Gesundheitsamt und einen Monat akutpsychiatrisch in einer Klinik weitergebildet. Zudem ist eine spezielle sechsmonatige Kurs-Weiterbildung zu absolvieren. „Bereits nach gut eineinhalb Jahren kann ein Arzt die Facharztprüfung ablegen. Dies können wir ermöglichen, da wir auf Fachärzte zurückgreifen, die bereits aufgrund ihres Facharztes und späteren Tätigkeit Kompetenzen erlernt haben und im Gegensatz zu einem Studenten nicht bei Null anfangen müssen“, so die Kammerpräsidentin.
Aber noch ein weiterer Grund ist für Dr. Heinemann-Meerz entscheidend „Eine Tätigkeit im Amt können sich Medizinstudenten oft nicht vorstellen. Die Vorzüge und das damit verbundene Interesse kann sich aber im Berufsleben zeigen. Die Berufserfahrung am Patienten ist zudem hilfreich für Entscheidungen, die ein Gesundheitsamt treffen muss. Aus diesen Gründen erachten wir den Quereinstieg als sinnvoller als eine Amtsarztquote im Medizinstudium, die keine zeitnahe Abhilfe und keinen zusätzlichen Studienplatz schafft“.
Für eine schnelle Umsetzung hat die Kammerversammlung im Oktober 2020 den Weg für den Quereinstieg geebnet. Die notwendigen Mindestanforderungen wurden darauf gemeinsam mit den Mitgliedern der Fachkommission ÖGW erarbeitet, die alle in verschiedenen Gesundheitsämtern tätig sind. Der Vorstand der Ärztekammer hat die Mindestanforderungen im November 2020 beschlossen, so dass mit dem Quereinstieg sofort begonnen werden kann.