Sicherheit, Resilienz und Fachkräfte: Erwartungen an die polnische Ratspräsidentschaft
Anlässlich ihres bilateralen Austausches am 26. November 2024 in Warschau formulieren die Präsidenten der Obersten Ärzte- und Zahnärztekammer Polens (Naczelna Izba Lekarska), Dr Łukasz Jankowski, und der deutschen Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, im Namen der verfassten Ärzteschaften in Polen und Deutschland ihre Erwartungen an die polnische EU-Ratspräsidentschaft:
„Am 1. Januar 2025 übernimmt Polen die EU-Ratspräsidentschaft. Gemeinsam mit Dänemark und Zypern wird Polen einen Dreiervorsitz bilden und die politischen Leitlinien des Europäischen Rates für die kommenden 18 Monate bestimmen. Mit Spannung erwarten wir daher die Prioritäten der polnischen Ratspräsidentschaft. Die polnische Ratspräsidentschaft will die Sicherheit Europas anhand von sieben Säulen definieren.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass auch die Gesundheit zu diesen sieben Säulen gehören soll. Zu deren Elementen zählt die Ratspräsident eine stärkere Unabhängigkeit der EU bei der Arzneimittelproduktion. Ausdrücklich erwähnt wird auch die geistige Gesundheit, insbesondere von Kindern und Jugendlichen.
Angesichts der vielfältigen Herausforderungen, vor die sich die EU gestellt sieht, darf Gesundheit jedoch nicht auf einen Sicherheitsaspekt reduziert werden. Wir fordern die polnische Ratspräsidentschaft auf, gemeinsam mit dem Dreiervorsitz in den kommenden 18 Monaten mutig Bereiche zu benennen, in denen die europäische Ebene unter Wahrung der Kompetenzen der Mitgliedstaaten koordinierend tätig werden sollte. Dazu zählen die Dauerbrenner in der EU-Gesundheitspolitik, etwa die Stärkung der Resilienz von Gesundheitssystemen bei grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen oder konkrete Schritte bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen.
Wenn die Ratspräsidentschaft eine Stärkung der Unabhängigkeit in der Arzneimittelproduktion als Kernelement ihres Ansatzes nennt, sollte sie auch andere Mängel in der Patientenversorgung und deren Ursachen benennen. Zweifelsohne sind in diesem Kontext Mängel bei der Versorgung mit Medizinprodukten zu nennen, die unter anderem auf Webfehler bei der EU-Medizinprodukte-Verordnung zurückzuführen sind. Auch ein Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist in nahezu allen EU-Mitgliedstaaten greifbar. Dessen Überwindung erfordert neben mitgliedstaatlichen Ansätzen auch eine europäische Koordinierung, die durch die Ratspräsidentschaft angestoßen werden sollte.“
Mit ihrem bilateralen Treffen knüpfen die beiden Spitzenverbände der ärztlichen Selbstverwaltung in Polen und Deutschland, die zusammen fast 740.000 Ärztinnen und Ärzte repräsentieren, an eine mehr als 30-jährige Zusammenarbeit an.
Weitere Themen des Treffens waren die Qualität der medizinischen Ausbildung, die Migration von medizinischen Fachkräften, die Auswirkungen moderner Technologien auf die Gesundheitsversorgung und die Arbeitsbedingungen in der Medizin.
Beide Organisationen betonen, dass die Qualität der medizinischen Ausbildung - sowohl der Grund- als auch der postgradualen Ausbildung - nicht beeinträchtigt werden darf und den erforderlichen Standards entsprechen muss. Personalknappheit in einigen Ländern ist kein Grund, die Qualifikations- und Ausbildungsstandards zu senken. Die kürzlich verabschiedete Grundsatzerklärung des Ständigen Ausschusses der Europäischen Ärzte (CPME) zur Qualität des Medizinstudiums sollte von allen relevanten Akteuren nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in einem breiteren grenzüberschreitenden Kontext ernsthaft berücksichtigt werden - insbesondere, wenn immer mehr angehende Ärztinnen und Ärzte ihr Medizinstudium im Ausland absolvieren.
Darüber hinaus ist es von wesentlicher Bedeutung, dass der Zugang zum Arztberuf in allen EU-Mitgliedstaaten auf ordnungsgemäßen Anerkennungsverfahren beruht. Es muss gewährleistet sein, dass außerhalb der EU ausgebildete Ärztinnen und Ärzte die in der EU geltenden Mindestanforderungen an die Ausbildung erfüllen.