Triage-Gesetz gefährdet ärztliches Selbstverständnis
Der Vorstand der Ärztekammer Bremen lehnt das geplante Verbot der Ex-Post-Triage ab und appelliert an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, der Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) am kommenden Donnerstag nicht zuzustimmen.
Der Vorstand unterstützt einmütig das Ziel des Gesetzes, Menschen bei knappen intensivmedizinischen Kapazitäten vor einer Benachteiligung aufgrund einer Behinderung, des Alters oder schweren Erkrankungen zu schützen. Er lehnt aber die geplante Umsetzung ab, insbesondere das gesetzlich vorgeschriebene Verbot der Ex-Post-Triage. „Das widerspricht der ärztlichen Ethik“, sagt Dr. Johannes Grundmann, der Präsident der Ärztekammer Bremen. „Die Entscheidung über die Zuteilung überlebenswichtiger intensivmedizinischer Ressourcen können nur Ärztinnen und Ärzte in jedem Einzelfall sorgfältig aufgrund medizinischer Kriterien treffen.“
Zentrale ärztliche Aufgabe sei es, kontinuierlich den Zustand der behandelten Patientinnen und Patienten zu evaluieren, die Dynamik des Krankheitsbildes im Blick zu haben und immer wieder zu prüfen, ob in der akuten Situation eine medizinische Indikation zur Weiterbehandlung vorliegt und ob diese Behandlung weiterhin dem Patientenwillen entspreche.
Die geplante gesetzliche Regelung mache Ärztinnen und Ärzte handlungsunfähig, so der Vorstand. „Die Sorge vor strafrechtlichen Konsequenzen wird ethisches ärztliches Handeln am Lebensende zusätzlich erschweren“ sagt Ärztekammer-Vizepräsidentin Christina Hillebrecht.
Hintergrund: Der Bundestag entscheidet am kommenden Donnerstag (10. November 2022) über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), mit der der sogenannten „Triage-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen werden soll. Das Gericht hatte im Dezember 2021 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie dem Gesetzgeber aufgegeben, unverzüglich Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderung bei sogenannten Triage-Entscheidungen zu treffen, wenn intensivmedizinische Ressourcen in einer Pandemie nicht mehr für alle ausreichend zur Verfügung stehen.