Westfalen-Lippe: Corona: Ärztekammer fordert Ende der Priorisierung und Abbau des Impfbürokratismus – komplette Ärzteschaft und Kliniken beim Impfen einbeziehen

Gehle: „Wir brauchen einen neuen Impfplan und verlässliche Impfstofflieferungen. Schluss mit dem Fahren auf Sicht.“

Münster - Ende der Priorisierung, Abbau des Impfbürokratismus, Einbeziehung aller Ärztinnen und Ärzte sowie der Krankenhäuser – das sind die Kernpunkte eines einstimmigen Beschlusses des Kammervorstandes der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), um das Tempo der Impfkampagne drastisch zu erhöhen. Nach Ansicht des ÄKWL-Vorstandes sollen dafür die Pläne für die Corona-Impfungen angepasst und bei den Impfungen neue Schwerpunkte bei jungen Menschen gesetzt werden. „Bis Ende Juni kommt deutlich mehr Impfstoff. Dann könnte ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger die erste Impfdosis erhalten. Doch damit die für das laufende Quartal angekündigten 70 Millionen Impfdosen auch wirklich rasch in die Arme der Menschen kommen, brauchen wir eine gute Planung und bessere Voraussetzungen als bisher“, unterstreicht Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Planungssicherheit sei unerlässlich für eine rasche Impfung vieler Menschen.

Es müsse nun „Freiwilligkeit statt Priorisierung und Freiraum vor Ort“ gelten, so Gehle. Die Ärztinnen und Ärzte könnten in den Praxen entscheiden, welche ihrer Patientinnen und Patienten wann geimpft werden sollen. Dazu sollte das Bundesgesundheitsministerium schnell die Coronavirus-Impfverordnung anpassen. Auch der Bürokratie sagt der Kammerpräsident den Kampf an: „Fünf Zettel und vier Unterschriften für eine Impfung sind der Wahnsinn.“ Auf das Vorhalten der zweiten Impfdosis sollte zukünftig verzichtet werden, „da im dritten Quartal genug Impfstoff kommen wird, sollen jetzt so viele Menschen wie möglich so schnell wie möglich ihre erste Dosis erhalten“.

Um die Impffortschritte zu beschleunigen, müssen laut Vorstandbeschluss zudem weitere Kapazitäten genutzt werden, fordert die Ärztekammer: Alle Arztpraxen – sowohl Vertragsärzte als auch Privatärzte – müssen künftig Corona-Impfungen durchführen dürfen. Impfzentren müssen sowohl personell als auch materiell so aufgestellt sein, dass sie große Zahlen von Impfwilligen versorgen und gegebenenfalls auch mobile Impfteams in Schulen und Betriebe entsenden können. Ausreichende Impfstofflieferungen vorausgesetzt, so der Ärztekammer-Vorstand, würde auch das Impfen durch Betriebsärzte die dringend notwendige Durchimpfung der Bevölkerung beschleunigen. Zudem müssen sich künftig auch Krankenhäuser an den Impfungen beteiligen können: „Die technischen Voraussetzungen dafür sind gegeben, die Kliniken sind unmittelbar in die Impfungen einzubeziehen“, erläutert Ärztekammerpräsident Dr. Gehle.

Sobald genügend Impfstoff verfügbar ist, müsse zudem so schnell wie möglich mit dem Impfen von Jugendlichen über 16 Jahren und jungen Erwachsenen begonnen werden, denn durch die Virusvarianten komme es gerade in dieser Altersgruppe zu Ansteckungen. „Impfungen können hier die Infektionsketten unterbrechen. Davon profitieren alle.“ Würden in den Schulen jeweils die Abschlussklassen und der darauffolgende Jahrgang geimpft, könnten die Schülerinnen und Schüler Ausbildung und Studium in Präsenz beginnen, da sie nach den Sommerferien bereits zweimal geimpft sein könnten.

„Schluss mit dem Fahren auf Sicht“, fasst Dr. Gehle die Forderungen der westfälisch-lippischen Ärzteschaft zusammen. „Wir erwarten verlässliche Aussagen der Politik zu den Lieferterminen der Impfdosen und die Aufstellung eines Impfplanes für die Bevölkerung.“ Die Ärztekammer Westfalen-Lippe sei bereit, sich an den entsprechenden Planungen zu beteiligen. Im Freiwilligenregister für das Land Nordrhein-Westfalen hätten neben vielen anderen Angehörigen von Gesundheitsberufen auch fast 9000 Ärztinnen und Ärzte ihre Bereitschaft zur Mithilfe bei der Bekämpfung der Pandemie dokumentiert.

Der Beschluss des Vorstandes der ÄKWL unter dem Titel „Jetzt wird es ernst – 70 Millionen Impfdosen müssen bis Ende Juni in die Oberarme“ im Wortlaut:

  1. Aufhebung der Priorisierung – bei 70 Millionen Impfdosen verhindert eine bürokratische Priorisierung die schnelle Verimpfung.
  2. Abbau des Impfbürokratismus – fünf Zettel und vier Unterschriften sind zu viel!
  3. Die Industrie muss ihre Lieferzusagen endlich einhalten und nicht erneut - wie erst Anfang April - weniger Impfdosen liefern als zugesagt. Die für das zweite Quartal zugesagten 70 Millionen Impfdosen müssen auch wirklich kommen.
  4. Alle Arztpraxen müssen an den Impfungen beteiligt werden - das gilt sowohl für alle Vertragsärzte als auch für Privatärzte. Die zugesagten Impfdosen müssen geliefert werden.
  5. Impfzentren müssen personell und materiell so aufgestellt werden, dass sie so viele Impfwillige wie vorhanden auch wirklich impfen können. Von dort müssen mobile Impfteams in Schulen und Betrieben entsandt werden können.
  6. Alle Krankenhäuser müssen sich an den Impfungen beteiligen können. Die technischen Voraussetzungen dafür sind gegeben. Sie sind unmittelbar in die Impfungen einzubeziehen.
  7. Wenn genügend Impfstoff kommt, hilft auch das Impfen durch Betriebsärzte in den Betrieben bei der jetzt dringend notwendigen schnellen Durchimpfung der Bevölkerung.
  8. Gerade das Impfen der Jugendlichen über 16 und jungen Erwachsenen in den Schulen sollte so schnell wie möglich beginnen, wenn genügend Impfstoff da ist – beginnend mit den letzten beiden Abschlussklassen 2021/2022, der Jahrgänge neun und zehn sowie der Abiturjahrgänge. Das Ziel ist, Infektionsketten zu unterbrechen. Dadurch könnten die Schüler Abschlussklassen, Ausbildung und Studium auch in Präsenz beginnen, da sie nach den Sommerferien bereits zweifach geimpft sein werden. Bei genügend Impfstoffen sollte über mobile Teams in den Schulen direkt vor Ort geimpft werden.
  9. Die Ärzte in Westfalen-Lippe fordern: Schluss mit dem Fahren auf Sicht! Wir erwarten verlässliche Aussagen der Politik zu den Lieferterminen der Impfdosen und die Aufstellung eines Impfplans für die Bevölkerung.

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