Erster Hybrid-Ärztetag im Fokus medialer Berichterstattung
Dass zwei reguläre Deutsche Ärztetage in einem Jahr stattfinden, war ein Novum in der Geschichte der verfassten Ärzteschaft. Der 124. Deutsche Ärztetag im Mai fand im Online-Format statt, im November folgte nun der 125. Deutsche Ärztetag als Hybridveranstaltung. Für zwei Tage kamen die 250 Abgeordneten aus den 17 Landesärztekammern auf verschiedene Weise zusammen: Die Mehrheit von ihnen direkt vor Ort im Estrel-Conventioncenter in Berlin; ein kleinerer Teil schaltete sich virtuell dazu.
Ein Novum war außerdem, dass sich ein Ärztetag in einer solchen Intensität mit dem Klimawandel und seinen gesundheitlichen Folgen für die Menschen befasste. Und schließlich fiel der Ärztetag zeitlich mitten in die Koalitionsverhandlungen einer neuen Bundesregierung; auch das war neu.
Der Hybrid-Ärztetag stieß auf eine große mediale Resonanz: Mehr als 140 Journalistinnen und Journalisten hatten sich für den Ärztetag akkreditiert und verfolgten die gesundheits- und berufspolitischen Debatten per Livestream. Vor Ort waren rund 40 dabei. Darunter waren Korrespondenten und Reporter überregionaler Printmedien, deutschlandweiter öffentlich-rechtlicher Radiosender, Nachrichtenagenturen, regionaler Rundfunksender, Wochenmagazinen wie Der Spiegel, Tageszeitungen von Berliner Zeitung bis Stuttgarter Nachrichten sowie Fachpresse.
Zusätzlich drehten fünf Fernsehteams vor Ort für ihre Sender: Allein die ARD-Tagesschau berichtete zehnmal, WDR und Bayerischer Rundfunk jeweils fünfmal und das ZDF viermal innerhalb weniger Tage vom Hybrid-Ärztetag.
Alle wichtigen Entscheidungen des Ärztetags wurden in Pressemitteilungen aufbereitet. Ergänzt wurden diese im YouTube-Kanal der Bundesärztekammer (BÄK) mit einem Interview des neugewählten BÄK-Vizepräsidenten, Dr. Günther Matheis, und Gesprächen mit den jeweiligen Referenten sowie einem Erklärfilm zum eLogbuch.
Twitter-Nutzer konnten den Ärztetag nahezu in Echtzeit verfolgen. Insgesamt 79 Tweets informierten die mehr als 19 500 Follower von @BAEKaktuell live über die Ereignisse. Einen Rekord bei der Weiterverbreitung verzeichnete der Tweet „125. Deutscher Ärztetag nimmt Antrag des Vorstandes ‚Klimaschutz ist Gesundheitsschutz‘ mit überwältigender Mehrheit an“. Der Tweet wurde insgesamt 81-mal retweetet und erhielt 202 Likes (Stand: 07.12.2021).
„Krankenhäuser sind keine Industriebetriebe“
Im Fokus der medialen Berichterstattung standen die Eröffnungsrede von BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt und die erneuten Warnungen des Ärzteparlamentes vor einer zunehmenden Kommerzialisierung und dem damit verbundenen Kostendruck sowie dem bedrohlichen Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. So titelte Zeit-online: „Ärzte fordern Abkehr von Renditedenken“ und zitierte aus der Eröffnungsrede des BÄK-Präsidenten Dr. Klaus Reinhardt: „Krankenhäuser sind keine Industriebetriebe, und Ärzte und Patienten sind keine Glieder einer Wertschöpfungskette“. Und auch das RedaktionsNetzwerk Deutschland betonte: „Ärzte wollen neue Klinikfinanzierung: ‚Krankenhäuser sind keine Industriebetriebe‘“. „Pandemie legt Finger in die Wunden des Gesundheitssystems“, erklärte der Bayerische Rundfunk die Ärztetags-Debatte.
Die Fuldaer Zeitung kommentierte: „Der Groll wird größer und größer. In Deutschland herrscht ein extremer Personalmangel im Gesundheitswesen. Das ist gewiss nichts Neues. […] Die Branche schreit unentwegt nach Reformen. Nach fairen Löhnen. Nach mehr Entlastung. Nach mehr Anerkennung. […] Die Belastungsgrenzen sind längst erreicht. Die Arbeitsbedingungen lassen zu wünschen übrig. […] Es ist höchste Zeit. […] Im gesamten Gesundheitswesen bedarf es mehr Wertschätzung. Nur so rücken neue und motivierte Fachkräfte nach. Und nicht zuletzt: Das Gesundheitssystem muss auf Prävention umgestellt werden. Denn nur, wenn wir alle gesünder werden, kann der drohende Kollaps aufgehalten werden“.
Noch Tage nach dem Ärztetag hallte die Warnung vor einem drohenden „Personalkollaps im Gesundheitswesen“ durch die Medienlandschaft. Tageszeitungen wie Westfälische Nachrichten, Passauer Neue Presse und Die Rheinpfalz titelten „Riesenbaustelle Fachkräftemangel“ und berichteten nachträglich vom 125. Deutschen Ärztetag.
Klimaschutz: „Die eigentliche Überzeugungsarbeit beginnt erst jetzt“
Positiv reagierten die Medien auch auf die leidenschaftlich – mitunter emotional – geführte Debatte zum zweiten große Schwerpunkt-Thema des Ärztetages: „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“. „Klimawandel ist gesundheitsgefährdend – ‚Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns“, fasste der WDR zusammen.
Nicht selten wird „Klimaschutz“ als Synonym für Verzicht und Einschränkung verwendet. Das Deutsche Ärzteblatt bewertete „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz“ als positive Botschaft, um die Bevölkerung zu erreichen. „Und wer könnten bessere Vorbilder und Vermittler sein als Ärztinnen und Ärzte, die ein großes Vertrauensverhältnis zu ihren Patientinnen und Patienten haben?“
Auch die Botschaft des Ärztetages sei aus Sicht des Ärzteblattes eindeutig: „Die Ärzteschaft will handeln“. Politik, Länder und Krankenhausträger müssten dies auch tun, indem sie in klimagerechte Strukturen investieren. Der entscheidende Punkt sei, dass die derzeitigen Berechnungen der Kosten-Nutzen-Rechnung zum Klimaschutz den gesundheitlichen Nutzen außen vor ließen. „Das ist fahrlässig und kontraproduktiv“, so das Ärzteblatt.
Die Ärzte Zeitung betonte: „Die ins Thema führenden Beiträge zu Beginn [des Ärztetages] und die Ernsthaftigkeit der Debatte wurden dem Anspruch gerecht, dass Ärzte eben nicht nur für die Wiederherstellung der Gesundheit von Patienten, sondern auch für gesund erhaltende Lebensbedingungen zuständig sind.“
Die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung ist kein neues Thema auf einem Deutschen Ärztetag. Bei diesem Ärztetag wurde jedoch besonders intensiv über die Umsetzung digitaler Anwendungen diskutiert sowie die künftige stärker patientenorientierte Ausrichtung der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Dies registrierten auch Medienvertreter: „Eigentlich sind Mediziner eher dafür bekannt, zurückhaltend zu sein. […] Umso mehr ist darauf zu achten, wenn eben dieser Berufsstand bei einem Branchentreffen wie dem 125. Deutschen Ärztetag, […] alles andere als tief stapelt, sondern sich mal so richtig auskotzt. Und zwar über die Telematik“, kommentierte die Berliner Zeitung. „Die Einführung [der Telematikinfrastruktur (TI)] sei dilettantisch und gefährlich; die TI nicht marktreif. „Man sollte diese Warnung ernst nehmen – wenn sie schon während einer Pandemie und von Medizinern in dieser Deutlichkeit kommt“, betonte die Berliner Zeitung schließlich.
Darüber hinaus griffen die Medien eine Vielzahl weiterer Beschlüsse des Ärzteparlaments auf. „Ärztetag spricht sich für Cross-over-Lebendspende aus“, Ärzteschaft für Stopp der E-Evidenz-Verordnung“, „Ärzteschaft warnt vor Legalisierung von Cannabis“ und „Gesetzliche Regelung zur Suizidprävention gefordert“, meldete beispielsweise das Deutsche Ärzteblatt. Auch die Ärzte Zeitung berichtete über diese und weitere Themen.
Beide Fachmedien berichteten ausführlich über den aktuellen Umsetzungsstand der (Muster-)Weiterbildungsordnung sowie die eindringlichen Appelle der Ärztetags-Abgeordneten an die politischen Verantwortlichen, die Attraktivität des Öffentlichen Gesundheitsdienstes als Arbeitsplatz für Ärztinnen und Ärzte deutlich zu erhöhen.