„Verfahrenssicherheit für eine hochsensible Diagnostik“
Die Bundesärztekammer (BÄK) hat die Fünfte Fortschreibung der Richtlinie zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (IHA) – umgangssprachlich oft auch „Hirntod“ genannt – veröffentlicht. Diese umfasst Aktualisierungen bezüglich der Diagnostik und der ärztlichen Qualifikationsanforderungen sowie redaktionelle Überarbeitungen der Protokollbögen.
„Die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls ist eine hochsensible, aber sehr sichere Diagnose in der Medizin“, betonte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt anlässlich der Veröffentlichung der Richtlinien-Fortschreibung. Umso wichtiger sei hier die diagnostische Sicherheit auf Grundlage des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands. „Mit dieser Fortschreibung liegt ein fachlich breit konsentiertes Regelwerk vor, in das Sachverstand der betroffenen Experten und der zuständigen Behörden auf Bundes- und Landesebene mit einbezogen wurde“, so Reinhardt.
Ein irreversibler Hirnfunktionsausfall liegt dann vor, wenn bei einer Patientin oder einem Patienten die Funktion des gesamten Gehirns unumkehrbar erloschen ist. Die BÄK-Richtlinie beschreibt gemäß § 16 Abs. 1. S. 1 Nr. 1 des Transplantationsgesetzes (TPG) den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die diagnostischen Schritte dieses speziellen Verfahrens sowie die dazu erforderliche ärztliche Qualifikation.
Die zweifelsfreie Feststellung des IHA ist für die Intensivmedizin unverzichtbar – auch unabhängig von der Frage einer möglichen Organ- und Gewebespende. Wenngleich sich die Grundlagen im Prinzip seit rund 40 Jahren nicht verändert haben, so war eine Aktualisierung erforderlich geworden, unter anderem bei der Feststellung des IHA bei Patientinnen und Patienten mit extrakorporaler Membranoxygenierung (venovenöse oder venoarterielle ECMO)* und/oder extrakorporalen Unterstützungssystemen (ECLS). Erarbeitet wurden zu diesen gerade in der Pandemie häufig angewendeten Verfahren detailliertere Vorgaben, insbesondere zum Apnoe-Test.
„Diese Vorgaben beschreiben wir nun ausführlicher und verweisen auf einschlägige Literatur. Zugleich setzen wir voraus, dass die IHA-Diagnostik unter Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt wird, die mit den physiologischen Besonderheiten unter ECMO/ECLS vertraut sind“, erläutert Prof. Dr. Stephan Brandt, Federführender des Ständigen Arbeitskreises „Richtlinie zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls“ des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK.
Auch die Anwendung zusätzlicher bildgebender Verfahren zur Feststellung eines zerebralen Zirkulationsstillstandes unter ECMO/ECLS wurde geprüft. „Gemäß dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse können die CT-Angiographie (CTA), die Perfusionsszintigraphie und die Doppler-/Duplexsonographie unter venovenöser ECMO zuverlässig beurteilt werden. Bei einer venoarteriellen ECMO und ECLS sind diese Verfahren nicht anzuwenden“, so Brandt.
Darüber hinaus wurden bei der Fünften Fortschreibung der Richtlinie die ärztlichen Qualifikationsanforderungen aktualisiert. So ist die Feststellung des IHA bei Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr nun auch durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Kinder– und Jugendchirurgie möglich. Die Vorgaben zur Durchführung des EEG** wurden aktualisiert, vor allem im Hinblick auf die Verwendung digitaler EEG-Geräte.
Mit der Fortschreibung der Richtlinie wurden zudem Wünsche der praktischen Anwenderinnen und Anwender umgesetzt, die in Fachanhörungen unter den betroffenen Fach- und Verkehrskreisen zurückgemeldet wurden wie etwa eine redaktionelle Überarbeitung der Protokollbögen. Diese müssen die Anforderungen der Richtlinie eindeutig abbilden, um während einer Untersuchung auf der Intensivstation die Untersuchenden im Sinne einer „roadmap“ zu unterstützen.
„Die neuen Bögen sind noch übersichtlicher. Wir sind optimistisch, dass sie sich in der Praxis bewähren werden“, erläutert Prof. Dr. Hans Clusmann, stellvertretender Federführender des Ständigen Arbeitskreises und Direktor der Klinik für Neurochirurgie der Uniklinik RWTH Aachen. Die Protokollbögen seien nun im Interesse der Anwenderfreundlichkeit in einem auch digital ausfüllbaren Format verfügbar, was ihre Zukunftsfähigkeit unterstreiche.