Analoge Bewertung: Gleichartig oder gleichwertig?
Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 38 (19.09.2003), Seite A-2465
Die vom Ausschuss "Gebührenordnung" der Bundesärztekammer empfohlenen Analogbewertungen neuerer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden stoßen gelegentlich bei Teilen der Ärzteschaft auf Unverständnis oder offene Ablehnung, mit dem Argument, die von der Bundesärztekammer empfohlene Analogbewertung sei der "Art" nach nicht mit der zu bewertenden Leistung vergleichbar.
Nach § 6 Abs. 2 GOÄ muss eine Leistung, die im Gebührenverzeichnis nicht enthalten ist, entsprechend einer gleichwertigen Leistung berechnet werden. "Art, Kosten- und Zeitaufwand" sind Vergleichskriterien, die zur Präzisierung der Gleichwertigkeit der Leistung 1988 in die Bestimmungen der GOÄ aufgenommen wurden. Ziel der Neufassung des § 6 Abs. 2 GOÄ war, "dem Bedürfnis, die entsprechende Bewertung an sachlich nachvollziehbare Kriterien zu binden, Rechnung zu tragen" (vgl. Amtliche Begründung zur Dritten Verordnung zur Änderung der GOÄ, BGBl. I S. 797). Die Vergleichbarkeit der Leistungen ist am ehesten gegeben, wenn Leistungen desselben Fachgebiets miteinander verglichen werden. Idealerweise sollte deshalb die gleichwertige Leistung aus demselben Abschnitt der GOÄ entnommen werden, dem die analog zu bewertende Leistung zuzurechnen ist - so die Handlungsempfehlung des Vorstands der Bundesärztekammer im Jahr 1984, zwei Jahre nach In-Kraft-Treten der neuen GOÄ.
Mit zunehmender Veraltung der GOÄ wird jedoch nicht nur die Anzahl erforderlicher Analogbewertungen größer, sondern mitunter auch die Suche nach einer adäquaten Vergleichsmöglichkeit innerhalb desselben GOÄ-Abschnitts schwierig. Entscheidend bei der Suche nach einer adäquaten Analogbewertung ist aber nicht allein die äußere Gleichartigkeit der Leistung, sondern vor allen Dingen auch die innere Gleichwertigkeit. Die Analogbewertung muss angemessen sein, sie darf im Abgleich mit den übrigen Leistungen der GOÄ - innerhalb desselben Fachgebietes, aber auch in Beziehung zum gesamten Gebührenverzeichnis - nicht das relationale Bewertungsgefüge sprengen.
Die Abrechnungsempfehlungen der Bundesärztekammer, einschließlich ihrer Empfehlungen zu Analogbewertungen, sind nicht rechtsverbindlich. Wer eigene Wege geht, sollte dennoch die dem Interessenausgleich zwischen Arzt und Patient dienenden Grundsätze (vgl. § 11 Bundesärzteordnung und § 12 Berufsordnung) bei der Bewertungsfindung beherzigen. Insbesondere sollte das Vergleichskriterium "Gleichartigkeit der Leistung" nicht als Alibi für die Forderung höherer Honorarvorstellungen instrumentalisiert werden. So wird zum Beispiel die von der Bundesärztekammer empfohlene Analogbewertung der radialen Stoßwellenbehandlung nach Nr. 302 (Punktion eines Schulter- oder Hüftgelenks, 250 Punkte) von manchen Abrechnungsspezialisten wegen vorgeblicher mangelnder methodischer Vergleichbarkeit abgelehnt und stattdessen empfohlen, analog Nr. 5813 (900 Punkte) abzurechnen - worin soll die größere methodische Ähnlichkeit der Applikation niederenergetischer Stoßwellen auf einen Tennisellenbogen mit der Hochvoltbestrahlung von gutartigen Hypophysentumoren oder der endokrinen Orbitopathie nach Nr. 5813 liegen?
Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 38 (19.09.2003), Seite A-2465)