Substanzübergreifende Aspekte

  • 1. Hinweise zum Arzt-Patienten-Gespräch

    Patientenaufklärung und motivierende Gesprächsführung

    An erster Stelle sollte die primäre Prävention i. B. auf schädlichen Konsum und Abhängigkeit von Medikamenten stehen.

    Grundsätzlich ist zu klären, ob von Patientinnen und Patienten geschilderte, nicht-akute und nicht-spezifische Beschwerden auch ohne (psychotrop wirkende) Medikamente gelindert werden könnten bzw. ob sich zunächst eine abwartende Haltung mit erneuter Konsultation empfiehlt. Nicht-medikamentöse Strategien, die Stress, Schlafstörungen, Unruhezustände oder Ängste lindern, sind von individuellen Ressourcen abhängig und sollten im ärztlichen Gespräch aktiviert werden. Sollten sich Hinweise auf psychische / psychiatrische / psychosomatische Erkrankungen ergeben, soll eine frühzeitige psychiatrische / psychotherapeutische Vorstellung gebahnt werden. Viele unspezifische Beschwerden können im Sinne von vorübergehenden Befindlichkeitsstörungen gewertet werden. Dies entbindet aber nicht davon, beklagte Symptome im Hinblick auf eine spezifische Erkrankung hin abzuklären.

    Vor Erst- und Folge-Verschreibungen von Medikamenten mit psychotroper Wirkung und Abhängigkeitspotenzial ist die Anamnese samt Suchtanamnese zu erheben und vor diesem Hintergrund soll die Auswahl von Medikamenten kritisch erfolgen. Initial und wiederholt sollen mit den Patientinnen und Patienten Therapieziele vereinbart, evaluiert und entsprechende Anpassungen vorgenommen werden.

    Grundsätzlich sind bei einem Einsatz von Medikamenten mit Suchtpotenzial folgende Vorsichtsmaßnahmen (5-K-Regel der AkdÄ) zu beachten:

    1. Einsatz nur bei klarer Indikation
    2. Anwendung der kleinsten möglichen Dosis
    3. Anwendung über den kürzesten möglichen Zeitraum
    4. Kein abruptes Absetzen
    5. Kontraindikationen sind zu beachten

    Unabhängig von der Auswahl der Medikation sind ärztliche Aufklärung und Psychoedukation zentral, da sich eine Abhängigkeit auch ohne vorherige Suchtanamnese entwickeln kann. Abhängigkeit und Chronifizierung können sich z. T. sehr schnell, in Tagen bis Wochen, entwickeln und sind je nach Indikation, Präparat, Dosis und individueller Konstellation auch nicht vermeidbar. Die zeitlich vorgesehene Befristung einer Verordnung mit möglichen Absetz- und/oder Entzugserscheinungen ist vor Beginn der Therapie mit dem Patienten oder der Patientin zu thematisieren. Dies kann im konkreten Fall für Betroffene hilfreich sein, sich auf eine entsprechende Symptomatik einzustellen, Symptome zu deuten und auch vorübergehend unangenehme Zustände besser aushalten zu können. Benzodiazepine und Z-Substanzen sind aufgrund der schnellen Toleranzentwicklung und hohen Suchtgefahr nur zur Behandlung für eine Kurzzeittherapie von maximal vier Wochen zu verordnen. Abgesehen von begründeten Einzelfällen sind Tranquillantien und Sedativa nach der Anlage III der Arzneimittelrichtlinie des G-BA von der Verordnung über vier Wochen hinaus ausgeschlossen. Bei gesetzlich Krankenversicherten soll für die Verordnung von Sedativa und Tranquillantien über vier Wochen hinaus nicht auf Privatrezepte ausgewichen werden, sondern frühzeitig eine alternative Behandlung eingeleitet werden.

    Die Detektion einer bestehenden Abhängigkeit von Medikamenten ist essenziell, kann aber schwer zu erfassen sein. Hinweise können sich ergeben aus

    • der Anamnese
    • der speziellen Medikamentenanamnese
    • nicht-bestimmungsgemäßem Gebrauch von Medikamenten mit Steigerung der Dosis
    • psychosozialen Risikofaktoren
    • psychischen Erkrankungen
    • der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe (z. B. Frauen, höheres Lebensalter)
    • wiederholtem Wunsch nach Verordnungen, „Rezeptverlusten“
    • Schilderung von Entzugssymptomen
    • Wunsch nach Arzneimitteln mit schnellem Anfluten (immediate release)
    • wechselnden Behandlern
    • organisch schwer fassbaren und diffusen unklaren Symptomen u. a.

    Problematisch kann der erhöhte Anspruch auf schnelle Linderung von belastenden Symptomen an Ärztinnen und Ärzte sein. Die patientenseitige Vorstellung einer medikamentösen Therapie mit psychotrop wirkenden Medikamenten als Dauerlösung ist häufig anzutreffen. Aus wenigen Tagen können schnell mehrere Wochen der Medikamenteneinnahme werden, es kann zu eigenständiger Dosiserhöhung und trotz ausreichender Verordnung zu einer erhöhten Rezept-Nachfrage kommen. Möglicherweise werden entsprechende Medikamente auch von verschiedenen ärztlichen Behandlern verordnet, d. h. der Konsum oder die Abhängigkeit ist nicht einschätzbar.

    Diagnostische Kriterien der Abhängigkeit (ICD-10: F1x.2)

    Für die Diagnose einer Abhängigkeit müssen mindestens drei der Kriterien während eines Einmonatszeitraums oder innerhalb eines Einjahreszeitraums immer wieder erfüllt sein:

      1. Starker Wunsch oder Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren
      2. Verminderte Kontrollfähigkeit im Umgang mit dem Konsum
      3. Körperliches Entzugssyndrom
      4. Toleranzentwicklung und Dosissteigerung
      5. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen, z. B. sozialer oder beruflicher Art
      6. Anhaltender Substanzkonsum trotz eindeutiger Folgeschäden

    Schädlicher Gebrauch von Medikamenten (ICD-10: F1x.1)

    Konsum psychotroper Substanzen, der zu physischen oder psychischen Gesundheitsschädigungen führt, z. B. Hepatitis nach intravenösem Konsum oder depressive Episode nach starkem Alkoholkonsum.

    „Nicht-bestimmungsgemäßer Gebrauch“ von Medikamenten
    (Quelle: S3- Leitlinie „Medikamentenbezogene Störungen“)

    • „Off-label-use“: Einsatz eines Medikamentes außerhalb der zugelassenen Indikation nach ärztlicher Aufklärung und Verordnung bzw. ärztlich verordneter Dosisanpassungen unabhängig von der zugelassenen Dosierung aufgrund individueller Gegebenheiten
    • „Medikationsfehler“: Abweichung vom vorgegebenen Anwendungsschema, es besteht ein Schädigungsrisiko für den Patienten/die Patientin
    • „Fehlgebrauch“: Medikamenteneinnahme weicht von der Verordnung ab, Fehlgebrauch wird in „absichtlich“ oder „unabsichtlich“ unterschieden“

    Sonderfall Niedrigdosisabhängigkeit (Low-Dose-Dependency)

    Die regelmäßige Einnahme von Benzodiazepinen und deren Analoga kann bereits in therapeutischer Dosierung zu einer Abhängigkeit führen. Die Dosis wird dabei oft im Bewusstsein einer drohenden Abhängigkeit nicht wesentlich gesteigert. Bei dem Versuch der Reduktion kann es zu Entzugserscheinungen kommen, die jedoch fehlinterpretiert werden, z. B. als weiterhin vorhandene Unruhe, Konzentrations- oder Schlafstörung. Die Betroffenen betrachten sich nicht als abhängig.

    Für weitere Definitionen von riskantem oder schädlichem Substanzkonsum und Abhängigkeit nach ICD-10, ICD 11, DSM IV oder DSM-5 wird auf die entsprechenden Veröffentlichungen von WHO, APA oder die S3-Leitlinie „Medikamentenbezogene Störungen“ verwiesen.

    Im Einzelfall kann die Einordnung schwierig sein, an welcher Stelle es sich noch um einen bestimmungsgemäßen Gebrauch trotz Risiken handelt oder ein schädlicher Konsum oder eine Abhängigkeit vorliegen. Die Grauzone des Übergangs - bestimmungsgemäßer Gebrauch/schädlicher Konsum - wird aus ärztlicher Sicht und aus Sicht der Patientinnen und Patienten oft unterschiedlich beurteilt.

    Bei Feststellung eines schädlichen Konsums oder einer manifesten Abhängigkeit (Konsum von Medikamenten ohne medizinische Indikation) soll ein klärendes Gespräch mit dem Patienten/der Patientin mit dem Ziel einer ersten Nachdenklichkeit geführt werden. Im Sinne einer partizipativen Entscheidungsfindung kann dann eine Planung zur Reduktion, zur „harm reduction“ und ggf. Beendigung des Konsums respektive der Abhängigkeit entwickelt werden. Menschen profitieren sehr von einer wertfreien, verständnisvollen und offenen ärztlichen Grundhaltung sowie dem Umgang auf Augenhöhe gerade in Bezug auf eine Abhängigkeitserkrankung. Eine andauernde Medikamenteneinnahme kann allerdings häufig auf fehlende Ressourcen, z. B. fehlende nicht-medikamentöse Strategien zur Bewältigung und Symptomlinderung, zurückzuführen sein. Versuche der Reduktion und Absetzen der Medikamente können dann frustran verlaufen.

    Je nach individueller Ausgangssituation können Maßnahmen von einer „einfachen“, kurzen, ambulanten Reduktion und Beendigung bis hin zum stationären Entzug und zur Langzeitbehandlung/Entwöhnung angezeigt sein. Für den schrittweisen Entzug von einer langjährigen Benzodiazepineinnahme kann z. B. eine Zeitdauer bis zu einem Jahr erforderlich sein.

    Insgesamt ist die Entwicklung von Medikamentenabhängigkeit im medizinischen Kontext problematisch, da einerseits Nutzen und andererseits potenziell Schaden, in Zusammenhang mit ärztlichem Handeln, hier eng beieinander liegen. Für Patientinnen und Patienten stehen Wirkung, Nutzen und psychotrope Effekte oft sehr im Vordergrund, ein Verständnis für negative Langzeitfolgen kann gering erscheinen. Bei Hochbetagten ist die Langzeitperspektive mit einem schnellen Entzug nicht im Vordergrund, hinsichtlich der Lebensqualität gilt es hier auch Güterabwägungen im Hinblick auf individuelles Leid zu treffen, z. B. kann eine Medikamentenumstellung hinsichtlich geringerer Akkumulation und Verminderung der Sturzgefahr schon hilfreich sein.

    Motivierende Gesprächsführung (MI)

    Bei der Behandlung von Suchterkrankungen ist die Veränderungsmotivation der Betroffenen von entscheidender Bedeutung. Gezielte ärztliche Kompetenzen zur kreativen Gesprächsführung, wie die MI, sind in einem überschaubaren Zeitraum erlernbar und geeignet, die intrinsische Motivation von Menschen zur Veränderung problematischen Verhaltens zu erhöhen. Dabei wird berücksichtigt, dass sich Veränderungsbereitschaft in Phasen entwickelt (transtheoretisches Modell nach Prochaska und Di Clemente). Mittlerweile gibt es ein großes Fortbildungsangebot für MI, so dass an dieser Stelle darauf verwiesen wird.


  • 2. Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung: Antragstellung, Durchführung, verfügbare Einrichtungen, Kostenträger

    Laut den Angaben des Jahrbuches Sucht 2021 werden Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung durch Medikamente bezogen auf die hohe Prävalenz selten in suchtmedizinischen Einrichtungen behandelt, d. h. die vorhandenen Behandlungsstrukturen werden hier nicht genutzt.

    Je nach konkretem Fall sind die Suchtberatungsstellen zentrale Anlaufstelle und Bindeglied zwischen den verschiedenen suchtspezifischen Hilfen. Die Suchthilfe bietet Beratung, Diagnostik und Therapie zur Bewältigung einer Suchterkrankung.

    Notwendige Anträge in diesem Zusammenhang werden in der Regel durch Suchtberater gestellt, ebenso das notwendige Gutachten (Sozialbericht). Zum Antrag gehören:

    • Antrag auf Rehabilitation
    • Ärztlicher Befundbericht
    • Freiwilligkeitserklärung des Betroffenen
    • Sozialbericht der Beratungsstelle

    Übersicht verfügbarer Behandlungsangebote bei Medikamentenanhängigkeit

    Therapieangebot

    Aufgabe/Zielsetzung

    durchschnittliche Behandlungsdauer

    Kostenträger

    ambulante Suchtberatung

    niedrigschwelliges Kontaktangebot

    Schaffung von Krankheitseinsicht und Behandlungsmotivation, evtl. Nachsorge nach stationärem Aufenthalt, Koordination der Behandlung

    patientenabhängig

    kostenfrei über Beratungsstellen kommunaler Träger oder der freien Wohlfahrtspflege

    Kostenträgerschaft ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt

    ambulante Psychotherapie

    Behandlung komorbider Störungen

    Weiterbehandlung nach stationärem Aufenthalt

    Voraussetzung: Abstinenz innerhalb der ersten 10 Behandlungsstunden s. Psychotherapie-Richtlinie § 27 Abs. 2

    patientenabhängig: Zunächst bis 5 probatorische Sitzungen. Kurzzeittherapie 12 (-24) Std., Verlängerung ist bei entsprechendem Antrag möglich.

    GKV, in der PKV vertragsabhängig, bei Empfängern von Transferleistungen zuständiger Sozialhilfeträger

    stationärer Entzug

    Entgiftung vom Suchtmittel und Behandlung der körperlichen Entzugserscheinungen

    bis zu 7 Tage

    GKV, PKV, bei Empfängern von Transferleistungen zuständiger Sozialhilfeträger

    Qualifizierte Entzugsbehandlung

    neben Entgiftung und Behandlung körperlicher Entzugserscheinungen auch suchtspezifische Psychotherapie u. a. zur Steigerung der Behandlungsmotivation Sicherstellung eines nahtlosen Übergangs zur Entwöhnungsbehandlung

    14 bis 21 Tage

    GKV, PKV, bei Empfängern von Transferleistungen zuständiger Sozialhilfeträger

    Stationäre medizinische Rehabilitation (Entwöhnung)

    Einzel- und Gruppentherapie, begleitende Therapieformen (z. B. Sport- und Bewegungstherapie, Ergotherapie, Entspannungs- und Musiktherapie, Soziotherapie, arbeitsbezogene Leistungen)

    Ziel: wie unter ambulanter Rehabilitation

    in der Regel 8 bis 16 Wochen, unterschiedliche Behandlungsdauer in Abhängigkeit von den individuellen Voraussetzungen (Kurz-, Langzeitbehandlung)

    vorab ist die Kostenübernahme mit dem zuständigen Kostenträger zu klären: Rentenversicherung, GKV, bei Empfängern von Transferleistungen zuständiger Sozialhilfeträger, Leistungen nach SGB IX, SGB XII

    ambulante medizinische Rehabilitation/ ganztägig ambulante Rehabilitation (ehemals teilstationär)

    Einzel- und Gruppentherapie

    Ziel: Erreichung und Erhalt der Abstinenz, Behebung körperlicher und seelischer Störungen und Teilhabe an Arbeit, Beruf und Gesellschaft

    bis zu 18 Monate

    vorab ist die Kostenübernahme mit dem zuständigen Kostenträger zu klären: Rentenversicherung, GKV, bei Empfängern von Transferleistungen zuständiger Sozialhilfeträger

    Leistungen nach SGB IX, SGB XII

    ambulante Nachsorge, poststationäre Behandlung

    Stabilisierung der Therapieergebnisse im Alltag, berufliche Reintegration

    patientenabhängig

    vorab ist die Kostenübernahme mit dem zuständigen Kostenträger zu klären: Rentenversicherung, GKV, bei Empfängern von Transferleistungen zuständiger Sozialhilfeträger

    Leistungen nach SGB IX, SGB XII

    Selbsthilfe

    Förderung der Krankheitseinsicht, Stärkung der Behandlungsmotivation, Stabilisierung von Therapieerfolgen im Alltag, Rückfallprophylaxe, soziale Reintegration

    patientenabhängig – ggf. lebenslang

    Kostenfrei, auf Wunsch anonym


  • 3. Weiterführende Beratungsangebote/Selbsthilfeangebote

    Für das System der Suchthilfe sind medikamentenbezogene Störungen insofern problematisch, weil Menschen eine Abhängigkeit bzw. Schädigung im Kontext ärztlicher Verordnungen erlitten haben können. Die verordneten Substanzen waren oder sind meist auch symptombezogen wirksam; so dass Schuldzuschreibungen, die im Rahmen einer Suchtentwicklung häufig anzutreffen sind, hier sehr komplex ausfallen können.

    Das Thema „Sucht“ als chronische Erkrankung mit andauernder Rückfallmöglichkeit in der eigenen Biographie anzuerkennen, begleitet viele Menschen über lange Zeit, z. T. lebenslang. Die Selbst-Erkenntnis über den chronischen Verlauf hat zur Entwicklung eines umfassenden Selbsthilfe-Nachsorgenetzwerkes geführt, das einen wichtigen Bestandteil der freiwilligen Hilfe Betroffener durch Betroffene darstellt. Richteten sich die Angebote ursprünglich an Menschen mit alkoholbezogenen Störungen, wird heutzutage Selbsthilfe für substanzgebundene und nicht-substanzgebundene Abhängigkeiten angeboten.

    Die Selbsthilfe richtet sich an Betroffene und auch ausdrücklich an deren Angehörige; je nach Struktur wird in gemeinsamen oder getrennten Gruppen gearbeitet.

    Die Sucht-Selbsthilfe bietet niedrigschwellige Angebote für alle Menschen in jeder Lebenssituation, um sich mit dem Thema Abhängigkeit auseinanderzusetzen. Neben Beratungsangeboten wird zur Behandlung motiviert und perspektivisch langfristige Selbsthilfe zur Bewältigung der Abhängigkeitsproblematik angeboten.

    Typischerweise wird Selbsthilfe im regelmäßigen Austausch in Gruppen geleistet, da hier bei guter Kohäsion wesentliche Wirkfaktoren einer Gruppendynamik genutzt werden können: Begegnung auf Augenhöhe, partnerschaftliche Zusammenarbeit, Erfahrungsaustausch, Meinungsäußerung und Meinungsbildung, Stärkung von Selbstwert (jede/jeder in der Gruppe ist wichtig), Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Möglichkeiten neuer, stabilisierender Beziehungserfahrungen, Modell-Lernen in geschützter Atmosphäre, Umgang mit herausfordernden Situationen und Rückfällen. So werden Grundlagen für die weitere Abstinenz gelegt und entwickelt.

    Ziel der Sucht-Selbsthilfe ist es, suchterkrankten Menschen die Entwicklung und Etablierung eines gesunden und resilienten Lebensstils zu ermöglichen, dem ein positives Menschenbild zugrunde liegt und der sich aus den Ressourcen aller individuell Beteiligten zu entwickeln vermag.

    Ärztinnen und Ärzte können über die Suchthilfe und die Suchtselbsthilfe niedrigschwellig informieren bspw. durch Darstellung der Suchthilfe und Selbsthilfe auf ihrer Homepage oder auch durch Informationsmaterial in der Praxis. Die Organisation und die Ansprechpartner der regionalen Suchthilfe sollten (bestenfalls persönlich) bekannt sein. Für weitergehende Beratung sollten, soweit eine spezielle suchtmedizinische Qualifikation zur weiteren Behandlung erforderlich ist, den Betroffenen entsprechende Adressen und Kontaktdaten jederzeit zur Verfügung gestellt werden können.

    Ärztlicherseits sollte die Teilnahme Betroffener, ggf. auch deren Angehöriger, an den Gruppenangeboten der Sucht-Selbsthilfe motiviert und langfristig unterstützt werden.


  • 4. Hinweise zur interprofessionellen Zusammenarbeit zur Prävention eines missbräuchlichen oder abhängigen Konsums (insbesondere mit Apothekern, MFA)

    Wertvolle Hinweise auf eine drohende oder bestehende Abhängigkeit respektive einen schädlichen Gebrauch können häufig von anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen gegeben werden. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Sensibilisierung der Berufsgruppen sowie Zeit und Offenheit für interprofessionelle Zusammenarbeit.

    Je nach Berufsgruppe machen Patientinnen und Patienten bezüglich ihrer gesundheitlichen Beschwerden und ihres Leidensdrucks unterschiedliche Angaben und äußern sich anders, als sie es im ärztlichen Gespräch tun. Wenn eine Möglichkeit zum Austausch der Gesundheitsberufe besteht, wird sich für die ärztliche Gesamtsicht ein differenzierteres Bild ergeben. In entsprechenden Einzelfällen könnte so schon frühzeitig oder präventiv gehandelt werden.

    Die verpflichtenden Beratungen zu Arzneimitteln in Apotheken konkretisieren bspw. die sachgerechte Einnahme. Damit könnten bereits individuell Hinweise zu einer möglichen Fehlentwicklung gegeben werden und ggf. kann auch auf ein ärztliches Gespräch über die Problematik von Abhängigkeitsentwicklung verwiesen werden. Bei Unklarheiten werden i. d. R. auch Rückfragen an die verordnenden Ärztinnen und Ärzte vor Abgabe der Medikamente gestellt.

    Bei der Kommunikation ist auf die Wahrung des Datenschutzes zu achten. Bei interdisziplinärem Austausch muss eine entsprechende Schweigepflichtentbindung des Patienten/der Patientin vorliegen.


  • 5. Weiter- und Fortbildungsangebote

    Curriculum zum Erwerb der Zusatzweiterbildung
    „Suchtmedizinische Grundversorgung“- Kursangebote der LÄK

    Fortbildungsangebote der AkdÄ: https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Fortbildung/Vortraege/TS/2020/Suchtpotenzial.pdf