Abweichende Honorarvereinbarung
Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 45 (08.11.2002), Seite A-3043
Im Gegenzug zur breiteren Auffächerung des Leistungsverzeichnisses (von 1000 auf 2400 Gebührenpositionen) wurde im Rahmen der Neufassung der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) von 1982 der vom Ein- bis Sechsfachen reichende Gebührenrahmen auf das maximal 3,5fache, bei den technischen Leistungen auf das 2,5fache eingeschränkt. Sukzessive wurden anschließend die Rahmenbedingungen für eine von der Gebührenordnung abweichende Honorarvereinbarung (Abdingung) im Sinne des Patientenschutzes verschärft.
Eine komplette Abdingung der Gebührenordnung, das heißt die Vereinbarung eines völlig vom Gebührenverzeichnis abgelösten Arzthonorars, zum Beispiel im Sinne einer Pauschale, ist unzulässig. Die Punktzahl der Leistung und der Punktwert (5,82873 Cent) dürfen nicht verändert werden, lediglich die Höhe des Steigerungsfaktors ist verhandelbar, die Abschnitte A, E, M und O ausgenommen. Voraussetzung für die Abdingung des Gebührenrahmens ist, dass eine persönliche Absprache zwischen Arzt und Patient vor Beginn der Behandlung getroffen wird. Den Hintergrund für die Präzisierung der abweichenden Honorarvereinbarung durch eine individuelle Absprache bildete die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit formularmäßiger Honorarvereinbarungen (siehe Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.10.1991, Az. VIII ZR 51/91). Die abweichende Honorarvereinbarung ist aus Sicht des Verordnungsgebers auf den Einzelfall abzustellen. Dabei dürfen die Vermögensverhältnisse des Patienten nicht außer Acht gelassen werden; dies ergibt sich aus dem Prinzip der "Angemessenheit der Vergütung", wie es das ärztliche Berufsrecht vorgibt (siehe § 12 Abs. 1 Muster-Berufsordnung).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 GOÄ ist außerdem vorgeschrieben, dass die abweichende Honorarvereinbarung in einem Schriftstück festzuhalten ist. Hierauf darf der Hinweis, dass eine Erstattung des vereinbarten Betrages durch die Erstattungsstelle möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist, nicht fehlen, andere Erklärungen, zum Beispiel zur Vertreterregelung, dürfen jedoch nicht mit der abweichenden Honorarvereinbarung vermengt sein. Die Leistung, für die eine abweichende Vereinbarung getroffen wird, ist genau zu bezeichnen, beziehungsweise die korrespondierende Gebührenpositionsnummer muss ausgewiesen werden. Insbesondere im stationären Bereich sind Vordrucke für abweichende Honorarvereinbarungen gebräuchlich, in denen - obwohl unzulässig - pauschal zum Beispiel alle "ärztlichen Leistungen" eingeschlossen sind. Irrtümlich geht der Chefarzt in diesen Fällen oft von der Annahme aus, die abweichende Honorarvereinbarung erstrecke sich auch auf die von seinen nachgeordneten Ärzten erbrachten Leistungen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die abweichende Honorarvereinbarung gilt ausschließlich für die vom Wahlarzt höchstpersönlich erbrachten Leistungen (§ 2 Abs. 3 GOÄ).
Auch wenn der Abschluss einer abweichenden Honorarvereinbarung nicht wie das Überschreiten der 2,3- beziehungsweise 1,8fachen Begründungsschwelle innerhalb des Gebührenrahmens einer Begründungspflicht untersteht, sind die dem Patienten gegenüber zu beachtenden Aufklärungspflichten zu beachten, um die wenigen noch vorhandenen ärztlichen Ermessensspielräume bei der Bemessung der Gebühren zu wahren.
Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 45 (08.11.2002), Seite A-3043)