Basistarif: „Tarif unter Beobachtungspflicht“
Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 33 (14.08.2009), S. A-1636
Im Rahmen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes wurden die privaten Krankenversicherungs(PKV)-Unternehmen verpflichtet, ab dem 1. Januar 2009 einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten. Dessen Vertragsleistungen haben dabei in Art, Umfang und Höhe den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) (Kapitel 3 SGB V) zu entsprechen. Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung des Basistarifs fällt dabei in den Zuständigkeitsbereich des KV-Systems, die Honorierung erfolgt zurzeit gemäß § 75 Abs. 3 a SGB V auf der Grundlage der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wie folgt: Leistungen aus den GOÄ-Abschnitten A, E und O bis zum 1,38-fachen, aus dem Abschnitt M (ebenso für die Leistung nach der Nr. 437) bis zum 1,16-fachen, alle übrigen GOÄ-Leistungen bis zum 1,8-fachen Gebührensatz. Die Vergütungsregelung kann gemäß § 75 Abs. 3 b SGB V durch eine zwischen Kostenträger- und Leistungserbringerseite getroffene – hiervon abweichende – Vereinbarung ersetzt werden. Der Versuch einer entsprechenden einvernehmlichen Einigung zwischen PKV-Verband und Kassenärztlicher Bundesvereinigung ist jedoch im Dezember 2008 gescheitert.
Für die Krankenversicherungsunternehmen besteht bezüglich des Basistarifs ein Kontrahierungszwang; Versicherungswillige, die die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, dürfen mithin nicht abgewiesen werden. Zudem dürfen keine individuellen Risikozuschläge, wie sonst in der PKV üblich, erhoben werden. Lediglich das Eintrittsalter sowie das Geschlecht spielen bei der Prämienkalkulation für den Basistarif eine Rolle, wobei eine gesetzlich definierte Beitragsobergrenze, die dem durchschnittlichen GKV-Höchstbeitrag (für 2009: 569,62 Euro) entspricht, nicht überschritten werden darf. Diese Höchstwertregelung hat zur Folge, dass bei nicht kostendeckenden Prämieneinnahmen („Kosten-Unterdeckung“) durch Basistarifversicherte die sonstigen Versicherten des jeweiligen Krankenversicherungsunternehmens im Rahmen einer Umlage hierfür finanziell eintreten müssen. Dies führt versicherungsmathematisch zwangsläufig zu kontinuierlich steigenden Prämienbelastungen dieser Versicherten in Normaltarifen und gefährdet nach Auffassung der PKV letztendlich das bisherige PKV-Geschäftsmodell insgesamt. Unter anderem zur Abwendung dieser die PKV destabilisierenden Fehlentwicklung wandten sich im Frühjahr 2008 mehrere private Krankenversicherungsunternehmen mit einer Klage an das Bundesverfassungsgericht – ohne Erfolg.
Die Verfassungsrichter bestätigten zwar die Befürchtung, dass in Basistarifen Kostenunterdeckungen eintreten könnten, die dann von den Versicherten aus Normaltarifen getragen werden müssten. Allerdings vertraten die Richter die Auffassung, dass der Basistarif nach derzeitiger Erkenntnis keine überproportionalen Ausmaße annehmen werde und insofern das Geschäftsmodell der PKV absehbar nicht gefährdet sei. Für den Fall, dass man sich mit dieser Prognose getäuscht habe, wurde der Gesetzgeber zur Beobachtung der Entwicklung und zum Eingreifen bei eintretender Gefährdung des PKV-Geschäftsmodells verpflichtet. Diese Beobachtungspflicht stellt ein bemerkenswertes Novum in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dar und kann als substanzielle Bestandsgarantie des bisherigen PKV-Geschäftsmodells verstanden werden.
Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie sich die Zahl der Basistarifversicherten, die nach bisher vorliegenden Berichten eine überproportional hohe Morbidität aufweisen, mittelfristig entwickelt. Laut „Rechenschaftsbericht der PKV 2008“ waren im modifizierten Standardtarif, der zum 1. Januar 2009 in den Basistarif überführt wurde, Ende 2008 gerade einmal 5 335 Personen versichert. Zum 1. Februar 2009 stieg diese Zahl geringfügig auf 5 550 Basistarifversicherte an und liegt zurzeit schätzungsweise bei knapp über 6 000 Personen. Neuere Daten zur bundesweiten Entwicklung werden voraussichtlich erst im Oktober 2009 vorliegen.
Alexander Golfier
(in: Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 33 (14.08.2009), S. A-1636)