Histopathologie: Ein "Material" (2) - Beispiele
Deutsches Ärzteblatt 103, Heft 9 (03.03.2006), Seite A-566
Der Begriff "Material" wird in der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Bezug auf histopathologische Untersuchungen nicht definiert. Im GOÄ-Ratgeber DÄ, Heft 7/2006 wurde die Definition ein "Material" im Wesentlichen auf die Punkte einheitliche versus nicht einheitliche histologische Struktur und einheitliche versus unterschiedliche Lokalisation reduziert. Weitere Beispiele sollen zur Veranschaulichung beitragen.
Für die histologische Aufarbeitung von Lymphknoten sind die Leitlinien der Fachgesellschaften bedeutsam, weil dort beschrieben wird, wie viele Lymphknoten entnommen und bearbeitet werden müssen, um für den vorliegenden Tumor ein ausreichendes Staging (Tumorstadieneinteilung) durchführen zu können. Es besteht Einigkeit zwischen der Bundesärztekammer und dem Berufsverband der Pathologen, dass die Anzahl von Lymphknoten berechnet werden kann, die laut Leitlinie entnommen werden musste (und zur Untersuchung vorliegt). Gibt es keine konsentierte Leitlinie, war man einig, dass maximal zehn Lymphknoten je Region (zum Beispiel Level I beim Mammakarzinom) berechnungsfähig sein sollen.
Verschiedene Lokalisationen ergeben sich auch aus den Angaben des Operateurs und der sachgerechten Aufarbeitung des Präparates durch den Pathologen. Einen Sonderfall stellt dabei die Präparatradiographie dar, bei der das entnommene Gewebe vor der histologischen Bearbeitung geröntgt wird. Beim Mammakarzinom lassen sich so Mikroverkalkungen erkennen, die als tumorverdächtig gelten, da das Mammakarzinom häufig multifokal auftritt. Die verdächtigen Areale werden immer in Schnittserien aufgearbeitet, die Berechnung erfolgt jedoch nur einmal pro Lokalisation. Auch lassen sich in der Präparatradiographie zusätzlich zu den anatomisch definierten Schnitträndern klar abzugrenzende Schnitt-/Resektionsränder (Lokalisation) darstellen, die dann separat aufgearbeitet werden müssen. Dies ist notwendig, da es sich gerade bei den typischen Wuchsformen des Mammakarzinoms nicht um rein kugelige oder würfelförmige Tumoren handelt. Das mit 60-70 Prozent häufigste intraduktale (= innerhalb der Drüsengänge) Karzinom (Carcinoma ductale in situ) zeigt ein feinfingerförmiges Wachstum, das makroskopisch vom Operateur in der Regel nicht zu erkennen ist. Um die Ausdehnung des Karzinoms sicher festzustellen, muss eine aufwendige Aufarbeitung des Präparates erfolgen, um die Ausdehnung rekonstruieren und daraus Schlüsse für die Therapie ziehen zu können. Auch das lobuläre (= läppchenartige) Karzinom zeigt eine besondere Wachstumsform, die bis an die Resektionsränder reichen kann. Zusätzlich finden sich im Umfeld des eigentlichen Karzinoms häufig weitere noch nicht invasive Karzinome (= Carcinoma lobulare in situ). Für einfache Präparate reicht üblicherweise eine Einbettung von vier bis sechs Resektionsrändern. Dies würde beim Mammakarzinom die Gefahr deutlich erhöhen, Tumorausläufer im Randbereich zu übersehen.
Das Operationspräparat der Prostata ergibt notwendigerweise unterschiedliche Materialien/Lokalisationen: Absetzungsränder (je rechts und links) von Urethra, Blase, Prostataapex, mittlerem Prostatalappen, Prostatabasis, Samenblasen und Samenleitern.
Dr. med. Anja Pieritz
(in: Deutsches Ärzteblatt 103, Heft 9 (03.03.2006), Seite A-566)