Telemedizinische Konzepte weisen als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz auf, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt.

Telemedizin hat zahlreiche Facetten und geht von der telemedizinischen Versorgung in regionalen ländlichen Gebieten bis hin zu spezialisierter Versorgung von seltenen Erkrankungen bzw. Überwachung spezieller Medizinprodukte, die Patienten benötigen.

Telemedizinische Versorgungsangebote können zu einem effizienteren Umgang von zeitlichen Ressourcen von Ärzten beitragen. Dies geht aus dem Gutachten "Digitalisierung für Gesundheit" des Sachverständigenrates von 2021 hervor.

Das Gutachten "Resilienz im Gesundheitswesen" von 2023 des Sachverständigenrates geht noch weiter, da es einen steigenden Bedarf an medizinischer Expertise sieht, dem ein zukünftiger Mangel an Ärzten gegenübersteht.

Um die Versorgung auf einem gleichbleibenden Niveau erhalten zu können, sollen daher telemedizinische Lösungen weiter ausgebaut werden. Dies muss aber mit einem guten Gespür für die Bedürfnisse der Patienten geschehen, daher setzt sich die Bundesärztekammer für einen zielgerichteten Einsatz telemedizinischer Leistungen ein.

Letzlich gibt es keine belastbaren Untersuchungen zur Frage, in welchem Umfang ärztliche Arbeitszeit durch Telemedizin "eingespart“ bzw. "optimiert" werden kann. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Einsatz von Telemedizin zeigen gleichwohl, dass sich ärztliche Arbeit durch den Einsatz von Telemedizin verändern wird. 

Weiterentwicklung Berufsrecht

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg hat 2016 eine Modellklausel für § 7 Abs. 4 der ärztlichen Berufsordnung für Baden-Württemberg beschlossen.

Die Berufsordnung wurde um den Satz „Modellprojekte, insbesondere zur Forschung, in denen ärztliche Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsnetze durchgeführt werden, bedürfen der Genehmigung durch die Landesärztekammer und sind zu evaluieren.“ ergänzt.

Auf dieser Grundlage fanden in Baden-Württemberg Modellprojekte zur ausschließlichen Fernbehandlung statt, die die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der ausschließlichen Fernbehandlung gezeigt haben.

Auf Grundlage der vorliegenden Erfahrungen hat sich der 121. Deutsche Ärztetag 2018 in Erfurt letztlich für die Lockerung des Verbotes der reinen Fernbehandlung ausgesprochen (TOP IV Änderung des § 7 Abs. 4 MBO-Ä - Fernbehandlung).

Demnach sieht die (Muster-)Berufsordnung der Ärzte künftig in § 7 Abs. 4 vor, dass Ärzte auch bei noch unbekannten Patienten eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien vornehmen dürfen. Dies gilt jedoch nur, sofern dies ärztlich vertretbar und die erforderliche ärztliche Sorgfalt gewahrt ist.

In einer eigens eingerichteten Arbeitsgruppe Fernbehandlung wurde die Regelung in § 7 Abs. 4 MBO-Ä konkretisiert und ausgestaltet sowie Fragen sowohl aus rechtlicher als auch aus ärztlicher Sicht, die insbesondere im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer ärztlichen Beratung und Behandlung ausschließlich aus der Ferne stehen, geklärt. Diese Hinweise und Erläuterungen von Fernbehandlung wurden 2020 veröffentlicht.

Charakteristische Einsatzgebiete der Telemedizin

Telemedizin findet in sehr unterschiedlichen Konstellationen statt, in vielen geht es um eine „Arzt–Arzt“–Kommunikation mit oder ohne Beteiligung eines Patienten.
Die meisten Settings waren auch schon vor der Änderung der (Muster-)Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im Jahr 2018 zulässig.

Seit der Pandemie hat die direkte Kommunikation zwischen Arzt und Patient an Bedeutung gewonnen.  Grundsätzlich können vier verschiedene Settings unterschieden werden:

  • Telediagnostik

    Im Rahmen der Telediagnostik soll die Befundung und Diagnostik durch einen hierfür spezialisierten ärztlichen Kollegen durchgeführt werden. Der für die Indikationsstellung der Untersuchung verantwortliche Arzt ist vor Ort beim Patienten.

    Die anschließende Bewertung und Befundung finden beim Spezialisten statt, der seine Daten über telemedizinische Verfahren erhält. Die Befundung von erhobenen Untersuchungsergebnissen findet somit in räumlicher Trennung zum technischen Untersuchungsort statt.

    Beteiligte in diesem Szenario sind der Arzt in räumlicher Entfernung zum Untersuchungsort, Ärzte am Untersuchungsort zur Indikationsstellung, gegebenenfalls medizinisches Fachpersonal und der Patient. Die Verantwortung für den Untersuchungsbefund liegt beim befundenden Arzt.

    Beispiel für dieses Szenario sind Teleradiologie nach RöV mit klaren rechtlichen Rahmenbedingungen (§ 3 Abs. 4 RöV, DIN 6868 -159, weitere Richtlinien) und die Telepathologie (z. B. Tele-Schnellschnitt).

    Bei einem „Schnellschnitt" wird Gewebe zur feingeweblichen Diagnostik innerhalb eines operativen Eingriffs entnommen. Das Gewebe wird in weniger als 30 Minuten begutachtet, während der Zeitbedarf für eine histologische Diagnostik ohne ein solches Verfahren meist ein biszwei Tage beträgt.

    Eingesetzt wird das Verfahren im Verlauf von Operationen, wenn der weitere Verlauf des Eingriffs von der Histologie abhängt. In den meisten Fällen geht es um onkologische Erkrankungen.


    Auch die Sicherstellung flächendeckender Versorgung und die Vermeidung von Patientenverlegungen bzw. -transporten ist ein Grund für die Etablierung dieses Szenarios. Ärzte mit speziellen Fachkenntnissen können nicht an allen, insbesondere kleineren und regionalen Krankenhäusern rund um die Uhr arbeiten.


  • Telemonitoring

    Telemonitoring findet seine Verwendung in der Betreuung von chronisch Erkrankten und kann aber auch für die Diagnose (beispielsweise die Abklärung der Ursache von Herzrhythmusstörungen) entscheidende Hinweise geben.

    Die Verknüpfung mit Techniken der Telekommunikation hat den zusätzlichen Vorteil, dass die Zeit für eine Reaktion bei schwerwiegenden Ereignissen drastisch verkürzt werden kann.

    Monitoring kann eine über einen definierten Zeitraum durchgeführte Aufzeichnung oder die direkte Übermittlung von Vitalparametern an einen Arzt oder ein Zentrum beschreiben.


    Die Übermittlung der Daten kann hierbei über technisch unterschiedliche Kanäle vom Patienten (Telefon, Anzeigegerät in häuslicher Umgebung, Einbestellung des Patienten in Praxis usw.) mit unterschiedlicher Latenz erfolgen. Das Resultat der Datenübermittlung kann eine Therapieanpassung sein, die dem Patienten direkt bei einem Arztbesuch, aber auch über Telekommunikationsmedien übermittelt wird.

    Insbesondere in der Inneren Medizin finden telemedizinische Verfahren dieses Szenarios Anwendung und werden hier auch erforscht. Im Bereich der Hypertensiologie zeigte sich, dass telemedizinisch überwachte Patienten eine bessere Blutdruckeinstellung aufweisen als Patienten unter Standardbetreuung. [1]

    Beispiele sind die ambulante 24-h-Blutdruckmessung [2] und die Überwachung von Herzschrittmacherimplantaten.

    Bei der 24-h-Blutdruckmessung für die Diagnostik und Klassifikation einer Hypertonie misst das Gerät automatisch regelmäßig Tag und Nacht den Blutdruck. An diesem Beispiel wird die kontinuierliche Weitereinwicklung einzelner Methoden in Richtung Telemedizin deutlich.

    Zunächst erfolgte nur eine „Aufzeichnung mit tragbaren Geräten“. Die Aufzeichnungen konnten erst wieder beim nächsten Praxisbesuch analysiert werden. Gefährliche Blutdruckspitzen wurden erst im Nachhinein erkannt.

    Die kontinuierliche Übertragung der Werte ermöglicht nun auch eine schnellere Reaktion auf ungewöhnliche Werte, was auf der ärztlichen Seite dann auch das entsprechende Personal erfordert. Somit bedingt eine technische Änderung des Transportkanals oft auch die Änderung bzw. den Übergang zu einem anderen Versorgungsmodell.

    Die telemedizinische Versorgung von Patienten mit Herzschrittmachern und ICD-Systemen (Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator) wird mittlerweile im Rahmen von Integrierten Versorgungsverträgen von verschiedenen Krankenkassen angeboten.

    Je nach Ausgestaltung des Verfahrens ermöglicht eine telemedizinische Unterstützung deutlich mehr Möglichkeiten gegenüber konventioneller Schrittmacherüberwachung.

    Während bei der konventionellen Schrittmacherüberwachung oft nur schwerwiegende Ereignisse, wie ein Sondenbruch oder eine Erschöpfung der Batterie, über eine Alarmfunktion des Schrittmachers dem Patienten gemeldet wurden, können bei der telemedizinischen Versorgung auch die falsche Einstellung eines Schrittmachers, eines Gerätes zur Kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) oder eines ICD erkannt werden.

    Eine Vermeidung falscher Impulse der betreffenden Geräte kann zu einem deutlichen Gewinn an Lebensqualität und Sicherheit für die betroffenen Patienten führen.

    Die Überwachung von Patienten mit einem Defibrillator oder CRT-System ist seit April 2016 als erste telemedizinische Leistung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen worden.

    Kardiologen können hierdurch die Funktionsfähigkeit bestimmter kardiologischer Implantate auch telemedizinisch in der Praxis überprüfen und als EBM-Leistung abrechnen. Zu den Geräten, die fernüberwacht werden, gehören neben implantierten Kardiovertern/Defibrillatoren auch implantierte Systeme zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT-Systeme).


    Dieses Szenario eignet sich besonders gut zum sogenannten „Remote Patient Management“ [3] bei chronischen Erkrankungen. Hierbei werden Vitalparameter und gegebenenfalls auch weitere gesundheitsbezogene Daten in der häuslichen Umgebung des Patienten aufgezeichnet, übertragen und in einem Telemedizinzentrum fortlaufend bewertet.

    Ziel ist es, Verschlechterungen und den Patienten gefährdende Situationen einer chronischen Erkrankung frühzeitig zu erkennen und die Möglichkeit zu haben, entsprechend einzugreifen.

    Da diese Versorgungsmethoden über das reine Monitoring von Vitalparametern hinausgehen und auf das bessere Management chronischer Erkrankungen einschließlich edukativer Elemente für die Patienten abzielen, hat sich die Bezeichnung „Remote Patient Management“ etabliert. Hierfür werden Vitalparameter oder andere patientenbezogene Daten (überwiegend bei chronischen Erkrankungen) übermittelt.

    Insbesondere im Bereich der Inneren Medizin werden diese Versorgungsmodelle intensiv untersucht. Im Bereich der Kardiologie verspricht das „Remote Patient Management“ herzinsuffizienter Patienten die Reduktion von Krankenhauseinweisungen aufgrund kardialer Dekompensationen und eine damit verbundene Reduktion von Behandlungskosten bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität der Patienten [4].

    Prinzipiell werden bei Patienten, die an einer Herzinsuffizienz leiden, invasive und nicht-invasive Ansätze verfolgt. Bei den nicht-invasiven Verfahren wird die Verlaufsmessung des Körpergewichts als Messgröße für den klinischen Zustand und Prädiktor des zukünftigen Verlaufs verwendet.

    Bei invasiven Verfahren wird mittels implantierter Hämodynamik-Sensoren der kardiale bzw. pulmonalarterielle Druck gemessen und übertragen [5]. Hier konnte in der IN-TIME-Studie erstmals eine Senkung der Mortalität in Folge der telemedizinischen Betreuung nachgewiesen werden [6].

    Bei den nicht-invasiven Studien zeigte die TIM-HF-Studie [7] aus Deutschland zwar keinen signifikanten Effekt auf den primären Endpunkt Mortalität. Patienten nach einer Hospitalisierung aufgrund Herzinsuffizienz, die weniger als zwölf Monate zurückliegt, profitierten jedoch von der telemedizinischen Mitbetreuung [8].

    Die aktuelle Studienlage zeigt, dass eine telemedizinische Mitbetreuung ein relevantes Potenzial zur Reduktion der Morbidität und Mortalität bei Patienten mit systolischer Funktionseinschränkung nach einer Herzinsuffizienzhospitalisierung besitzt [9].

    Entscheidend für den Erfolg ist die detaillierte Beschreibung der profitierenden Subgruppen, die gegenwärtig in Studien, wie beispielsweise der TIM-HF II Studie, weiter untersucht wird.

    Beteiligt an diesem Szenario sind der vor Ort behandelnde Arzt, der Patient und Ärzte in Telemedizinzentren. Die Interpretation der übermittelten Daten erfolgt überwiegend durch die Ärzte in Telemedizinzentren.

    Dadurch resultiert ein deutlicher Einfluss auf das Behandlungsgeschehen durch die Ärzte im Telemedizinzentrum. Die auf der Datenübermittlung basierende Therapieanpassung durch Ärzte im Telemedizinzentrum wird über technisch unterschiedliche Rückmeldekanäle zum Patienten (Telefon, Anzeigegerät in häuslicher Umgebung, Einbestellung des Patienten in die Praxis, etc.) in Abstimmung mit dem behandelnden Arzt durchgeführt.

    Letztlich ist aber die Verteilung des Einflusses stark vom jeweiligen Versorgungskonzept, insbesondere vom Grad der Einbindung der jeweiligen Ärzte in Entscheidungsprozesse abhängig. Die Therapieanpassung und Reaktion auf übermittelte Daten erfolgt mit unterschiedlicher Latenz, ist jedoch in den meisten Fällen schneller als im Szenario „Monitoring zwischen Arzt und Patient“.


    [1] M. Middeke, „Telemedizin in der Hypertensiologie,“ in Report Versorgungsforschung: Telemedizinische Methoden in der Patientenversorgung, Bd. 4, F. J. Bartmann, M. Blettner und P. U. Heuschmann, Hrsg., Deutscher Ärzte-Verlag, 2012, pp. 45-51

    [2] Sehnert, W., & Mengden, T. (2009). Möglichkeiten der Telemedizin bei Hochdruckpatienten. Medizinische Klinik-Intensivmedizin und Notfallmedizin, 104(4), pp. 314-322

    [3] Wallace, E. L., Rosner, M. H., Alscher, M. D., Schmitt, C. P., Jain, A., Tentori, F., ... & Foo, M. (2017). Remote Patient Management for Home Dialysis Patients. Kidney International Reports, 2(6), pp. 1009-1017

    [4] Hindricks, W. R. Bauer, J. O. Schwag, J. C. Geller, S. Sack und C. Elsner, „Was bringt die Telekardiologie für Patient und Arzt?“, Deutsches Ärzteblatt, Bd. 4, pp. 156-159, 01 2008

    [5] S. D. Anker, F. Koehler und W. T. Abraham, „Telemedicine and remote management of patients with heart failure,“ Lancet, Bd. 378, pp. 731-739, 2011

    [6] Hindricks, M. Taborsky , M. Glikson, U. Heinrich, B. Schumacher und A. Katz, „Implant-based multiparameter telemonitoring of patients with heart failure (IN-TIME): a randomised controlled trial,“ Lancet, Bd. 384, pp. 583-590, 2014

    [7] F. Köhler, S. Winkler, M. Schieber, U. Sechtem, K. Stangl und M. Bohm, „Impact of remote telemedical management on mortality and hospitalizations in ambulatory patients with chronic heart failure: the telemedical interventional monitoring in heart failure study,“ Circulation, Bd. 123, pp. 1873-1880, 2011.

    [8] F. Köhler, S. Winkler, M. Schieber, U. Sechtem, K. Stangl und M. Bohm, „Telemedicine in heart failure: pre-specified and exploratory subgroup analyses from the TIM-HF trial,“ International Journal of Cardiology, Bd. 161, pp. 143-150, 2012.

    [9] F. Köhler, „Herzinsuffizienz: Telemedizin dient als "Frühwarnsystem",“ Deutsches Ärzteblatt, Bd. 12, Nr. 112, pp. 21-23, 2015.


  • Tele-Konsil

    In diesem Szenario geht es im Wesentlichen um die Kommunikation zwischen (zwei) Ärzten zur konsiliarischen Beratung auf Basis von Befunden ohne direkte Untersuchung oder Patienten während des Konsils.

    Der Informationsaustausch ist meist fokussiert auf ein spezifisches Problem und gleicht dem telefonischen fallbezogenen Austausch zwischen Kollegen oder Befundversand an andere Kollegen zur Mitbeurteilung. Die Telekonsile können sowohl zwischen (Fach-)Ärzten des gleichen Fachgebiets als auch zwischen unterschiedlichen Fachgebieten stattfinden.


    Beispiele für dieses Szenario sind Tele-Tumorkonferenzen und Traumanetzwerke, aber auch teleradiologische Netzwerke zur Zweitbefundung. Das Spektrum der Einflussnahme auf den diagnostischen oder therapeutischen Prozess reicht hier von geringem Einfluss auf die weitere Versorgung bis zur Übernahme der „Herrschaft des Behandlungsgeschehens“ durch den Konsiliarius.

    Das Vorgehen ist konform mit § 7 Abs. 4 MBO-Ä, da ein rein interkollegialer Austausch stattfindet und mindestens ein Arzt zu verschiedenen Zeitpunkten Kontakt mit dem Patienten hat.

    Meist wird das Telekonsil als eine qualitätssichernde Maßnahme mit angestrebter Verbesserung der Versorgungsqualität eingesetzt. Durch den Einsatz telemedizinsicher Methoden werden hierbei Prozesse verbessert (z. B. durch schnellere Verfügbarkeit benötigter Experten, niedrigere Schwelle der Inanspruchnahme, etc.).


    Telekonsile werden auch genutzt, um insbesondere Spezialwissen einzelner Fachgebiete auch in ländlichen Regionen zur Verfügung zu stellen (Telemedizinische Netzwerke). Hierbei geht es um Ferndiagnostik und Beratung am Patienten durch einen Konsiliarius.

    Der Anforderer des Konsils ist immer ein Arzt, der sich in der zu versorgenden Region beim Patienten befindet. Auch hier wird auf ein akut oder längerfristig bestehendes spezifisches Problem des Patienten fokussiert.

    Das Telekonsil kann zwischen Fachärzten des gleichen Fachgebiets, aber auch zwischen Fachärzten unterschiedlicher Fachgebiete erfolgen. Der Einfluss auf den diagnostischen oder therapeutischen Prozess reicht bedingt durch die Fragestellung und die Situation von geringem Einfluss auf die weitere Versorgung bis zur Übernahme der „Herrschaft des Behandlungsgeschehens“ durch den Konsiliarius.

    In den meisten telemedizinischen Projekten, die auf diesem Szenario beruhen, führte die konsiliarische Mitbetreuung nachweisbar zur Verbesserung der Versorgungsqualität.

    Ein sehr gut evaluiertes und dokumentiertes Projekt aus dem Bereich der Behandlung von Schlaganfallnetzwerken ist die durch ein Telekonsil unterstütze Telethrombolyse (TEMPiS) [1].

    Gerade in ländlichen Regionen, in denen kleinere regionale Krankenhäuser existieren, die keine eigenen Stroke-Units vorhalten können, macht dieses Konzept Sinn, da eine Thrombolyse, die ein einen Schlaganfall verursachendes Gerinnsel auflösen soll, nur in einem Zeitfenster von einigen Stunden sinnvoll ist.

    Neuere Studien haben gezeigt, dass dieses Fenster unter Umständen auch etwas größer sein kann [2], die Zeitspanne, in der Patienten von einer Thrombolyse profitieren, ist in jedem Fall aber begrenzt. Das Initial-Projekt für das Verfahren der Telethrombolyse war das TEMPiS-Projekt.

    Mittlerweile gehört die telemedizinbasierte Thrombolyse seit vielen Jahren zur Routine. Notwendig ist eine Weiterbildung der Stroke-Teams für den Umgang mit einem telemedizinischen Verfahren, in dem auch qualitätssichernde Maßnahmen eine bedeutende Rolle spielen.

    So wurden bei TEMPiS sowohl im Projektvorlauf als auch projektbegleitend intensive Schulungsmaßnahmen für alle Berufsgruppen durchgeführt. Das Weiterbildungskonzept basiert auf standardisierten und optimierten Behandlungsprozeduren.

     


    Eine sinnvolle Erweiterung von telemedizinischen Netzwerken ist die Zusammenarbeit zwischen und Gesundheitsfachberufen, die einen direkten Kontakt zum Patienten haben und einem Arzt, der die fallbezogene Kommunikation zum Vertreter dieses Gesundheitsfachberufs übernimmt.

    Hierbei wird in aller Regel ein spezifisches medizinisches Problem fokussiert. Insbesondere in Gebieten mit einer geringen Arztdichte, im Offshore-Bereich und im Rettungswesen kommt dieses Szenario zum Einsatz.

    Der über Mittel der Telekommunikation zugeschaltete Arzt begleitet durch seine virtuelle Präsenz Diagnosevorschläge und gibt Hinweise zur weiteren Behandlung des Patienten. Angesichts knapper ärztlicher Ressourcen ist die Delegation von ärztlichen Maßnahmen nicht nur rechtlich möglich, sondern insbesondere in Notfällen sogar geboten. 

    Der Vertreter des Gesundheitsfachberufs in diesem Szenario ist eine Art verlängerter Arm des Arztes. Der Austausch kann über verschiedene Kommunikationskanäle stattfinden.

    Im einfachsten Fall kann dies ein telefonischer Austausch zwischen den Beteiligten ähnlich dem Szenario Tele-Konsil-Arzt mit Arzt (bzw. mehreren Ärzten) sein. Der Arzt wird dann zur Mitbeurteilung und Entscheidungshilfe einbezogen.

    Meist erfolgt eine Übertragung von Vitalparametern oder anderer patientenbezogener Daten (z. B. Video). Es handelt sich dann um eine ärztliche Entscheidungshilfe/Qualitätssicherung bei Versorgungsprozessen, die durch nichtärztliches Personal ausgeführt werden und um eine Unterstützung oder Qualitätssicherung bei der Delegation ärztlicher Leistungen.

    Beispiele für dieses Szenario sind die Unterstützung von nichtärztlichen Praxisassistenten über moderne Kommunikationstechnik, beispielsweise innerhalb von Projekten, wie VerAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) und AGnES (Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention) [3]. Auch die Unterstützung von Rettungsassistenten/Notfallsanitätern durch Telenotarzt erfolgt mittlerweile immer häufiger über telemedizinische Rettungsassistenzsysteme.


    [1] H. J. Audebert, J. Schenkel, P. U. Heuschmann, R. L. Haberl und U. Bogdahn, „Effects of the implementation of a Telemedical Stroke Network: the Telemedic Pilot Project for Integrative Stroke Care (TEMPiS) in Bavaria, Germany,“ Lancet Neurology, Nr. 5, pp. 742-748, 2006

    [2] Diener, H. C., Köhrmann, M., Gerloff, C., & Thomalla, G. (2017). Fortschritte in der Akuttherapie und Prophylaxe des Schlaganfalls. InFo Neurologie & Psychiatrie, 19(9), pp. 42-50

    [3] Kalitzkus V, Schluckebier I, Wilm S. AGnES, EVA, VerAH und Co – Wer kann den Hausarzt unterstützen und wie? Experten diskutieren die Zukunft der Medizinischen Fachangestellten in der hausärztlichen Versorgung. ZfA 2009; 10: 403–405, DOI 10.3238/zfa.2009.0403


  • Videosprechstunde

    Videosprechstunden wurden (durch die Corona-Pandemie stark beschleunigt) von Patientinnen und Patienten immer häufiger nachgefragt und akzeptiert.

    Deshalb hat die Arbeitsgruppe Fernbehandlung 2020 eine Handreichung für Ärztinnen und Ärzte zur Umsetzung von Videosprechstunden in der Praxis erarbeitet.

    Ziel ist es, Ärztinnen und Ärzten Informationen an die Hand zu geben, wie diese Versorgungsangebote gut und sicher in ihre Praxisabläufe integriert werden können.


    Dieses Szenario beschreibt die Konsultation eines Arztes durch Patienten über Methoden der Telekommunikation. Hierbei erfolgt der Informationsaustausch bzw. die Interaktion über eine Distanz per Video, Telefon (Audio) oder andere Medien, ohne dass der Arzt beim Patienten physisch präsent ist. Gegebenenfalls werden Vitalparameter oder sonstige Befunde, z. B. Fotos übermittelt.

    Je nach Ausgestaltung können zwei Varianten abgegrenzt werden:

    1. a) allgemeine Beratung durch Ärzte,
    2. b) Diagnosestellung und Therapieempfehlung bezogen auf einen einzelnen Patienten. Hier kann noch die Beratung eines dem Arzt bekannten von der Beratung eines dem Arzt bisher noch nicht bekannten Patienten unterschieden werden.

    In beiden Varianten sind die Informationen, die der Patient dem konsultierten Arzt übermittelt, Grundlage der Empfehlungen.

    Beteiligte in diesem Szenario können sein

    • Arzt,
    • Patient,
    • Ärzte in Telemedizinzentren und
    • nicht-ärztliches Personal in Telemedizinzentren.

    In der telefonischen Beratung von Patienten bestehen oft Mischformen, bei denen sowohl allgemeine Ratschläge als auch individuelle Empfehlungen für Patienten gegeben werden können.

    Je stärker der individuelle Einfluss auf den diagnostischen oder therapeutischen Prozess wird, desto besser ist es für den Arzt, dass er sich im Behandlungsverlauf ein persönliches Bild des Patienten und seiner Erkrankung machen konnte, die Fernbehandlung also keine ausschließliche Fernbehandlung ist.

    Bei dem Arzt unbekannten Patienten muss der Arzt für jeden Einzelfall entscheiden, ob hier noch eine telemedizinische Behandlung vertretbar ist (Sorgfaltspflicht) und dies auch so dokumentieren.


Mehr Informationen zum Thema Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung