Gebührenrahmen: Flexibel anwenden
Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 28-29 (15.07.2002), Seite A-1987
Nach Maßgabe von § 11 Bundesärzteordnung (BÄO) sind in der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) "Mindest- und Höchstsätze für die ärztlichen Leistungen festzusetzen". Der Verordnungsgeber räumt dem Arzt in § 5 Absatz 2 GOÄ einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der Gebühren ein - schwierige Fälle können "nach billigem Ermessen" durch Anwendung eines Steigerungsfaktors (Multiplikators) höher abgerechnet werden als einfache. Dies ermöglicht im Prinzip eine flexible Rechnungslegung, in der tagtäglichen Abrechnungspraxis hat sich jedoch aus verschiedenen Gründen eine schematische Vorgehensweise eingebürgert.
In den vergangenen Jahren wurde der Gebührenrahmen in immer schnellerer Folge stufenweise zurechtgestutzt. 1982 wurde der vorher vom Einfachen bis Sechsfachen reichende Gebührenrahmen auf das maximal 3,5fache des Gebührensatzes reduziert. Innerhalb dieses Gebührenrahmens wurde eine Regelspanne bis zum 2,3fachen des Gebührensatzes eingeführt - überschreitet der Arzt das 2,3fache (Begründungsschwelle), so muss er dies durch die Besonderheiten des Einzelfalls begründen können (§ 5 Abs. 2 GOÄ).
Gleichzeitig wurde bei den Leistungen nach den Abschnitten A und O (Strahlendiagnostik, Nuklearmedizin, Magnetresonanztomographie, Strahlentherapie) wegen des hohen Sachkostenanteils der Gebührenrahmen auf das Ein- bis 2,5fache abgesenkt (kleiner beziehungsweise reduzierter Gebührenrahmen), ebenso bei den delegationsfähigen physikalisch-medizinischen Leistungen. Laborleistungen können seit 1996 nur bis zum 1,3fachen gesteigert werden. Im Standardtarif, eingeführt im Jahr 2000, ist der Gebührenrahmen bei den Grundleistungen auf das 1,7fache begrenzt.
Heute hat der Arzt wegen der Kostenentwicklung häufig keine andere Wahl, als von vornherein mit dem 2,3fachen beziehungsweise 1,8fachen Schwellenwert als Regelsatz zu berechnen. Für viele Leistungen ist die Punktzahl seit 1982 nicht mehr angehoben worden, und der GOÄ-Punktwert ist seit 1988 nahezu eingefroren worden. Historisch betrachtet hatte sich der Regelsatz, also der Steigerungssatz, zu dem eine Leistung mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad mehrheitlich abgerechnet wird, allerdings relativ schnell nach Einführung der Begründungsschwelle in der Nähe des Schwellenwertes eingependelt. Von Beginn an wurde das Überschreiten des Schwellenwertes von den Beihilfestellen und der privaten Krankenversicherung kritisch beobachtet. Die Auseinandersetzungen um die Anerkennung einer über dem Schwellenwert liegenden Honorarforderung haben aufseiten der Ärzteschaft in vielen Fällen, insbesondere im ambulanten Bereich, zu einer freiwilligen Selbstbegrenzung auf die Regelspanne geführt, dann allerdings ausgleichend auf Schwellenwertniveau.
Die Anforderungen, die gemäß § 5 Abs. 2 GOÄ bei Überschreiten des Schwellenwertes zu erfüllen sind, wurden dabei oft nicht ausreichend beachtet oder nicht verstanden. Geht aus der besonderen Begründung nicht hervor, warum bei einem bestimmten Patienten der Zeitaufwand oder Schwierigkeitsgrad als überdurchschnittlich zu bewerten sind, wird der Honoraranspruch zurückgewiesen. Schematische Begründungen oder Hinweise auf neu angeschaffte teure Technik reichen nicht aus, um einen über dem Schwellenwert liegenden Honoraranspruch durchzusetzen.
Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 28-29 (15.07.2002), Seite A-1987)