Besondere Umstände, besondere Ausführung
Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 36 (05.09.2003), Seite A-2323
Durch das Instrument des Gebührenrahmens bietet die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) die Möglichkeit, besondere Umstände bei der Leistungserbringung, wie den erhöhten Schwierigkeitsgrad oder erhöhten Zeitaufwand, als gebührensteigernden Faktor zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 2 GOÄ).
Gebührensteigernde besondere Umstände im Sinne von § 5 Abs. 2 GOÄ können aber nicht geltend gemacht werden, wenn es sich hierbei nicht um einen durch den individuellen Behandlungsfall verursachten, sondern um einen methodisch-technisch bedingten, der Leistung immanenten besonderen Aufwand handelt - auch dann nicht, wenn der Einsatz der "besonderen" Methode mit erhöhten Kosten einhergeht.
Bereits 1994 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im Zusammenhang mit einer Entscheidung über die Vaginalsonographie, die damals noch nicht im Gebührenverzeichnis enthalten war, dargelegt, dass Umstände, die für eine bestimmte ärztliche Leistung typisch sind, "begrifflich" keine besonderen Umstände im Sinne von § 5 Abs. 2 GOÄ sein können. Da diese Besonderheiten zur Methode zählen, bedürfen sie keiner Begründung im Einzelfall. Die Vaginalsonographie geht methodisch bedingt mit einem im Vergleich zur Abdominalsonographie erhöhten Aufwand bei der Lagerung der Patientin sowie mit der Verwendung einer speziellen, zusätzliche Kosten verursachenden Vaginalultraschallsonde einher. Sind die neuen, "besonderen" Untersuchungs- oder Behandlungsvarianten noch nicht in der GOÄ berücksichtigt, so muss - so das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - das Gebührenverzeichnis geändert werden (Urteil vom 1. Februar 1994, Az.: 5 L 2971/93).
Wie ist aber bis zu diesem Tage X mit den im Vergleich zu den älteren Leistungen besonderen neueren Untersuchungs- und Behandlungstechniken zu verfahren? Müssen diese unterschiedslos im Sinne einer "besonderen Ausführung" nach § 4 Abs. 2 a GOÄ jeweils einer bereits vorhandenen Leistung des Gebührenverzeichnisses zugeordnet werden, oder ist nicht in manchen Fällen die Änderung der Ausführungstechnik so substanziell, dass die Bildung einer Analogbewertung - solange die Schaffung einer neuen adäquaten Gebührenposition auf dem Verordnungsweg auf sich warten lässt - gerechtfertigt?
Offensichtlich sah das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen im Fall der Vaginalsonographie Handlungsbedarf, andernfalls hätte es nicht die Schlussfolgerung gezogen, dass das Gebührenverzeichnis erweitert werden müsse. Der Ausschuss Gebührenordnung der Bundesärztekammer sieht dies - allen derzeitigen Angriffen einiger privater Krankenversicherungen zum Trotz - unter anderem auch gegeben im Fall der Videosystem-gestützten Untersuchung von Muttermalen (Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer: analog Nr. 612), die im Vergleich zur Auflichtdermatoskopie nach Nr. 750 mit der Anschaffung einer völlig anderen Technologie einhergeht und darüber hinaus erweiterte diagnostische Optionen einschließlich einer verbesserten Verlaufskontrolle ermöglicht.
Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 36 (05.09.2003), Seite A-2323)