Emotionale Misshandlung und Vernachlässigung

Bei emotionalen Misshandlungen oder Vernachlässigungen bestehen oft Mischformen und Komorbiditäten zu anderen Misshandlungsformen.

Auch hier ist die Unterscheidung abhängig davon, ob entweder eine Unterlassung eines altersentsprechenden, angemessenen Beziehungsangebotes von den Eltern an das Kind vorliegt oder aktive, im Effekt aggressive Handlungen. Dabei muss in beiden Fällen die Schädigung des Kindes nicht beabsichtigt sein, auch aufgrund mangelnder persönlicher Ressourcen der Eltern kann eine massive Schädigung des Kindes entstehen.

Insbesondere auch, weil transgenerationale Weitergaben von belastenden Kindheitserfahrungen möglich [1] und die langfristigen Gesundheitsrisiken für die betroffenen Kinder und Jugendlichen in Bezug auf die psychische und körperliche Gesundheit mindestens ebenso schwer wiegen wie bei einer körperlichen Misshandlung und mit denen des sexuellen Missbrauchs vergleichbar sind [2].

Insofern hilft aus Sicht der beteiligten Fachkräfte der konsequente Fokus auf das Risiko betroffener Kinder, nicht auf eine etwaige „Schuldfrage“ seitens der Eltern.

Neben direkter Interaktionsbeobachtung zwischen Eltern und Kindern kann hierbei hilfreich sein, auf elterliche Beschreibung ihrer Kinder (z.B. im Rahmen einer Anamneseerhebung) zu achten: Werden die Kinder im Kern wohlwollend oder liebevoll beschrieben oder wird – wenngleich in Anamnesen der Fokus zumeist auf Problemen liegt – das Kind an sich als problematisch, defizient oder „böse“ dargestellt?

Auch altersunangemessene Zuschreibungen (Verhaltensweisen von Säuglingen werden damit begründet, dass sie die Eltern ärgern wollten) können ein Warnsignal sein.

Darüber hinaus können auch kindliche Verhaltensweisen Hinweise für emotionale Misshandlung und Vernachlässigung darstellen. Dabei ist zu beachten, dass es kein spezifisches „Misshandlungssyndrom“ gibt, d.h. keine Misshandlung führt bei allen Kindern spezifisch immer zur selben Symptomatik. Umgekehrt kann von bestimmten Verhaltensweisen nicht automatisch auf bestimmte Misshandlungsformen oder überhaupt auf Misshandlungen geschlossen werden.

Ähnlich wie bei den körperlichen Verletzungen müssen sie aber ggf. als Ausgangspunkt für eine tiefergehende Diagnostik einer möglichen Kindeswohlgefährdung gesehen werden.


[1] Neigh GN, Gillespie CF, Nemeroff CB (2009). “The neurobiological toll of child abuse and neglect.” Trauma Violence Abuse Oct;10(4). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6492037/

[2] Teicher MH, Samson JA, Polcari A, McGreenery CE (2006). “Sticks, stones, and hurtful words: relative effects of various forms of childhood maltreatment.” Am J Psychiatry 163(6)