Laborärzte: Zustandekommen des Behandlungsvertrags (Teil I)
Deutsches Ärzteblatt 107, Heft 36 (10.09.2010), S. A 1718
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Urteilen vom 14. Januar 2010 (Az.: III ZR 173/09; Az.: III ZR 188/09) die Anforderungen an das Zustandekommen eines eigenständigen Behandlungsvertrags zwischen Patient und Laborarzt präzisiert (DÄ, Heft 24/2010).
Eine Gemeinschaftspraxis hatte eine Blutprobe an eine Laborarztpraxis übersandt, die auf das Marfan-Syndrom untersucht werden sollte. Beigefügt waren ein „Überweisungs-/Abrechnungsschein für Laboratoriumsuntersuchungen als Auftragsleistung 10“ und ein „Überweisungs-/Abrechnungsschein 06–2“. Auf dem ersten Vordruck war unter „Auftrag“ vermerkt: „Genotypisierung, Marfan-Syndrom“. Auf dem zweiten Vordruck war zusätzlich ergänzt: „Bitte Stufendia-gnostik: Marfan I und II (nach Rücksprache)“. Zudem wurde ein Formular „Privatzuweisung“ mit weiteren Angaben einschließlich „Patienteninformation“ an das Labor gesandt. Nach einer umfangreichen labormedizinischen Stufendiagnostik wurden die Ergebnisse in drei humangenetischen Gutachten an den Hausarzt mitgeteilt. Die Rechnung in Höhe von 21 572,97 Euro wurde vom beklagten Patienten nicht gezahlt.
Der BGH hob das angefochtene Urteil auf und verwies an das Berufungsgericht; diese Entscheidung liegt noch nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat sich mit dem Zustandekommen des Behandlungsvertrags befasst und festgestellt: „Nach allgemeiner Auffassung wird bei der Inanspruchnahme eines externen Laborarztes durch den behandelnden Arzt letzterer im Regelfall als Stellvertreter des Patienten tätig. Übersendet dieser Untersuchungsmaterial des Patienten an den Laborarzt, erteilt er den damit verbundenen Auftrag grundsätzlich im Namen des Patienten. Hat dieser ihn dazu bevollmächtigt, wird neben dem Behandlungsverhältnis zwischen dem Patienten und dem Arzt ein weiteres eigenständiges Vertragsverhältnis zwischen dem Patienten und dem Laborarzt begründet.“
Damit folgt der BGH seiner bisherigen Rechtsprechung und wendet diese für gesetzlich versicherte Patienten entwickelten Grundsätze auch auf privat Versicherte an. Die Art und der Umfang der vom Arzt geschuldeten Tätigkeit bestimmt sich nach seinen berufsrechtlichen Pflichten. Diese ergeben sich unter anderem aus den Heilberufe- und Kammergesetzen der Länder, so dass die vertragliche Verpflichtung des Arztes von vornherein nicht auf solche Tätigkeiten als Eigenleistung erstreckt ist, die von dem jeweiligen Fachgebiet nicht umfasst werden. Deshalb ist davon auszugehen, so der BGH, dass die hausärztliche Gemeinschaftspraxis im Rahmen der Übersendung der Blutprobe, der Überweisungsscheine und der Privatzuweisung im Namen des Patienten und nicht im eigenen Namen aufgetreten ist.
Der Hausarzt und der Patient hatten zum Umfang der Untersuchung über einen „einfachen Gentest“, der etwa 500 Euro bis 800 Euro koste, gesprochen; insofern dürfte die Vollmacht begrenzt gewesen sein. Bei Überschreitung der Vollmachtsgrenzen finden die Regeln des vollmachtlosen Vertreters gemäß §§ 177 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Anwendung. Dies könnte zur Haftung des behandelnden Arztes nach § 179 BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht führen. Im gegebenen Fall hat der BGH ihn unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis befreit, dem Laborarzt allerdings Schadenersatzansprüche gegen den die Untersuchungen in Auftrag gebenden Arzt aus §§ 311 Abs. 3 und 241 Abs. 2 BGB zugebilligt. Da aber weitere Feststellungen zu treffen sind, unter anderem wegen des Hinweises auf die Stufendiagnostik „nach Rücksprache“, wurde das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zudem hat sich der BGH mit dem Begriff der medizinisch notwendigen Leistung auseinandergesetzt. Darüber wird im nächsten GOÄ-Ratgeber berichtet.
Dr. jur. Marlis Hübner
(in: Deutsches Ärzteblatt 107, Heft 36 (10.09.2010), S. A 1718)