Persönliche Leistungserbringung
Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 26 (28.06.2002), Seite A-1847
Im Rahmen der Teilnovellierung der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte im Jahr 1996 wurde der Begriff der "eigenen Leistung" bei wahlärztlicher Krankenhausbehandlung vom Verordnungsgeber neu abgegrenzt: Neben dem "ständigen ärztlichen Vertreter" wurde in § 4 Abs. 2 GOÄ ein Katalog von Grundleistungen (zum Beispiel Aufnahme- und Abschlussuntersuchungen oder Visiten) eingeführt, die wie die Hauptleistung, derentwegen der Patient die Chefarztbehandlung wählt, vom Chefarzt oder seinem ständigen Vertreter persönlich erbracht werden müssen, damit sie als "eigene Leistungen" entsprechend § 4 Abs. 2 GOÄ abgerechnet werden können.
Gesetzliche Grundlage der verschärften Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung bei wahlärztlichen Leistungen ist § 613 BGB, wonach der zur Dienstleistung Verpflichtete - in diesem Fall also der Chefarzt - die Dienste "im Zweifel in Person" zu leisten hat. Es muss betont werden, dass es sich beim Wahlarztvertrag - sei es im Rahmen des Krankenhausaufnahmevertrags, sei es in Form eines gesonderten Arzt-Zusatz-Vertrages - um einen individuellen Behandlungsvertrag mit einem ganz bestimmten, zur Liquidation berechtigten Arzt handelt. Hieraus resultieren besondere Pflichten, die sich auch auf die Regelung des Vertretungsfalls erstrecken. Der Chefarzt muss der Behandlung des Patienten sein "persönliches Gepräge" verleihen, im Vertretungsfall muss dieses angestrebte Ziel dadurch gewahrt bleiben, indem - wie vorgeschrieben - ein einziger ständiger Vertreter die Behandlung übernimmt. Dennoch kursieren in manchen Kliniken immer noch Listen potenziell infrage kommender Chefarzt-Vertreter.
Für eine den Honoraranspruch im Vertretungsfall sichernde Individualvereinbarung ist jedoch die Darlegung, dass bei Abwesenheit des Chefarztes immer jemand wird "einspringen" können, nicht ausreichend. Dies widerspräche der Sonderrolle, die die Chefarztbehandlung für sich beansprucht. Will oder muss ein Chefarzt sich wegen vorhersehbarer Gründe, wie beispielsweise Lehrtätigkeit, Fortbildung oder Urlaub, vertreten lassen, muss er den Patienten hierüber vor Abschluss des Behandlungsvertrags informieren, einen ständigen Vertreter für diesen Fall konkret benennen und dem Patienten die Möglichkeit zur Entscheidung geben, ob er unter diesen Bedingungen noch in den Behandlungsvertrag einwilligen will. Im Fall einer Individualvereinbarung muss aus Sicht des Bundesgerichtshofs nicht nur dem Arzt, sondern auch dem Patienten Raum zur "Aushandlung" der Vertragsbedingungen beziehungsweise zu Wahlmöglichkeiten gegeben werden.
Weil es sich bei einer Individualvereinbarung im Gegensatz zu den allgemeinen Geschäftsbedingungen um im einzelnen ausgehandelte Vertragsbedingungen handelt (vgl. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB), sind standardisierte Vertretungsregelungen, in denen gegebenenfalls auf Vordrucken nur noch die Namen des Patienten und des jeweiligen ständigen Vertreters eingesetzt werden, problematisch; sie dürften in der Rechtsprechung keinen Bestand haben. Auch wenn sich der zusätzliche Aufwand kaum noch in den Klinikalltag integrieren lässt, ist es empfehlenswert, die Individualvereinbarung - egal ob maschinen- oder handschriftlich - so persönlich wie möglich und nicht formularmäßig abzufassen.
Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 26 (28.06.2002), Seite A-1847)