Urteile zum Zielleistungsproblem
Deutsches Ärzteblatt 101, Heft 27 (02.07.2004), Seite A-1995
Die operativen Fachgebiete sind und bleiben die Sorgenkinder der GOÄ-Auslegung. Da im Zuge der letzten Teilnovellierung der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) trotz vorliegender Vorschläge der Bundesärztekammer eine Aktualisierung des Gebührenverzeichnisses für die operativen Fachgebiete auf Druck der Bundesländer und der Beihilfe weitgehend ausgesetzt wurde, hat hier die 1996 in den Verordnungstext aufgenommene Neuformulierung des Zielleistungsprinzips - als Klarstellung beabsichtigt - den überwiegenden Anteil der privatärztlichen Honorarstreitigkeiten ausgelöst.
Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen Einzelschritte (§ 4 Abs. 2 a GOÄ). Der Ausschuss "Gebührenordnung" der Bundesärztekammer zielt im Interesse aller Beteiligten - Patient, Arzt und Kostenerstatter - mit seinen Abrechnungsempfehlungen ab auf eine Differenzierung in Teilleistungen, die als unselbstständige Teilschritte unter die jeweilige Zielleistung beziehungsweise unter eine einzige Gebührenposition zusammenzufassen sind - und je nach individueller Indikationsnotwendigkeit erforderliche Zusatzleistungen. Die private Krankenversicherung versucht hingegen, die je nach Einzelfall medizinisch erforderlichen Zusatzleistungen mit methodisch notwendigen operativen Teilschritten gleichzusetzen -und zwar regelhaft und systematisch. Dass dies nicht mit dem Wortlaut von § 4 Abs. 2 a GOÄ und der Absicht des Verordnungsgebers konform geht, wurde erstmals richtungsweisend im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28. März 2003 entschieden (Az.: 1 S 206/02).
Inzwischen haben verschiedene andere Gerichte im Sinne der wortlautgetreuen Karlsruher Auslegung des Zielleistungsprinzips entschieden. So hat zum Beispiel das Landgericht Stade im Fall einer strittigen Hüftgelenks-Totalendoprothesen-Liquidation ausgeführt, dass "die methodisch notwendigen operativen Einzelschritte (...) gerade nicht mit den medizinisch notwendigen Schritten zur Herbeiführung des Operationserfolges gleichzusetzen sind. Der Begriff der methodisch notwendigen Einzelschritte ist ungleich enger." (Landgericht Stade, Urteil vom 31. März 2004, Az.: 2 S 81/03). Im vorinstanzlichen Urteil sei zutreffend davon ausgegangen worden, dass unter anderen die Gebührenpositionen Nr. 2103 (Muskelentspannungsoperation am Hüftgelenk), Nr. 2113 (Synovektomie in einem Hüftgelenk) nicht zu den "methodisch notwendigen Einzelschritten" einer Hüft-Totalendoprothese nach Nr. 2151 nach Maßgabe von § 4 Absatz 2 a GOÄ zählen.
Auch das Urteil des Landgerichts Köln im Fall einer strittigen Liquidation zu einer Hallux-valgus-Operation differenziert in methodisch notwendige Teilleistungen oder Modifikationen, die mit dem Ansatz der Gebührenposition Nr. 2297 (Operation des Hallux valgus mit Gelenkkopfresektion) bereits abgegolten sind, und zusätzliche Weichteileingriffe im Rahmen einer gelenkerhaltenden Operationstechnik, die "sich daher bereits rein denklogisch nicht mit einer Gelenkresektion" - wie in Nr. 2297 abgebildet - vereinbaren lässt (Landgericht Köln, Urteil vom 17. Dezember 2002, Az.: 25 S 2/02).
Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 101, Heft 27 (02.07.2004), Seite A-1995)