Computerunterstützte Navigationstechnik und Zielleistungsprinzip
Deutsches Ärzteblatt 107, Heft 18 (07.05.2010), S. A 866
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Urteil vom 21. Januar 2010 (Aktenzeichen III ZR 147/09) erneut mit der Auslegung des Zielleistungsprinzips des § 4 Abs. 2 a der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) befasst. Das Ergebnis muss aus ärztlicher Sicht als unbefriedigend bezeichnet werden.
Strittig war die zusätzliche Abrechnung der „anatomischen Vorausberechnung des Operationsgebiets (Zielpunktbestimmung) und Navigation“ über den analogen Ansatz der Nr. 2562 GOÄ im Rahmen des endoprothetischen Totalersatzes eines Kniegelenks nach der Nr. 2153 GOÄ. Obwohl das Gericht anerkannt hat, dass mit der Bereitstellung und Handhabung dieser Technik ein zusätzlicher Aufwand verbunden ist, der in der Leistungsbewertung der Nr. 2153 nicht berücksichtigt werden konnte (da die Navigation weder bei Inkrafttreten der GOÄ 1982 noch bei der Überarbeitung 1996 bekannt war), wurde die gesonderte Berechnungsfähigkeit abgelehnt. Begründet wurde dies mit dem Hinweis, dass es sich weder um eine selbstständige Leistung gehandelt habe noch um eine zusätzliche diagnostische Maßnahme, die die Notwendigkeit bildgebender Voruntersuchungen (Ultraschall, Röntgen) ersetzen könne, sondern lediglich um eine besondere Ausführungsart der Operation. Nach dem Zielleistungsprinzip der GOÄ könne jedoch für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis sei, eine Gebühr nicht berechnet werden. Insoweit stelle die Navigationstechnik zwar keinen methodisch notwendigen operativen Einzelschritt, aber eine besondere Ausführungsart der Knie-TEP zur Optimierung der Operation dar. Der Eingriff könne jedoch auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden.
Der BGH hat noch einmal darauf verwiesen, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung die Selbstständigkeit einer ärztlichen Leistung danach zu beurteilen sei, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation bestehe. Dementsprechend seien insbesondere in das Gebührenverzeichnis aufgenommene Leistungen als nicht berechenbar angesehen worden, deren Zweck darin bestanden habe, beim Erreichen des Operationsziels benachbarte Strukturen zu schonen und nicht zu verletzen. Insoweit wird auf vorangegangene Urteile Bezug genommen, in denen der BGH die Abrechnung von Neurolysen (Nr. 2583 GOÄ) beziehungsweise Gefäßfreilegungen und/oder -unterbindungen (Nr. 2802/2803 GOÄ) im Rahmen einer Schilddrüsenoperation (Nr. 2757 GOÄ) beziehungsweise einer Lobektomie (Nr. 2997 GOÄ) abgelehnt hatte.
Demgegenüber haben verschiedene Amts- und Landgerichte die Auffassung des Ausschusses Gebührenordnung der Bundesärztekammer (DÄ, Hefte 3/2002, 45/2002) bestätigt, dass es sich bei der kompletten bis subtotalen Entfernung der Synovialis bei medizinischer Indikation im Rahmen der Hüft- oder Kniegelenkendoprothetik um eine selbstständige Leistung handelt, die auch unter Beachtung des Zielleistungsprinzips des § 4 Abs. 2 a GOÄ die zusätzliche Abrechnung der Nr. 2112 beziehungsweise 2113 GOÄ neben der Nr. 2153 beziehungsweise 2151 GOÄ rechtfertigt. Beispielhaft ist auf die Urteile der Landgerichte Regensburg (Az.: 2 S 78/08), Düsseldorf (Az.: 22 S 69/07 und 22 S 284/04), Münster (Az.: 11 S 4/05), Memmingen (Az.: 1 S 1425/04), Hanau (Az.: 2 S 71/03) und Karlsruhe (Az.: 1 S 106/02) zu verweisen.
Martin Ulmer
(in: Deutsches Ärzteblatt 107, Heft 18 (07.05.2010), S. A 866)