Spezialuntersuchungen: Masse statt Klasse?
Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 14 (05.04.2002), Seite A-967
Molekularbiologische Untersuchungsmethoden wie die Bestimmung spezifischer Virus-Antigene (Nrn. 4780 bis 4787 GOÄ) oder der Mutationsnachweis bei genetisch bedingten Erkrankungen wie der familiären Hypercholesterinämie (Nrn. 3920 bis 3926 GOÄ) tragen zu einem spezifischeren Krankheitsverständnis und der Identifikation von Risikofaktoren bei. Strittig ist, wann und wie häufig eine DNA-Analytik, aber auch histologische Spezialuntersuchungen wie die immunhistologische Tumordiagnostik (nach Nr. 4815 GOÄ) an einer Gewebeprobe nach GOÄ abgerechnet werden dürfen. Die Bandbreite der Auffassungen reicht von der eindimensionalen Auffassung, dass die genannten Gebührenpositionen jeweils nur einmal anzusetzen sind, auch wenn PCR-Amplifikationen (Nr. 4783 oder 4784) und Hybridisierungen (Nr. 4785) mehrmals durchgeführt werden müssen, bis hin zu der inflationsartigen Berechnung von 26 immunpathogenetischen Untersuchungen analog Nr. 4815 neben der 12fachen Berechnung eines Southernblots nach Nr. 4786 für eine einzige Myokardbiopsie.
Die in der GOÄ vorgehaltenen Gebührenpositionen für molekularbiologische Untersuchungen bilden jeweils nur Teilschritte ab, sodass zwecks Darstellung des methodischen Gesamtaufwands eine Zusammensetzung der Liquidation aus mehreren Gebührenpositionen unumgänglich ist. Auch ist die Mehrfachberechnung von molekularbiologischen oder histologischen Spezialuntersuchungen nach GOÄ grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Weder die GOÄ noch die Rechtsprechung lassen jedoch einen Zweifel daran aufkommen, dass bei der Durchführung von Spezialuntersuchungen nicht die Machbarkeit, sondern die medizinische Notwendigkeit und der mögliche therapeutische Nutzen für den Patienten im Einzelfall im Vordergrund stehen müssen. Die Liquidation fakultativer, in der Routinediagnostik verzichtbarer Spezialuntersuchungen, auch wenn sie die diagnostische Aussagekraft generell verbessern, bedarf also immer einer besonderen Begründung.
Auch wenn die Erbringung privatärztlicher Leistungen nicht in gleicher Weise an das für die kassenärztlichen Leistungen maßgebliche Wirtschaftlichkeitsgebot nach SGB V gebunden ist, schuldet der Arzt auch in einem Privatbehandlungsverhältnis seinem Patienten eine möglichst kostengünstige Behandlung. Andernfalls verstieße er gegen die in § 11 der Bundesärzteordnung verankerte Intention der Gebührenordnung, "einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Ärzten und Patienten herbeizuführen" - so die Verfassungsrichter im Jahre 1984.
Regulativ der Wirtschaftlichkeit im Privatliquidationsbereich ist der in § 1 Abs. 2 GOÄ gleich doppelt verankerte Hinweis auf die medizinische Notwendigkeit als Voraussetzung zur Berechnung von Leistungen. Leistungen, die "über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, dürfen nur berechnet werden, wenn sie auf ausdrückliches Verlangen und nach entsprechender Aufklärung des Patienten erbracht werden. Unterbleibt die gebotene Aufklärung, so wird im Zweifelsfall vor Gericht der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient für unwirksam erklärt, beziehungsweise die ärztlichen Honoraransprüche werden gemindert.
Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 14 (05.04.2002), Seite A-967)