Analogbewertung einer Implantat-Ohr-Akupunktur, Auslagen für Titannadeln
Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 23 (05.06.2009), S. A-1214
Das Oberlandesgericht Naumburg (Az.: 1 U 9/08) hatte in einem Verfahren einen Behandlungsvertrag zu bewerten, der sowohl die Abgabe von Implantat-Akupunktur-Nadeln als auch die ambulante Behandlung mit einer Implantat-Ohr-Akupunktur umfasste. Das Gericht sah den Behandlungsvertrag als nichtig an, weil sich der Arzt zugleich als gewerblicher Händler für diejenigen Medizinprodukte (hier: Titannadeln) betätigte, die notwendiger Bestandteil der Therapie waren. Er verstieß damit gegen das berufsrechtliche Verbot des § 3 Abs. 2 der Berufsordnung für Ärzte des Landes Sachsen-Anhalt, wonach es einem Arzt „untersagt (ist), im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter seiner Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind“.
Der Arzt verstößt auch gegen das berufsrechtliche Verbot der isolierten Abrechnung von Medizinprodukten zu höheren als seinen Selbstkostenpreisen nach § 10 GOÄ, wenn er die Medizinprodukte zu einem gegenüber ihrem Verkehrswert erheblich überhöhten Preis einkauft und selbst auf andere Weise als durch einen Aufschlag auf seine Selbstkosten einen wirtschaftlichen Vorteil aus diesem Bezugsweg zieht, etwa indem er an den Gewinnen der Zwischenhändler persönlich beteiligt ist. Das Gericht beanstandete, dass der Arzt in Personalunion sowohl als Arzt als auch gewerblicher Medizinproduktehändler tätig war und so die nach der Berufsordnung gewollte Trennung beider Bereiche aufhob.
Für die ärztliche Leistung erachtete das Gericht eine Abrechnung analog Ziffer 269 a GOÄ (Akupunktur, Nadelstichtechnik, mit einer Mindestdauer von 20 Minuten zur Behandlung von Schmerzen, je Sitzung), „…allerdings von vornherein regelmäßig zum vorgesehenen Höchstsatz von 3,5-fachen Punkten“, für geboten. Eine Analogberechnung nach Ziffer 2421 GOÄ (Implantation eines subkutanen, auffüllbaren Medikamentenreservoirs) hielt das Gericht nicht für gerechtfertigt; gab aber zu bedenken, dass die angewandte Methode zeitaufwendiger ist als eine Akupunktur nach Ziffer 269 a GOÄ, insbesondere wegen der Implantation der Titannadeln und der damit angestrebten dauerhaften Wirkung der Behandlung. Wegen des nicht gleichwertigen Zeitaufwands könnten die vorgesehenen Steigerungssätze durch eine Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 1 GOÄ korrigiert werden. Da diese im zu entscheidenden Fall nichtig war, veranschlagte das Gericht den 3,5-fachen Steigerungssatz der Ziffer 269 a analog.
Neben den Gebühren für die ärztliche Leistung ist eine isolierte Abrechnung der Selbstkosten für die Implantatnadeln zulässig. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GOÄ kommt eine isolierte Abrechnung von Auslagen für diejenigen Medizinprodukte in Betracht, die beim Patienten verbleiben. Die Implantatnadeln sind keine „Kleinmaterialien“ im Sinne von § 10 Abs. 2 Nr. 1 GOÄ. Der Senat legt diesen Begriff so aus, „dass es auf die Relation zwischen den konkreten Materialkosten und der Gebühr für die ärztliche Tätigkeit ankommt.“ Eine isolierte Abrechnung der Auslagen muss danach zulässig sein, wenn die Kosten für die Implantatnadeln einen erheblichen Anteil der ärztlichen Gebühr ausmachen beziehungsweise diesen sogar übersteigen.
Als Kosten der Implantatnadeln sind die Selbstkosten des Arztes, seine tatsächlichen Auslagen, anzusetzen. Im vorliegenden Fall war auf die Auslagen desjenigen Unternehmens des Arztes abzustellen, welches die Erstbeschaffung vornahm, und zwar zu einem Selbstkostenpreis von 20 Euro pro Stück.
Es lässt sich festhalten: Eine Implantat-Ohr-Akupunktur kann nach Ziffer 269 a analog zum 3,5-fachen Steigerungssatz abgerechnet werden. Im Einzelfall kann der erforderliche erhöhte Zeitaufwand durch eine Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 1 GOÄ korrigiert werden. Neben den Gebühren für die ärztliche Leistung können die Auslagen zum Selbstkostenpreis geltend gemacht werden.
Dr. jur. Marlis Hübner
(in: Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 23 (05.06.2009), S. A-1214)