"Je Sitzung"
Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 30 (25.07.2003), Seite A-2030
In der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) kommen in den allgemeinen Abrechnungsbestimmungen und in den Leistungsbeschreibungen unterschiedliche mengenbegrenzende Zeit-Parameter zur Anwendung: "Im Krankheitsfall", "im Behandlungsfall", "an demselben Tag" oder "je Sitzung". Der Hinweis "je Sitzung" bedeutet, dass die entsprechend gekennzeichnete Leistung nur einmal pro Sitzung in Ansatz gebracht werden kann. In vielen Fällen ist aber strittig, ob eine als "je Sitzung" berechnungsfähig gekennzeichnete Leistung (zum Beispiel Nr. 263 Subkutane Hyposensibilisierungsbehandlung, je Sitzung 90 Punkte) gegebenenfalls mehrfach pro Behandlungstag erbracht beziehungsweise abgerechnet werden kann.
Eine formale Definition der "Sitzung" als zeitlich zusammenhängender Arzt-Patienten-Kontakt ist nicht hilfreich, wenn das Behandlungsziel der ärztlichen Inanspruchnahme, der "einheitliche Zweck" für das Aufsuchen des Arztes, nicht mitberücksichtigt wird - so das Bundessozialgericht in einem vertragsärztlichen Streitfall über die Berechnung einer Entlassungsuntersuchung neben einer ambulanten Operation (vgl. Urteil vom 24.8.1994, Az. 6 Rka 40/92). Eine Sitzung kann nicht als beendet angesehen werden, nur weil die in der Gebührenposition abgebildete Untersuchungs- oder Behandlungsleistung aufgrund organisatorischer, technischer oder medizinischer Gründe (zum Beispiel wegen Schmerzen oder Schwellung) unterbrochen werden muss, auch dann nicht, wenn der Patient zwischenzeitlich die Praxis verlässt. Vor- und nachbereitende Maßnahmen zählen ebenfalls zum Leistungsumfang der "je Sitzung" zu erbringenden Leistungen, wenn die Leistungsbeschreibung der Gebührenposition dies vorschreibt. Das war bei der vom Bundessozialgericht entschiedenen Streitsache der Fall: Die ambulanten OP-Zuschläge nach EBM schließen die Vorsorge und Nachsorge (Entlassungsuntersuchung) im Zusammenhang mit dem ambulanten Eingriff ein.
Um einer artifiziellen Multiplikation berechnungsfähiger Sitzungen durch Stückelung in kleinste Behandlungsintervalle vorzubeugen, hat die Bundesärztekammer beispielsweise bei ihrer Empfehlung zur Laserbehandlung von Besenreiservarizen (analog Nrn. 2 440, 2 885 oder 2 886) sogar die je nach Analogposition zu erbringende Mindestrate von Laserimpulsen vorgeschrieben.
Besonders kritisch wird es, wenn neue Untersuchungs- oder Behandlungsstandards keine fraktionierte Vorgehensweise mehr vorsehen, die Begrenzung auf die Abrechnungsfähigkeit "je Sitzung" jedoch in der Leistungslegende enthalten ist. Dies ist zum Beispiel bei der Hyposensibilisierungsbehandlung der Fall. Spezifische Immuntherapien bei Insektengiftallergien werden heutzutage in der Regel im Schnellverfahren (Rush- oder Ultra-Rush-Therapie) durchgeführt, das heißt, mehrere Injektionsbehandlungen nach Nr. 263 GOÄ, die früher auf mehrere Sitzungen verteilt wurden, werden hierbei zeitlich gerafft an einem Behandlungstag verabreicht. Jede einzelne Injektionsbehandlung schließt - auch bei der Rush-Therapie - eine dreißigminütige Nachbeobachtungszeit ein. Aus Sicht der Bundesärztekammer ist es vertretbar, in diesen Fällen entsprechend der am selben Behandlungstag verabreichten Injektionen Nr. 263 GOÄ mehrfach abzurechnen. Im Rahmen der Weiterentwicklung der GOÄ sollten allerdings für die Hyposensibilisierungsschnellverfahren eigenständige Gebührenpositionen geschaffen werden.
Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 100, Heft 30 (25.07.2003), Seite A-2030)