Nichts als Ärger?
Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 3 (16.01.2009), S. A-104
Die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wurde seit 1996 nicht novelliert, davor nur teilnovelliert, und bildet den technischen Fortschritt nicht mehr ab. Dadurch entstehen zahlreiche Probleme, die Anlass zu Rückfragen oder Reklamationen durch Patienten, die Beihilfe und die private Krankenversicherung geben und zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung des Arztes führen. Zusätzlich gehen inzwischen einzelne
Patienten mit falsch verstandener Selbstbestimmung an eine medizinisch notwendige Behandlung heran: „Ich wollte nicht beraten werden, der Arzt sollte mir nur …“, und auch die eigenständige Auslegung der Leistungstexte auf der Rechnung nimmt zu. Schon deshalb lohnt es sich, vor der Rechnungslegung auf die notwendigen Formalitäten (schriftliche Vereinbarung bei individuellen Gesundheitsleistungen etc.) zu achten. Bei der Rechnungslegung ist es wichtig, dass insbesondere bei gekürzten Leistungslegenden die zur korrekten Darstellung notwendigen Leistungsinhalte (Mindestzeit, Einzel vs. Gruppe etc.) der GOÄ wiedergegeben werden. Außerdem sollten die Leistungslegenden für den Laien verständlich sein.
Eine moderate und verständnisvolle Reaktion auf Reklamationen lohnt sich im Hinblick auf das Arzt-Patienten-Verhältnis und die erfolgreiche Durchsetzung von (GOÄ-konformen) Forderungen. Häufig sind nämlich die Anfragenden unsicher darüber, ob Arzt oder Versicherung recht (bei einer Auslegungsfrage) haben, und machen ihre eigene Reaktion abhängig von der (Art der) Antwort, die sie bekommen. Ganz wichtig ist daher die Schulung der von Reklamationen betroffenen Mitarbeiter über einen freundlichen und verbindlichen Umgang mit den Anfragenden. Oft stellen die Patienten in der Arztpraxis oder am Telefon eine Frage zu der Rechnung, die bei einer adäquaten Auskunft sofort zu einer Klärung und Befriedung der Situation führen kann.Wenn sich die Frage nicht sofort klären lässt, kann schon die Zusage eines Rückrufs dazu beitragen, dass der erste Ärger verraucht. Die alleinige Besprechung der Reklamation mit der Helferin oder dem Arzt sind weder nach Nr. 2 noch Nr. 1 GOÄ berechnungsfähig.
Bei schriftlicher Antwort auf Reklamationen tragen einführende Sätze wie „…es tut mir leid, dass Sie die Leistung ... nicht von der Beihilfe erstattet bekommen haben…“, „…bedauerlicherweise werden Sie durch die Auslegungsdivergenzen zwischen der Versicherung und mir mit dieser Auseinandersetzung belastet…“ sowie ein insgesamt moderater Briefstil zu einer Atmosphäre bei, die eine Beilegung der Auseinandersetzung eher möglich macht. Ein Beharren auf der Rechnungslegung ist dann problematisch, wenn es sich um eine umstrittene Leistung handelt, deren Ansatz einer gebührenrechtlichen Prüfung nicht ohne Weiteres standhalten würde. Jeder Arzt kann sich zur Klärung solcher Fragen an seine Ärztekammer wenden, um vor einer Antwort (besser noch vor der erstmaligen Berechnung einer solchen Leistung) zu erfahren, ob die angesetzte Gebührenposition einer gebührenrechtlichen Prüfung standhalten würde.
Berechtigte Reklamationen können ein wertvoller Hinweis darauf sein, die eigene Abrechnung zu überprüfen. Ein moderater Umgang mit Reklamationen erhöht die Kompromissbereitschaft und die Chancen für eine friedliche Lösung aufseiten der Patienten.
Dr. med. Anja Pieritz
(in: Deutsches Ärzteblatt 106, Heft 3 (16.01.2009), S. A-104)