Wann der Versuch einer Leistung berechnungsfähig ist
Deutsches Ärzteblatt 101, Heft 50 (10.12.2004), Seite A-3444
Ob und wann der Versuch, eine Leistung zu erbringen, nach der Amtlichen Gebührenordnung (GOÄ) berechnungsfähig ist, ist eine spannende Frage. Grundsätzlich gilt, dass nur diejenige Leistung berechnet werden kann, die nach der Leistungslegende vollständig erbracht wurde. Es gibt jedoch begründbare Ausnahmen, bei denen auch der Versuch einer Leistung berechnungsfähig ist. Voraussetzung ist, dass die Leistung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erbracht wurde und für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich ist (§ 1 GOÄ). Das schließt alle diejenigen Leistungen aus, bei denen Geräte falsch eingestellt sind oder benutzt werden. Wird beispielsweise ein Röntgenbild unbrauchbar, weil der Patient bei der Aufnahme wackelt, obwohl er darauf hingewiesen wurde, wie er sich zu verhalten habe, so liegt die Schuld für das unbrauchbare Bild nicht beim Arzt, und das Bild ist berechnungsfähig. Ist jedoch das Röntgengerät falsch eingestellt oder es wird falsch bedient, so ist ein unbrauchbares Röntgenbild nicht berechnungsfähig.
Die GOÄ enthält einzelne Gebührenpositionen, bei denen die Leistungslegende "den Versuch" enthält - beispielsweise den Wiederbelebungsversuch (Nummer 429), den Versuch der Extraktion von Harnleitersteinen (Nummer 1815 GOÄ) und den Versuch des Zurückbringens eines eingeklemmten Bruches (Nummer 3282 GOÄ).
Die GOÄ beinhaltet ebenfalls die Option, auf eine weniger umfangreiche und niedriger bewertete Gebührenposition auszuweichen, wenn der Leistungsumfang der höher bewerteten Gebührenposition nicht durchführbar ist. Geplant ist beispielsweise eine Ösophago- und Gastroskopie (Nummer 683). Die Ösophagoskopie findet statt, die Gastroskopie kann jedoch wegen einer Stenose kurz vor der Kardia nicht durchgeführt werden. Die Abrechnung der Ösophagoskopie kann in diesem Fall beispielsweise über die Nummer 680 erfolgen. Sollte zusätzlich der Versuch einer Bougierung (Nummer 781) vorgenommen worden sein, so kann dies ebenfalls berechnet werden. Ein ähnliches Beispiel ist für die hohe Koloskopie (Nummer 687) denkbar, die dann - je nach Durchführung der Untersuchung - als partielle Koloskopie (Nummer 688) oder als Sigmoidoskopie (Nummer 689) berechnet werden kann. Weitere Beispiele sind für die Gastroenterologie, die Angiographie und auch für andere Fachgebiete denkbar.
Wenn eine Untersuchung nicht vollständig durchgeführt werden kann und keine "kleinere" Gebührenposition zur Verfügung steht, muss ein analoger Ansatz der originären Gebührenposition nach § 6 Abs. 2 erfolgen. Der Gebührensatz (Minderung/Steigerung) sollte nach Art, Kosten und Zeitaufwand angemessen gewählt werden. Eine Absenkung unter den Mittelwert ist beispielsweise sinnvoll, wenn der Versuch, die Untersuchung durchzuführen, kürzer gedauert hat oder das Ergebnis unbrauchbar (Röntgenbild) war; eine Anhebung über den Mittelwert ist korrekt, wenn der Versuch, die Leistung zu erbringen, länger gedauert hat, als die Untersuchung normalerweise gedauert hätte.
Um Missverständnissen vorzubeugen, sollte die Kennzeichnung über "Versuch der Untersuchung/Behandlung" auf der Rechnung eindeutig sein. Noch verständlicher für den Patienten ist es, wenn man ihn auf diesen Umstand bei dem Gespräch nach der durchgeführten Untersuchung hinweist.
Dr. med. Anja Pieritz
(in: Deutsches Ärzteblatt 101, Heft 50 (10.12.2004), Seite A-3444)