Chirotherapeutischer Eingriff und kraniosakrale Therapie
Deutsches Ärzteblatt 108, Heft 51-52 (26.12.2011), S. A-2786
Für den „chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule“ ist in der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) die Nummer (Nr.) 3306 GOÄ vorgesehen. Die Wirbelsäule ist dabei als Ganzes anzusehen, auch wenn sie aus den drei Abschnitten Halswirbelsäule mit Kopfgelenken, Brustwirbelsäule mit Rippengelenken und Lendenwirbelsäule mit Ileosakralgelenken besteht. Daher kann die Nr. 3306 GOÄ bei der chirotherapeutischen Behandlung mehrerer Abschnitte der Wirbelsäule in einer Sitzung nur einmal angesetzt werden (vgl. auch Landessozialgericht Stuttgart, Az.: 10 Ka 246/79).
Wird in derselben Sitzung ein „chirotherapeutischer Eingriff an den Extremitäten“ vorgenommen, so kann dieser gemäß einer Bekanntmachung der Bundesärztekammer vom 11. September 1998 analog Nr. 3306 GOÄ berechnet werden. Die Bundesärztekammer hat jedoch 1998 einschränkend hinzugefügt, dass eine mehr als zweimalige Berechnung der analogen Nr. 3306 GOÄ im Behandlungsfall auf der Rechnung begründet werden muss (DÄ, Heft 38/1998). Die Berechnung des chirotherapeutischen Eingriffs an den Extremitäten analog Nr. 3306 GOÄ kann auch neben dem chirotherapeutischen Eingriff an der Wirbelsäule berechnet werden, sofern dies medizinisch notwendig sein sollte. Die chirotherapeutische Behandlung des Ileosakralgelenkes oder der Ileosakralgelenke ist bei gleichzeitiger Behandlung der Wirbelsäule nicht berechnungsfähig, da die beiden Ileosakralgelenke Achsengelenke der Wirbelsäule darstellen (vgl. Kommentierung nach Brück, Deutscher Ärzte-Verlag). Bei der chirotherapeutischen Behandlung der Wirbelsäule und des/der Ileosakralgelenks/e in einer Sitzung kann also nur einmal die Nr. 3306 GOÄ berechnet werden. Der erhöhte zeitliche Aufwand kann allerdings über einen erhöhten Steigerungsfaktor Berücksichtigung finden.
Die Berechnung der Nr. 3305 GOÄ „chirotherapeutische Wirbelsäulenmobilisierung“ neben der Nr. 3306 GOÄ wird laut gängiger Kommentierung abgelehnt (vgl. Landgericht Braunschweig, Az.: 6 S 563/02 vom 29. April 2003).
Die kraniosakrale Therapie ist derzeit nicht in der GOÄ enthalten und kann nach § 6 Absatz 2 GOÄ mit einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung analog bewertet werden, sofern die Kriterien des § 1 GOÄ (medizinisch notwendige ärztliche Leistungen oder Leistung auf Wunsch des Patienten) erfüllt sind. Wie hier eine gleichwertige Abrechnung zutreffend erfolgen kann, wird kontrovers diskutiert. Im Vordergrund steht dabei meist die Frage, ob der Ansatz einer analogen Leistung aus dem Abschnitt E „Physikalisch-medizinische Leistungen“ (Nrn. 500 bis 569) der GOÄ oder aber mit der Nr. 3306 GOÄ „Chirotherapeutischer Eingriff an der Wirbelsäule“ im Analogabgriff zutreffend ist. Die Kommentierung nach Hoffmann et al. (Kohlhammer Verlag) ordnet die kraniosakrale Therapie und die Atlastherapie nach Arlen dem analogen Ansatz der Nr. 3306 GOÄ zu. Zu beachten wäre hierbei jedoch, dass beim Ansatz der analogen Nr. 3306 GOÄ sich die Leistungslegende der originären Gebührennummer auf die „Wirbelsäule“ bezieht und nicht auf Wirbelsäulenabschnitte abstellt. Dies würde (auch) für die kraniosakrale Therapie bedeuten, dass bei der analogen Nutzung der Nr. 3306 GOÄ nur ein Ansatz je Sitzung bei der Behandlung verschiedener Abschnitte der Wirbelsäule möglich ist.
Dr. med. Anja Pieritz
(in: Deutsches Ärzteblatt 108, Heft 51-52 (26.12.2011), S. A-2786)