Zur Abrechnung der Leistenhernienoperation
Deutsches Ärzteblatt 111, Heft 18 (02.05.2014), S. A-810
In § 4 Absatz 2 a der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist vorgegeben, dass methodisch notwendige Einzelschritte einer Operation neben der Gebührenposition für den Haupteingriff nicht getrennt berechnungsfähig sind.
Bei den Landesärztekammern und der Bundesärztekammer sind seit einiger Zeit Rechnungsbeschwerden aufgetreten, die neben der Abrechnung einer Leistenhernienoperation, beispielsweise mit der Nr. 3285 GOÄ („Operation eines Leisten- oder Schenkelbruches“) den analogen Ansatz der Nr. 1767 GOÄ (Originäre Leistungslegende: „Operative Freilegung eines Hodens mit Entnahme von Gewebematerial“) für eine „Funikulolyse“ enthalten.
Die Rechnungserstellerin führt als Begründung für diesen analogen Ansatz an, dass eine „Funikulolyse“ im Rahmen einer Leistenhernienoperation bei Frauen nicht erforderlich sei. Demzufolge müsse dieser Einzelschritt bei Männern getrennt berechnungsfähig sein.
Die Leistungslegende der Nr. 3285 GOÄ („Operation eines Leisten- oder Schenkelbruches“) ist geschlechtsneutral formuliert, wie auch alle anderen Gebührenpositionen des Kapitels Hernienchirurgie (L. XV) der GOÄ.
Es ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber keine Veranlassung gesehen hat, bei diesem seit mehr als 100 Jahren durchgeführten Eingriff eine gebührenrechtliche Differenzierung aufgrund der im Vergleich zur Präparation beziehungsweise Durchtrennung des Ligamentum teres uteri bei der Frau etwas aufwendigeren Präparation des Samenstranggebildes beim Mann vorzunehmen.
Zudem ist die Inzidenz einer Leistenhernienoperation beim Mann etwa neunmal höher als bei der Frau. Insofern wird der Verordnungsgeber bei der Erstellung der Gebührenposition diesen Regelfall der männlichen Leistenhernienoperation im Blick gehabt haben und keine Veranlassung gesehen haben, die vorgenannte, in 90 Prozent der Fälle zu erbringende Leistung über eine zusätzliche Gebührenposition abrechnen zu lassen.
Größere Sprünge in Bezug auf die operative Schwierigkeit und den Zeitaufwand sind demgegenüber auch im Abschnitt Hernienchirurgie durch unterschiedliche Gebührenpositionen differenziert, so beispielsweise mit den Nummern 3285 GOÄ („Operation einer Leisten- oder Schenkelhernie“, bewertet mit 1 290 Punkten) und 3286 GOÄ („Operation eines eingeklemmten Leisten- oder Schenkelbruches – gegebenenfalls mit Darmresektion –“, bewertet mit 2 000 Punkten).
Dr. med. Stefan Gorlas
(in: Deutsches Ärzteblatt 111, Heft 18 (02.05.2014), S. A-810)