Nummer 1 und/oder 5: Typischer Behandlungsfall
Deutsches Ärzteblatt 101, Heft 38 (17.09.2004), Seite A-2550
Geänderte Fassung vom 27.09.2004
Die Allgemeinen Bestimmungen und/oder die Ausschlüsse der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu einzelnen Gebührenpositionen sind nicht immer einfach zu durchschauen. Häufig werden aus den, oft sehr verklausulierten, Texten falsche Schlüsse gezogen. Dies kann zur Berechnung sich ausschließender oder zum Weglassen zulässiger Gebührenpositionen führen.
Beispiel: Der Patient verletzt sich am 2. August mit einem rostigen Messer. Er hat eine kleine Wunde am Zeigefinger. Der Arzt untersucht den Finger und berät den Patienten. Eine Auffrischung der Tetanus-Impfung ist nach dem Impfpass fällig. Die Wunde wird gesäubert und ein Verband angelegt. Abgerechnet werden können nach GOÄ die Nummern 1 (Beratung), 5 (symptombezogene Untersuchung), 2000 (Erstversorgung einer kleinen Wunde), 375 (Impfung), 200 (Verband) sowie die Auslagen für den Verband und die Ampulle Tetanol. Der Patient wird für den 4. August zur Kontrolle einbestellt.
Der Patient kommt am 4. August wieder. Der Finger schmerzt und ist deutlich gerötet. Der Arzt verordnet ein Antibiotikum, berät den Patienten kurz, legt einen neuen Verband und eine (wiederverwendbare) Fingerschiene an. Es wurden Leistungen erbracht nach den Nummern 1 (Beratung), 5 (symptombezogene Untersuchung), 200 (Verband) und 210 (kleiner Schienenverband). Dieser Abrechnung stehen jedoch die Allgemeinen Bestimmungen vor dem Abschnitt B entgegen: "Die Leistungen nach den Nrn. 1 und/oder 5 sind neben Leistungen nach den Abschnitten C bis O im Behandlungsfall nur einmal berechnungsfähig." "Als Behandlungsfall gilt für die Behandlung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inanspruchnahme des Arztes". Beide Bestimmungen treffen hier zu. Die Nummern 1 und 5 wurden in diesem Behandlungsfall schon einmal neben anderen Leistungen abgerechnet. Die Nummern 1 und 5 stünden jetzt erneut neben den Nummern 200 und 210 aus dem Abschnitt C. Für den Arzt besteht aber die Wahlmöglichkeit, die Nummern 1 und 5 GOÄ (je 80 Punkte) oder den Verband (Nummer 200 GOÄ = 45 Punkte) und die Fingerschiene (Nummer 210 = 75 Punkte) zu berechnen. Die Wahl fällt hier auf die Nummern 1 und 5 GOÄ. Zusätzlich können die Auslagen für den Verband in Rechnung gestellt werden, obwohl die Nummer 200 GOÄ wegen des Ausschlusses entfällt. Die Berechnung der wieder verwendbaren Schiene, die dem Arzt zurückgegeben wird, ist nicht möglich. Der Patient wird für den nächsten Tag einbestellt.
Der Patient kommt erst am 6. August wieder in die Praxis und klagt über einen juckenden Ausschlag am ganzen Körper. Der Patient vermutet eine Antibiotikaallergie, gibt aber auch an, dass seine Enkelkinder an Masern erkrankt wären. Der Arzt führt am entkleideten Patienten eine Untersuchung des gesamten Hautorgans nach Nummer 7 GOÄ durch, berät den Patienten kurz und legt einen Fingerverband an. Erbracht wurden Leistungen nach den Nummern 1 (Beratung = 80 Punkte), 7 (Untersuchung des Hautorgans) und 200 (Verband = 45 Punkte). Hier bleiben alle Leistungen stehen, da es sich um einen neuen Behandlungsfall bei Erkrankung der Haut handelt. Zusätzlich können die Auslagen für den Verband berechnet werden. Die Nummer 7 GOÄ bleibt grundsätzlich stehen, weil der Ausschluss in den Allgemeinen Bestimmungen nicht für die Nummer 7 gilt. Gleiches gilt für die Untersuchungen nach den Nummern 6 und 8 GOÄ.
Dr. med. Anja Pieritz
(in: Deutsches Ärzteblatt 101, Heft 38 (17.09.2004), Seite A-2550)
Geänderte Fassung vom 27.09.2004