Arztbriefe: Befundberichte nach Nummer 75
Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 49 (06.12.2002), Seite A-3356
Aus dem Text der GOÄ geht an mehreren Stellen (siehe Anmerkung zu Nummer 75 GOÄ, Allgemeine Bestimmung zu Abschnitt M/Laboratoriumsuntersuchungen, zu Abschnitt O I/Strahlendiagnostik und zu Abschnitt O II/Nuklearmedizin) unmissverständlich hervor, dass die Befundmitteilung oder der einfache Befundbericht mit der Gebühr für die zugrunde liegende Leistung abgegolten ist. Hingegen schließt der Verordnungstext der GOÄ an keiner Stelle die Abrechnung eines ausführlichen schriftlichen Krankheits- und Befundberichts nach Nummer 75 GOÄ neben einer diagnostischen Kernleistung aus. Nur, was ist ein ausführlicher Befundbericht?
Beispiel: Eine Befundmitteilung etwa des Inhalts "Zustand nach Konisation, gestörte Vaginalflora, Gruppe IIw, zytologische Kontrolle nach Sanierung der Vaginalflora in drei Monaten empfohlen" erfüllt offensichtlich nicht den Leistungsinhalt der Gebührenposition Nummer 75 GOÄ, auch wenn diese Formulierung, wie in der Leistungsbeschreibung gefordert, Angaben zur Anamnese (Zustand nach Konisation), zum Befund (Gruppe IIw), zur epikritischen Bewertung (engmaschige Kontrolle empfohlen) und zur Therapie (Sanierung der Vaginalflora) enthält. Doch auch mit Ausführlichkeit allein, zum Beispiel durch Auflistung anamnestischer Angaben in epischer Breite, aber ohne Relevanz für die Interpretation des Untersuchungsergebnisses, ist es nicht getan (siehe Urteil AG Bochum vom 17. September 2002, Az.: 63 C 224/02, zur Abrechnung der Nummer 75 neben MRT-Untersuchungen). Entscheidend ist, ob eine medizinisch erforderliche kritische Bewertung der Bedeutung der erhobenen Befunde für den einzelnen Patienten unter Berücksichtigung relevanter anamnestischer Angaben durchgeführt wird.
Die massenhafte ungerechtfertigte Abrechnung der Nummer 75 GOÄ für Routine-Befunde hat zu einem spektakulären Strafbefehl des Amtgerichts Wuppertal mit konsekutivem Entzug der Approbation gegen den Betreiber eines zytodiagnostischen Einsendelabors geführt (siehe AG Wuppertal Az.: 13 Cs 80 Js 121/00). Die Argumentation der Staatsanwaltschaft hat dabei auch zur Verunsicherung der korrekt abrechnenden Kollegen geführt, denn aus Sicht der Staatsanwaltschaft setzt der Ansatz der Nummer 75 GOÄ eine Anamneseerhebung durch persönliches Gespräch zwischen dem Untersucher und dem Patienten voraus. Diese Auslegung ist weder aus dem Wortlaut der Legende zu Nummer 75 oder aus anderen Anmerkungen im Verordnungstext der GOÄ ableitbar, noch durch gängige Kommentare gedeckt. In der Konsequenz dieser Logik wäre beispielsweise ein Fachgebiet wie die Pathologie prinzipiell von der Abrechnung der Nummer 75 abgeschnitten, obwohl doch gerade im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen bei differenzialdiagnostisch schwierigen Einzelfällen der ausführliche Bericht des Pathologen die Basis für die weitere Behandlung des Patienten bildet.
Bei aller Anerkennung für die wünschenswerte Signalwirkung, die von dem Strafbefehl auf Fälle unsachgemäßer Abrechnung der Nummer 75 ausgeht - etwas mehr Vertiefung in die medizinischen Hintergründe, im Sinne eines ausführlichen Befundberichts, hätte der Staatsanwaltschaft gut zu Gesicht gestanden.
Dr. med. Regina Klakow-Franck
(in: Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 49 (06.12.2002), Seite A-3356)